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8.2.1 hotlines-Flugblatt: Arbeitszeitverlängerung
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(Oktober 2000) Wir sind "Call Center-Agents" und andere ArbeiterInnen. In diesem und den folgenden Flugblättern werden wir über Probleme und Auseinandersetzungen in Call Centern hier und in anderen Ländern berichten. Diese Flugblätter werden wir in der nächsten Zeit vor und in Call Centern verteilen: 1. Gute Zeiten, schlechte Zeiten... Gegen flexible Arbeitszeitverlängerung in Call Centern; 2. Call by Call... Intensivierung der Arbeit und die Antwort der ArbeiterInnen; 3. Stets zu Diensten... über Sinn und Unsinn unserer Arbeit; 4. Gut aufgelegt... Möglichkeiten und Erfahrungen, wie sich ArbeiterInnen auch im Call Center zusammen wehren können.
Alle Flugblätter werden auf der folgenden Website zusammen mit weiteren Infos und Beiträgen dokumentiert: [www.motkraft.net/hotlines]. Beteiligt euch an der Diskussion! Schickt uns Anregungen, Kritik oder Berichte aus "euren" Call Centern: [hotlines@motkraft.net]
Im Ruhrgebiet, in Glasgow, Paris, Mailand und Berlin... in vielen Städten und Regionen werden seit Jahren Call Center aufgemacht, in denen mittlerweile Hunderttausende arbeiten. Es gibt sie in Banken und Versicherungen, als technische Support-Hotlines, in Verkauf und Marketing, bei der Bestellannahme... Als ArbeiterInnen in Call Centern rufen wir mithilfe vernetzter Telefon- und Computeranlagen Leute an (outbound) und oder nehmen deren Anrufe entgegen (inbound). Oft arbeiten wir in Schichten. Die Arbeit ist in kurze, genau festgelegte Arbeitsschritte aufgeteilt. Dabei werden wir von TeamleiterInnen kontrolliert.
Viele von uns arbeiten im Call Center, weil das in manchen Regionen die einzige Chance ist, einfach an einen Job zu kommen. Zum Teil sind die Jobs auch besser bezahlt als die in der Fabrik, beim Putzen oder im Handel. Aber während Unternehmer und Politiker uns die Call Center in ihren Werbebroschüren als "moderne Arbeitsform" verkaufen, haben sie uns tatsächlich zum Proletariat ihrer "Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft" gemacht!
Call Center waren und sind ein Angriff auf die Weigerung vieler BüroarbeiterInnen, eine Verschlechterung ihrer Bedingungen hinzunehmen (in Banken, Versicherungen, bei Post, Telekom und in anderen Bürobereichen). Call Center, das bedeutet für viele ArbeiterInnen verlängerte Arbeitszeiten, Zwang zu Schichtarbeit, Dauerkontrolle und Intensivierung der Arbeit. Arbeiten im Call Center, das heißt mal Stress, mal Langeweile, Freundlichkeitszwang und Kunden-Abservieren, zu wenig Kohle und zu viele Stunden des Lebens für den Job.
Aber es hängt von uns ArbeiterInnen ab, unter welchen Bedingungen wir in den nächsten Jahren arbeiten werden. Unser Verhalten und unsere Kämpfe bestimmen, ob die Unternehmer den Arbeitstakt erhöhen und mehr Überstunden durchsetzen können, oder ob wir den Spieß umdrehen und denen zeigen, wo's lang geht!
Einige Bedingungen sprechen für uns: Die Zeitungen sind voll mit Stellenanzeigen und die Unternehmer machen schon Werbekampagnen und Durchsagen in Fußballstadien, weil sie nicht genug Leute finden, die ihre Arbeit machen wollen bzw. lange genug als "Call Center Agent" arbeiten. In solchen Zeiten können wir was durchsetzen, weil sie es sich oft nicht leisten können, Leute einfach rauszuschmeißen, und wir ansonsten auch schnell einen anderen Job finden. Und wir arbeiten zu ähnlichen oder gleichen Bedingungen oft mit Hunderten in einer Abteilung zusammen. Viele ArbeiterInnen haben auch schon in mehreren Call Centern gearbeitet und bringen von dort Erfahrungen und Kontakte mit. Wir sind also nicht isoliert, sondern können uns bei der Arbeit mit anderen gegen die miesen Arbeitsbedingungen organisieren.
Wir brauchen uns nichts gefallen lassen!
Für gemeinsame Aktionen gegen Überstunden und Arbeitshetze!
Gute Zeiten, schlechte Zeiten...
Gegen die flexiblen Arbeitszeitverlängerungen in Call Centern
Schichtende. Der Laden brummt... und du siehst schon, wie der Teamleiter rüberkommt: "Kannst du noch eine Stunde da bleiben?". Scheiße! Eigentlich wolltest du mit deiner Freundin ins Kino, aber das fällt wie üblich aus. Und Samstag ist auch keine Zeit, wegen der verordneten Sonderschicht. Schon mal gehört?
Das Interesse der Call Center-Unternehmer ist klar: Sie wollen mit den In- und Outbound-Anrufen möglichst fett Kohle machen. Daher versuchen sie uns zum einen länger arbeiten zu lassen: mehr Stunden pro Tag, mehr Tage in der Woche und das noch flexibel auf Abruf. Zum anderen sollen wir möglichst viele Calls pro Stunde erledigen und ansonsten alles unterlassen, was der Arbeitsproduktivität irgendwie schaden könnte.
In diesem Flugblatt schreiben wir was gegen die Versuche der Unternehmer, unseren Arbeitstag zu verlängern.
Zeit ist Geld für die einen...
Wir lassen Drähte und unsere Ohren heißlaufen. Und obwohl wir in recht kurzer Zeit unseres Arbeitstages dem "Arbeitgeber" die Kohle für unseren Lohn reintelefonieren, ist danach noch nicht Feierabend. Der Arbeitstag zieht sich weiter, aber die restliche Zeit arbeiten wir nur für die Gewinnbilanz des Unternehmens. Diese unbezahlte Arbeitszeit soll noch ausgedehnt werden, indem die einzelnen ArbeiterInnen mehr Stunden arbeiten, das heißt länger als vierzig Stunden die Woche oder bei Teilzeit mehr als die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit.
Mit Einführung der Call Center wurden in vielen Fällen die vorher in Filialen und Büros geltenden Arbeitszeiten verlängert (zum Beispiel im Banksektor), was oft mit "outsourcing" von Unternehmensteilen oder Einsatz von Leiharbeitsfirmen verbunden war. Darüber hinaus werden regelmäßig Überstunden und Sonderschichten gefahren, zum Beispiel in den technischen Hotlines (Medion/Mülheim...) und Bestellservices (Client Logic/ Duisburg...), bei Verkaufsaktionen oder im Saisongeschäft. Und in vielen Call Centern wird länger gearbeitet, indem zum Beispiel die Schulungszeiten nicht bezahlt werden oder - wie bei Quelle/Essen - verlangt wird, dass die ArbeiterInnen früher kommen, damit sie ihre Arbeitsanweisungen (im Intranet) lesen können! Es gibt auch Call Center, in denen die ArbeiterInnen ohne Bezahlung nach Hause geschickt werden, wenn die Computer ausgefallen sind oder zu wenige Anrufe reingehen (Client Logic...). Wenn die ArbeiterInnen auf die Kohle angewiesen sind, müssen sie die ausgefallenen Stunden an anderen Tagen nacharbeiten!
Die Unternehmer dehnen darüber hinaus auch die Gesamtarbeitszeit aus: Regierungen vieler Bundesländer geben den Call Center-Unternehmern die Erlaubnis für Sonntagsarbeit, und diese wurde in vielen Fällen eingeführt. Dasselbe gilt für Feiertagsarbeit. So wird zum Beispiel in den Direktbanken (Citibank, Deutsche Bank 24/beide Duisburg...) sonntags und feiertags gearbeitet. Nachts sowieso.
Viele Call Center-Betreiber zahlen auch keine Zuschläge für Sonntagsarbeit oder Überstunden. Überstunden werden trotzdem gekloppt, obwohl die Erfahrung zeigt, dass Überstunden oder Zuschläge für Sonntagsarbeit für uns nur kurzfristig mehr Kohle bedeuten. Wenn wir uns einmal haben breitschlagen lassen, regelmäßig länger zu arbeiten, wird der Lohn schnell wieder so weit sinken, dass er gerade zum Leben und zum Arbeitengehen reicht.
Dieser Angriff, der Versuch, die Arbeitszeit zu verlängern, läuft nicht nur in Call Centern, sondern auch in anderen Büros, in Geschäften und Fabriken. Call Center sind Teil dieser Gesellschaft, in welcher der Profit und nicht die Bedürfnisse der ArbeiterInnen über Arbeit, Arbeitsmittel und ihr Produkt entscheiden. Daher wird auch der Einsatz von produktiveren Technologien (zum Beispiel Automations- oder Informationstechnologien) nicht dazu führen, dass wir weniger oder angenehmer arbeiten. Im Gegenteil: Einige müssen in den Fabriken und Büros Sonderschichten oder Überstunden reißen, während sich andere zwischen Phasen der Arbeitslosigkeit so eben mit drei Nebenjobs über Wasser halten, die sie dank flexibler (Teilzeit-) Arbeitzeiten miteinander verbinden können.
...und Hetze zwischen Arbeitstakt und Schichtplänen für uns!
Warum versuchen die Unternehmer, neben dem Arbeitstag auch die Gesamtarbeitszeit auszudehnen und uns 24 Stunden, 7 Tage die Woche an die Telefone zu binden? Sie erzählen uns was von "Service am Kunden". Aber entscheidend ist: Wenn die Maschinen, also Computer, Telefonanlagen usw., Tag und Nacht ausgenutzt werden, haben sie schneller die Investitionen raus und können Gewinne machen! Und warum die Überstunden und Sonderschichten? Wir kennen das alle: Im Inbound gibt es mal viele Calls, mal wenige. Im Outbound schwankt die Zahl der Anrufe weniger, aber dafür gibt es mal viele Aufträge, mal keine. Die Unternehmensleitung versucht, die Schwankungen bei den Anrufen und Aufträgen darüber auszugleichen, dass wir ArbeiterInnen in den Hochzeiten Überstunden und Sonderschichten machen, in den ruhigen Zeiten aber zu Hause bleiben sollen oder nur die Regelarbeitszeit da sind.
Es geht darum: Wir sollen flexibel sein und immer dann antanzen, wenn es der Unternehmensleitung in den Kram passt, damit die Call Center nicht mehr ArbeiterInnen einstellen müssen. Das würde Geld kosten und damit ihre Profite schmälern!
Die Auseinandersetzung über die Länge des Arbeitstages ist ein entscheidender Konflikt zwischen ArbeiterInnen und den Chefs. Es gab zum Beispiel lange Kämpfe um den Acht-Stunden-Tag und die Vierzig-Stunden-Woche. Es waren aber weniger die öffentlichen Kampagnen der Gewerkschaften (wie die für die 35-Stunden-Woche in den Achtzigern) als vielmehr der unmittelbare Druck der ArbeiterInnen, der zu Verkürzungen der Arbeitszeit führte.
Momentan sind wir es, die den Druck zu spüren bekommen, aber wir finden in der letzten Zeit eher defensive Antworten auf die Verlängerung der Arbeitszeit und ihre "Flexibilisierung": den Krankenschein gegen Wochenendarbeit oder die verlängerte Toilettenpause bei stressigen Schichten. Und manchmal passen wir auf die Telefone anderer auf, damit diese endlich mal wieder eine gemeinsame Plauschpause haben können. Klar, diese inoffizielle "Arbeitszeitverkürzung" ist in Ordnung, aber sie steht auf schwachen Füßen, solange wir uns die doppelte Arbeit aufdrücken lassen, wenn zu wenig Leute im Team an der Strippe hängen.
Wenn wir dauerhaft mehr Zeit für die schönen Dinge im Leben haben und weniger Stunden für die Arbeit opfern wollen, müssen wir das schon zusammen durchsetzen! Dabei brauchen wir nicht zu warten, bis auch der Letzte im Team begriffen hat, dass wir uns nicht mehr verarschen lassen sollten. Es reicht, wenn wir mit einigen ArbeiterInnen aus der Abteilung dabei den Anfang machen!
Keine Sonderschichten!
Jede Überstunde ist 60 Minuten zuviel Arbeit!
Schicht mit Schicht!
Deutsche Bank 24: Elende Schichten
Die Deutsche Bank 24 hat Call Center in Duisburg, Bonn und Berlin. Im September 1999 wurde die Deutsche Bank von der Bank 24 übernommen. Richtig gehört: Um zu verhindern, dass die bisher bei der Bank 24 Beschäftigten und alle Neueingestellten unter den Tarifvertrag der alten Deutschen Bank fallen, hat die Tochter Bank 24 die Mutter Deutsche Bank geschluckt. Die Bedingungen in den Call Centern sind: 40-Stunden-Woche für VollzeiterInnen, Schichtarbeit (zum Teil rund um die Uhr, zum Teil zwischen 7 und 22 Uhr) mit ständig wechselnden Schichten, Löhne im Inbound (Kontoführung...) bei 20 DM/Stunde, im Outbound (Kunden- und Produktwerbung) etwas darüber.
Im Inbound gehen die Anrufe direkt aufs Headset (ohne Knopfdrücken zum Abnehmen), sodass du ständig aufpassen musst. Manchmal kommt ein Anruf nach dem anderen, wie im Akkord, immer dasselbe, monoton und ätzend. Früh und spät sitzt du aber auch mal rum und langweilst dich, weil kein Schwein anruft. Durch die Schichtarbeit fängst du mal um 7, mal um 10 und dann wieder um 13 Uhr an. Es kommt vor, dass du nicht mal 11 Stunden zwischen den Schichten hast. Das macht dich kaputt. Es gibt einen Betriebsrat, der mit der Unternehmensleitung rummauschelt (zum Beispiel um die Arbeitsunterbrechungen wegen Bildschirmarbeit zu regeln). Aber was kann der schon durchsetzen. Das müssen wir selbst in die Hand nehmen. Das ist schwer, weil viele nur kurz da arbeiten. Wer keinen Bock mehr hat, sucht sich halt einen anderen Job. Zeit, dass sich die Unzufriedenen sammeln und was gegen die Arbeitshetze machen!
Citibank: Mehrarbeitszeit und mehr Zeit für die Arbeit
Wir arbeiten im Call Center der Citibank in Duisburg. Im Sommer 1999 wurden die meisten Call Center der Citibank und etliche Verwaltungsbereiche in Duisburg konzentriert - trotz des Widerstands und Streiks der ArbeiterInnen gegen die Schließung der bisherigen Call Center und die Verschlechterung der Bedingungen (zum Beispiel in Bochum). Heute sind hier unter anderem das Phonebanking (Kontostände, Überweisungen...) und Branchphone (Anrufe für Filialen). Im Phonebanking verdient eine ArbeiterIn etwa 19 bis 20 DM brutto bei 40 Stunden-Woche, im Branchphone etwa 23 DM brutto. Mittels der Konzentration vieler Aufgaben in der Citibank GmbH in Duisburg haben es die Chefs geschafft, unsere Arbeitszeit und die vieler ArbeiterInnen in anderen Abteilungen zu verlängern. Die ArbeiterInnen im Phonebanking müssen bereit sein, zu jeder Tages- und Nachtzeit und an allen Tagen in der Woche zu arbeiten. Unregelmäßige Schichtarbeit ist die Folge, was auf Dauer völlig auslaugt. Als das Phonebanking noch in Bochum war, betrug die bezahlte Pausenzeit sechzig Minuten bei einer Acht-Stunden-Schicht. Ein Monat nach Eröffnung der Abteilung in Duisburg wurde die bezahlte Pausenzeit um die Hälfte (!) verringert. Die Pausen sind genauso wie die Schichten unregelmäßig.
Für viele ArbeiterInnen, die vor der Versetzung nach Duisburg zum Banktarif eingestellt waren, bedeutet der Wechsel in die neu gegründete Citibank GmbH die Verlängerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Sie müssen nach Ablauf des Sozialplans in circa zwei Jahren anstatt 39 dann 40 Stunden arbeiten. Auch wird ihr Lohn wesentlich geringer ausfallen. Der Jahresurlaub wird auf 25 Tage im Jahr reduziert. Die Unternehmensleitung versucht nun, auch in den Filialen eine Verlängerung der Arbeitszeit durchzusetzen. Die Filial-ArbeiterInnen sollen in der Woche länger und zusätzlich am Samstag arbeiten. In einigen Städten geschieht das bereits. Deswegen werden auch im Branchphone schon Extraschichten gefahren. Dass es bisher keine Aktionen gegen die Verlängerung unserer Ausbeutungszeit gab, lag auch an der Situation, die Duisburg vorausging: Viele, die sich im November 1998 auch mit Streik gegen die Schließung der verschiedenen Citibank-Call Center wehrten, wurden vor der Eröffnung der GmbH in Duisburg gefeuert. In Duisburg waren deswegen viele erstmal verunsichert und die meisten kannten sich nicht. Das ist mittlerweile anders und wir können gemeinsame Forderungen durchsetzen. Gerade jetzt, wo es der Unternehmensleitung schwer fällt, genügend Leute zu finden, die überhaupt oder für längere Zeit für die Citibank arbeiten wollen. Die Zeit ist reif, schlagen wir los!
Quelle: Quellende Arbeitszeit
Ich arbeite mit circa dreihundert ArbeiterInnen im Call Center der Quelle GmbH in Essen in der Bestellannahme. Andere arbeiten im Kundenservice (Reklamation, Kontoführung, Umtausch). Das Call Center hat von Montag bis Samstag von 7 bis 22 Uhr auf, wie auch die in Köln, Mainz, Padborg und die Hauptstelle Nürnberg-Fürth. Die ArbeiterInnen in Leipzig, Magdeburg, Chemnitz oder Cottbus machen auch Nachtschichten. Sie verdienen noch weniger als wir. Wir kriegen 15,40 DM brutto bei Vollzeit und 14,40 DM bei Teilzeit - außer denen, die noch die alten Verträge mit der Quelle AG haben. Die verdienen circa ein Drittel mehr. Wir haben immer wieder anders verteilte Schichtzeiten.
Manchmal sollen wir bis 22 Uhr und dann gleich wieder morgens um 8 Uhr freundlich sein. Mit einem Lächeln in der Stimme. Dabei quellt uns die Arbeit aus den Ohren raus. Überstunden sind die Regel, ohne Zuschläge! Und circa 150 glückliche ArbeiterInnen sollen samstags - ohne Wochenendzuschlag - munter auf der Matte stehen. Für unsere Mittagspause sehen wir auch kein Geld, und um unsere bezahlten Bildschirmpausen machen zu können, müssen wir täglich auf die Marienkäferjagd gehen: Pro Team gibt es einen Marienkäfer, und nur mit dem in der Hand sollen wir Pause machen. Ansonsten sollen wir eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn kommen, um die Arbeitsanweisungen im Intranet zu lesen! Ohne mehr Kohle. Wo sie uns schon für die Schulungszeit nicht alles bezahlen! Mit Urlaubssperre, flackernden Bildschirmen, Rückenschmerzen und immer flexibel sollen wir bereit sein, uns die Ohren voll quatschen zu lassen. Wir müssen erstmal Pausen durchsetzen, wann immer wir sie brauchen! Zeit für 'ne Welle bei Quelle!
Client Logic: Acht-Stunden-Momentaufnahme
Ich arbeite im Call Center von Client Logic (ehemals DTS). Das ist ein reines Call Center-Unternehmen, welches für andere Firmen Aufträge übernimmt, bzw. den Overflow ihrer Call Center abbaut. In Duisburg arbeiten etwa fünfhundert ArbeiterInnen, überwiegend in der Bestellannahme (für Neckermann, Weltbild, Conrad...), und im technischen Support (für Premiere World, Tele2...). Gearbeitet wird dort 7 Tage die Woche von 6 bis 24 Uhr. Die Wochenendzuschläge werden ständig gekürzt, der für den Samstag wurde auf Dauer gestrichen. Bisher hat es keine Aktionen gegen die Lohnkürzungen gegeben, was sicherlich auch mit der hohen Fluktuation zusammenhängt. Die wenigsten arbeiten lange genug in dem Laden, um mitzukriegen, wie diese ständigen Lohnkürzungen ablaufen. Der Großteil arbeitet auf 630 DM-Basis oder in Teilzeit.
Die 630 DM-JobberInnen bekommen 12 oder 13 DM, die VollzeiterInnen 16 DM die Stunde. Die Arbeitszeiten sind zwar bei vielen vertraglich festgelegt, aber wenn das Anrufaufkommen zu gering ist, werden welche unbezahlt nach Hause geschickt! Um dann am Ende des Monats doch noch ausreichend Geld zu haben, müssen wir die Zeit an anderen Tagen nacharbeiten! Die Unternehmensleitung ist auf unsere Zeitflexibilität angewiesen, besonders auf die Überstundenbereitschaft während des Weihnachtsgeschäfts oder bei der Einführung neuer Produkte. Client Logic hat ständig Arbeitskräftemangel und ist abhängig davon, dass wir dem Anrufaufkommen gemäß arbeiten. Das ist unsere Stärke. Wir müssen uns die willkürlichen Arbeitszeiten und die ungleichen und viel zu niedrigen Löhne nicht gefallen lassen. Gerade jetzt, wo das Weihnachtsgeschäft vor der Tür steht, können wir zeigen, wo die Harke steht!
Medion: In 50 Stunden um den Verstand
Die ArbeiterInnen im Medion Technologie Center (Mülheim/Ruhr) machen technischen Support und alle anfallenden Dienstleistungen, die Medion durch den Verkauf von Computern, Peripheriegeräten und elektronischen Konsumartikeln verursacht. Der Lohn liegt im ersten Level (Anrufannahme) bei 17,50 DM, im zweiten Level (technischer Support) bei 20 DM brutto die Stunde. Ende des letzten Winters wurden wegen einer Verkaufsaktion bei Aldi neue Leute eingestellt und es gab Urlaubssperre und Sonderschichten. Wir arbeiten dort vierzig Stunden/fünf Tage die Woche, was eigentlich schon eine Zumutung ist. Und alle drei Wochen müssen wir einen "Pflichtsamstag" leisten. Die Sonntage waren bisher sozusagen freiwillig. Für die Aktionstage (sechs Wochen!) sollte die Frühschicht regelmäßig samstags und die Spätschicht sonntags erscheinen - unter Beibehaltung des Pflichtsamstags! Alle mussten mindestens einmal dreizehn Tage durcharbeiten und hatten dann nur einen Tag frei! Außerdem war das Anrufaufkommen viel höher als sonst.
Die Stimmung war mies, aber niemand hat vorgeschlagen, dem Chef das Büro einzurennen und die Überstunden zu verweigern. Im Gegenteil, ein paar von den "Alten" erzählten, dass sie bei der letzten Aktion drei Wochen durchgehend neun Stunden gearbeitet hätten. Wir sollten jetzt noch froh sein, dass wir einen Tag frei hätten. Das hat allem Unmut den letzten Rest an Courage genommen. Auf sich alleine gestellt, blieb einzelnen nur noch der Weg zum Arzt. Viele sind nach der Aktion abgehauen. Dabei hätte ein geschlossenes Auftreten in der Zeit der Aktion einiges raushauen können. Im Moment haben die Personalbüros Schwierigkeiten, Leute zu finden, die diesen Job machen wollen, und die Geschäftsleitung hätte sich ja nicht auf die Schnelle ein Call Center voll Streikbrecher organisieren können. Aber die nächste Aktion kommt bestimmt...
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