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Berlin, 7. Juli 1999
An die Redaktionen:
Aktuelles/Ausland/Inland/Mittlerer Osten/Türkei/Kurdistan
 
 

Der Präsidialrat der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gab am gestrigen Tag eine Erklärung über die möglichen Entwicklungen und die notwendigen Verhaltensweisen nach dem Todesurteil gegen ihren Vorsitzenden Abdullah Öcalan ab. Die Erklärung des Präsidialrats der PKK vom 6. Juli dokumentieren wir im vollen Wortlaut:
 

An die Öffentlichkeit
Die Geschichte wird unseren Vorsitzenden, unsere Partei 
und unser Volk freisprechen

Das Todesurteil, das am 29. Juni 1999 gegen den Vorsitzenden unserer Partei, Abdullah Öcalan, gefällt wurde, ist gleichzeitig ein Todesurteil gegen unser Volk. Die Entscheidung ist eine Entscheidung für das Schüren eines Krieges zwischen dem kurdischen und dem türkischen Volk und dafür, daß in den Beziehungen zwischen zwei Völkern im 21. Jahrhundert wie im 19. und 20. Jahrhundert der Krieg vorherrschend sein soll. Sie weist den Aufbau von Frieden, Freiheit und geschwisterlichen Beziehungen zurück. Daß die andere Seite die Hand, die unsere nationale Führung, unsere Partei und unser Volk zum Frieden reichen, ausschlägt, bedeutet eine Entscheidung im Sinne der internationalen Kriegsgewinnler für ein Massaker der Völker. Das Todesurteil, das das Gericht und die hinter ihm stehenden Kräfte gefällt haben, ist nicht im Interesse der türkischen Nation, sondern nutzt den Interessen der Kräfte, die am Krieg verdienen. Deswegen ist aus dem Blickwinkel des kurdischen und türkischen Volks dieses Urteil in keiner Weise akzeptabel. Es ist ein Urteil, das aus der Sicht der Völker inakzeptabel ist und in jedem Fall überwunden werden muß. Die nationale Politik von Leugnung und Vernichtung war Ursache für Aufstände und ihre anschließende Niederschlagung. Der Einfluß ausländischer Kräfte auf die beiden Seiten brachte statt Frieden und freien Beziehungen Krieg. 200 Jahre lang erlitt sowohl das kurdische als auch das türkische Volk große Katastrophen. Auch das türkische Volk hat viel verloren, wenn auch nicht so viel wie das kurdische. Das gleiche Szenario soll auch an der Schwelle zum 21. Jahrhundert auf der Tagesordnung gehalten werden. Durch ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Lösung ermöglichen dies die Verantwortlichen des türkischen Staates, die sich ihrer Verantwortung nicht bewußt sind und beabsichtigen, daß beide Völker verlieren. Dagegen eröffnet der von unserem Vorsitzenden, dem Genossen Abdullah Öcalan, entwickelte und von unserer Partei und unserem Volk vollständig akzeptierte Kampf für einen demokratischen Frieden einen Weg für eine Lösung. Während die kurdischen Seite eine friedliche, demokratische Lösung vorbereitet, trifft die türkischen Seite Vorbereitungen für die Durchführung der Vernichtung. Sie zeigt nicht die Bereitschaft zu einer Lösung, die man von einem Souverän erwarten würde. Die zu einer fixen Idee gewordene Chauvinismuswelle erstickt auch die nicht so offensichtlichen positiven Haltungen.

Das, was den Diskussion in der türkischen Öffentlichkeit, die dem Urteil folgten, seinen Stempel aufdrückte, war nicht die Lösung, sondern das genaue Gegenteil. Verschiedene Kreise, die behaupten, die Interessen der türkischen Nation und Republik zu vertreten, taten nichts, als darüber zu philosophieren, auf welche Weise das Urteil vollstreckt werden soll. Sie stellten ein Verhalten zur Schau, das unseren Vorsitzenden, unsere Partei und unser Volk beleidigt. Sie ziehen es vor, die Größe des Türken dadurch zu beweisen, daß sie den Kurden erniedrigen. Dies war in der Vergangenheit so, und sie können sich auch heute nicht davon frei machen.

Zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet Größe nicht, auf Krieg zu beharren, sondern mit einer friedlichen, demokratischen Lösung eine Geschwisterlichkeit zwischen den Völkern zu entwickeln.

Auf der internationalen Ebene zeigte sich eine Haltung gegen das in Imrali gefällte Urteil. Was immer für eine Absicht hinter solch einer Haltung stehen mag: Sie ist bedeutsam im Sinne, daß Türen aufgestoßen werden nicht für Vernichtung, sondern für eine Lösung. Unsere Partei betont die Notwendigkeit, daß alle Kräfte, die sich gegen die Vernichtung gewandt haben, hinter ihren Erklärungen stehen und sie in die Praxis umsetzen. Das Problem ist derartig ernst, daß man darüber nicht leichtfertig reden sollte. Das, was gesagt wird, muß unbedingt umgesetzt werden. Es ist unser Recht und unsere Pflicht, jeden einzuladen, sich ernsthaft zu verhalten.

An die Zuständigen des türkischen Staats und die türkische Öffentlichkeit!
Unsere Partei, die PKK, hat durch den letzten Aufstand des Jahrhunderts, der durch ihre Führung verwirklicht wurde und immer noch andauert, bewiesen, daß die nationale Vernichtungspolitik keine Lösung ist. Die zweihundertjährige Geschichte von Aufständen und ihrer Niederschlagung ist zum deutlichsten Beispiel dafür geworden, wie das System der türkisch-kurdischen Beziehungen nicht sein darf. Gleichzeitig hat sie die Notwendigkeit einer freien Vereinigung der Völker in einer Demokratischen Republik in einer Form dargestellt, die für jeden verständlich ist. Sie hat in den Köpfen verankert, daß die Parole, die gerufen werden muß, nicht Krieg, sondern Frieden ist. Trotzdem gibt es ein Beharren auf einer Lösung, die sich auf Vernichtung stützt, einen Widerstand gegen die Realität selbst. Doch der türkische Staat muß an der Schwelle zum 21. Jahrhundert diese Realität sehen. Wenn wir das Jahrhundert, das vor uns liegt, nicht in eine Jahrhundert von Krieg verwandeln wollen, sondern den Frieden vorziehen, muß die Hand, die unsere Führung zum Frieden ausgestreckt hat, ergriffen werden. Um ein souveräner Staat zu sein, muß man gesunden Menschenverstand und die Bereitschaft zu einer Lösung zeigen. Die türkische Nation muß ihre Größe auf dieser Grundlage zeigen. Was die Türken als Staat und Nation groß machen wird, ist die Verwirklichung einer friedlichen, demokratischen Lösung. Jedes andere Verhalten bewirkt nichts als Erniedrigung. Gestern wie heute ziehen wir den Frieden vor, zum Krieg aber sehen wir uns gezwungen.

An die revolutionären, demokratischen und patriotischen Kräfte!
Unser Vorsitzender, der Genosse Abdullah Öcalan, und seine Partei, die PKK, führen einen großen Kampf sowohl für die Freiheit des Volkes von Kurdistan als auch für die demokratische Veränderung der türkischen Republik. Und sie führen diesen Kampf mit großer Entschiedenheit. Zum jetzigen Zeitpunkt haben sie, weil ein großer Krieg das erfordert, eine große Friedensoffensive begonnen. Trotz allem Negativen der türkischen Republik glauben sie, daß eine friedliche, demokratische Lösung im Interesse der Völker liegt. Zu Beginn unseres nationalen Befreiungskampfes hat sich die große Mehrheit der revolutionären, demokratischen und patriotischen Kräfte nicht am Kampf beteiligt und ihn nicht unterstützt. Das gleiche Verhalten wird in dem Kampf, den wir für eine friedliche, demokratische Lösung begonnen haben, gezeigt. So eine Position einzunehmen halten wir nicht für sinnvoll. Genauso, wie trotz derer, die solch eine Position hatten, sich der Krieg entwickelte, so wird auch, egal wie hoch der Preis dafür sein mag, der Kampf für eine friedliche, demokratische Lösung sich entwickeln. Aber unsere Partei ist nicht für eine Lösung gegen Euch. Wir erklären, daß es notwendig ist, daß Ihr Euch gegen das Todesurteil stellt, das gegen unser Volk in der Person unseres Vorsitzenden gefällt wurde, und Euch an der begonnenen Entwicklung beteiligt, um Eurer historischen Verantwortung gerecht zu werden.
Wir rufen alle revolutionären, demokratischen und patriotischen Kräfte auf, sich an einer Lösung auf der Basis einer demokratischen Republik zu beteiligen, um sich der nationalen Vernichtung entgegenzustellen.

An das heldenhafte Volk von Kurdistan!
Der Vorsitzende APO und seine Partei, die PKK, die Ihr gut kennt, kämpfen heute wie stets für Eure hehren Interessen. Der Vorsitzende APO hat immer für Euch gelebt, sein ganzes Leben lang hat er sich neben Euren Interessen nicht einmal ein Privatleben erlaubt. Dadurch wurde der Vorsitzende APO zum kurdischen Volk und das kurdische Volk zum Vorsitzenden APO. Der Vorsitzende APO, die PKK und das kurdische Volk wurden zum Namen für eine einzige Realität. Niemand hat die Kraft, sie voneinander zu trennen. Wer etwas anderes sagt, soll dies tun, diese Realität wird auf immer so bleiben.

Unsere Partei glaubt, daß auf dieser Basis, durch diese Realität niemand die Überzeugung an den Vorsitzenden APO erschüttern kann. Wir laden Euch ein, den Kampf zu verstärken, Euch im Wissen, daß das Todesurteil gegen unseren Vorsitzenden APO ein Todesurteil gegen uns alle ist, zu erheben und Eure Proteste auf allen Ebenen noch kraftvoller zum Ausdruck zu bringen.

Die Geschichte wird unseren Vorsitzenden, unsere Partei und unser Volk freisprechen.
Der Sieg gehört unserem Volk, das für seine Freiheit kämpft.
Es lebe der Vorsitzende APO!