Köln, 31.08.1998
An die Redaktionen
Aktuelles/Ausland/Inland/Kurdistan/Türkei
· Friedenskonvoi von Istanbul nach Diyarbakir mit brutalem
Polizeieinsatz gestoppt
· Unter den 220 Festgenommenen befinden sich auch der HADEP-Vorsitzende
von Istanbul und Mitglieder des IHD-Vorstandes
Anläßlich des Antikriegstages am 1. September 1998, sollte
am heutigen Tag ein Friedenskonvoi von Istanbul nach Diyarbakir fahren.
Die Friedensfahrt stand unter dem Motto „Wann, wenn nicht jetzt?“ und war
vom Menschenrechtsverein IHD organisiert worden. Der Konvoi wurde neben
dem IHD auch von der HADEP, der Stiftung TOHAV, der Gewerkschaftskonföderation
KESK, Sektion Diyarbakir sowie der Demokratischen Plattform in den kurdischen
Gebieten und verschiedenen Nichtregierungsorganisationen unterstützt.
Auf einer Pressekonferenz in Istanbul war der Buskonvoi angekündigt
worden. Die Organisatoren begrüßten den Waffenstillstand der
Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, zum 1. September 1998 und forderten die
türkische Regierung auf, das Friedensangebot ernst zu nehmen.
Als die Busse um 10.30 Uhr von Taksim Tepebasi losfahren sollten, wurden
die TeilnehmerInnen der Fahrt sowie weitere Unterstützer von starken
Polizeikräften eingekreist. Nach Aussagen von Augenzeugen, wurden
fast alle Anwesenden, mindestens aber 220 Personen festgenommen und in
Polizeibussen zum Polizeipräsidium abtransportiert. Unter den Festgenommenen
befinden sich auch die IHD-Vorstandsmitglieder Eren Keskin und Osman Baydemir,
sowie der HADEP-Vorsitzende von Istanbul, Mahmut Sakar.
Erst am vergangenen Samstag war die wöchentliche Kundgebung der
Samstagsmütter in Istanbul gewaltsam von der Polizei aufgelöst
und 100 Personen festgenommen worden.
Wie bereits in den vergangenen Jahren, sollte anläßlich des
diesjährigen Antikriegstages am 1. September der Friedenswillen des
kurdischen und türkischen Volkes zum Ausdruck gebracht werden. Wir
erinnern an die Musa-Anter-Friedensfahrt des Jahres 1997, die nur unter
erheblichen Schwierigkeiten zustande kommen konnte. Teilnehmerinnen dieser
Fahrt aus Europa wurden schließlich vor Diyarbakir gestoppt und nach
ihrer Rückkehr in Istanbul von Polizeikräften angegriffen.
Das Vorgehen der Polizei gegen die diesjährige Friedensfahrt von
Istanbul nach Diyarbakir soll die Parteien und Nichtregierungsorganisationen
in der Türkei, die sich aktiv für einen Friedensprozeß
einsetzen, zum Schweigen bringen. Es hat den Anschein, daß einige
Kräfte in der Türkei, das Friedensangebot der kurdischen Seite
mit aller Kraft unterlaufen wollen. Der heutige Angriff auf die Friedensfahrt
macht das Anliegen dieser Kreise deutlich.
Wir appellieren an die europäischen Regierungen, vor allem auch
an die Bundesregierung, sowie an alle demokratischen Institutionen und
Organisationen, schnell zu handeln, damit die Friedensbefürworter
mit ihrem Anliegen Erfolg haben können.
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