|
8.5 Glossar [english][zurück]
[a]
[b]
[c]
[d]
[e]
[f]
[h]
[i]
[j]
[k]
[l]
[m]
[n]
[o]
[p]
[r]
[s]
[t]
[v]
[w]
ACD-Anlage: (Automatic Call Distribution) Besteht aus Hard- und Software. Sie nimmt Anrufe entgegen und verteilt sie entsprechend bestimmter Profile an die ArbeiterInnen. ACD-Anlagen steuern Warteschlangen und erfassen alle mit den Anrufen zusammenhängenden Daten (Anrufdauer, Nacharbeitszeit...), die dann statistisch ausgewertet werden können. [top]
Agents: Bezeichnung für Call Center-ArbeiterInnen. Call Center-Agent wird von den Bossen und Gewerkschaften eingesetzt, um die Plackerei als Beruf darzustellen und mit formalen Qualifikationen und Zeugnissen zu belohnen. [top]
Arbeit-nach-Vorschrift: Effektive Methode, den Arbeitsprozess zusammenbrechen zu lassen. Die ArbeiterInnen machen einfach alles so, wie vorgeschrieben: keine Improvisation, keine Hetze, keine Extra-Aufgaben, kein Nachdenken... Als Druckmittel einsetzbar. [top]
Assessment Center: Selektionsverfahren für Job-BewerberInnen, bei dem sie in blöde Spielchen verwickelt werden und bei Psychotests ihre Hosen runterlassen sollen. Gutes Training für Falschaussagen. [top]
Bereit-Taste: Fiesester Knopf am Callmaster. Wenn du die drückst, kann dir die ACD-Anlage Anrufe durchschieben. [top]
Bridging: Überleitung eines Inbound-Gesprächs (zum Beispiel einer technischen Nachfrage, einer Überweisungsaufgabe) auf den Verkauf eines Produktes. [top]
Burn-out: Ausbrennen. Zustand nach einigen Tausend Anrufen im Call Center (oder wahlweise nach der Schicht, wenn du ständig in der Straßenbahn einnickst, deine Haltestelle verschläfst, damit dein Date verpasst und somit vereinsamst.) [top]
Callmaster: Eine Art Telefon mit mehr Tasten als gewöhnlich. Am Callmaster sollst du dich ein- und ausloggen, drückst auf Bereit, auf Nacharbeit, stellst Gespräche an andere ArbeiterInnen oder ins Warteschleifen-Nirvana durch... In manchen Call Centern ist der Callmaster schon zur Software mutiert und lebt virtuell als Bildschirmfenster. [top]
Coaches: Call Center-Spraak für die Hyänen, die dir bei Schulungen die Standardformulierungen ins Hirn brennen, den Kundendienst-Quatsch verbraten und generell auf die Nerven gehen... In manchen Call Centern hören sie in deine Gespräche rein, machen sich Notizen und geben dir nachher Smileys... oder Abmahnungen für deine Unfähigkeit. [top]
Cross-selling: Ähnlich wie Bridging. Bei einem Inbound-Gespräch sollen Sachen verscherbelt werden. [top]
CTI: (Computer Telephony Integration) Zusammenschaltung von Telefonanlage und Datenbanksystemen. Es ermöglicht die direkte Verbindung von Telefontätigkeiten mit Computeranwendungen. So können ArbeiterInnen bei der Zuteilung eines Anrufes automatisch alle Informationen über die AnruferInnen auf den Bildschirm bekommen. [top]
Data Mining: Systematische Suche von Personendaten nach Kunden-Profilen. Die gefundenen Daten werden dann bei telefonischen Verkaufsaktionen eingesetzt. Ähnlich auch Selektion: das Durchsuchen von Daten nach bestimmten Marketing-Kriterien. [top]
Direct-to-ear: Direktes Durchstellen der Anrufe auf das Ohr der ArbeiterInnen, ohne "Abheben". Dadurch sollen diese daran gehindert werden, sich zwischen den Anrufen auszuruhen. [top]
Einloggen/Ausloggen: Anmelden über die Eingabe von Nutzer-Namen und Passwort am Callmaster und am PC. Und Abmelden natürlich. [top]
Externe Call Center: Nicht Teil einer größeren Firma sondern Call Center-Dienstleister, der Aufträge von Firmenkunden zur Bearbeitung ihrer Anrufe bekommt. Siehe auch unter Inhouse-Call Center. [top]
First/Second Level: Form der Arbeitsorganisation. Der first level ist die erste Stufe der Bearbeitung, in der häufig das Massengeschäft abgewickelt wird (Kundenaufnahme, Bestellungen, Kontenstände ansagen...). Für andere Arbeitsvorgänge, die nicht sehr schnell zu erledigen sind und spezielle Kenntnisse erfordern, werden die Calls in den second level durchgestellt. [top]
Front-/Backoffice: Form der Arbeitsorganisation. Im front office bearbeiten die ArbeiterInnen die Anrufe und geben Informationen in Datenbanken ein. Alle weiteren Schritte - Formalitäten, Entscheidungen... - werden im back office gemacht. Damit lässt sich der Arbeitstakt hoch setzen. Zudem können für die dequalifizierten front office-Aufgaben Ungelernte eingestellt werden. [top]
Headset: Einheit von Kopfhörer und Mikrofon, die es erlaubt, dass die Hände beim Telefonieren frei bleiben. Headsets sind manchmal schmierig oder haben kratzigen Kopfhörerschaumstoff. [top]
Help Desk: Eine Abteilung, an die sich zum Beispiel Computer-BenutzerInnen wenden können, wenn sie Hilfe brauchen. [top]
Hotline: Bezeichnung für einen Kundendienst- oder Info-Telefonservice. [top]
Idle-time: Zeit, die du auf Nacharbeit, Pause... stehst, also nicht bereit bist, einen Call anzunehmen. Wörtlich heißt das: die Zeit, in der du untätig bist. Das wird von der ACD-Anlage festgehalten und über das Monitoring und die Teamleiter kontrolliert - und gegen dich verwendet. [top]
Inbound: Bezeichnet alle eingehenden Anrufe: Auskunftsdienste, Bestell-, Buchungs-, Auftragsannahme, Beschwerde und Reklamationsannahme, Notfallservice, Supportservice, Sex-Hotlines... Siehe auch Outbound. [top]
Inhouse-Call Center: Call Center, die nicht ausgelagert, sondern Teil eines größeren Unternehmens sind. Im Gegensatz dazu stehen die externen Call Center-Dienstleister, die für Auftraggeber telefonieren lassen. [top]
IVR: (Interactive Voice Response) Sprachdialogsystem, das den Anrufenden die Eingabe von Anweisungen mittels Telefontastatur oder menschlicher Stimme erlaubt. Die Eingaben werden digital verarbeitet. Eingesetzt werden IVRs unter anderem bei der Annahme von Geheimnummern von Bankkunden oder der Vorqualifizierung von AnruferInnen zur Durchstellung an Fachabteilungen. [top]
Job-hopping: Neuste athletische Spring-Sportart aus dem Ruhrgebiet. Gefällt dir ein Job nicht, weil der lausig bezahlt ist oder die Schichteinteilung dich zu sehr von wichtigen Dingen des Lebens abhält, wie Faulenzen, Nichtstun oder Rumlümmeln, hoppst du zum nächsten und hoffst (vergeblich), dass du dann mehr Zeit dafür hast. [top]
Klandestin: Bedeutet: heimlich. Wenn die Bosse nicht mitkriegen sollen, wer sich gegen Maßnahmen wehrt, wer den Arbeitstakt runtersetzt oder sich vorgenommen hat, längere Pausen durchzusetzen, muss das klandestin von den ArbeiterInnen organisiert werden. [top]
Kundenqualifizierung: Annahme eines Anrufes und Abfrage von Namen, Kundennummer... Danach wird der Anruf in eine Fachabteilung weitergestellt. [top]
Lächeln: Verbreiterter Lippenzustand, der im Call Center vorgeschrieben ist, weil AnruferInnen die Mundform mithören können. Bei Nichteinhaltung droht ein One-to-One-Gespräch mit klebrig-lächelndem Teamleiter und Lohnabzug. [top]
Monitoring: Die Teamleiter haben eine Software, die mit den Daten der ACD-Anlage arbeitet und ihnen ermöglicht, jederzeit zu sehen, wer gerade auf Bereit oder Nacharbeit ist, welche Arbeitsleistung eine ArbeiterIn gestern oder in der letzten Woche hatte... Das nennt sich Monitoring und ist so was wie Überwachung. [top]
Mystery Calls: Anrufe von Testern zur Kontrolle der Leistung von Call Center-ArbeiterInnen. Die mystischen Schnüffler legen insbesondere Wert auf das Lächeln in der Stimme, die Einhaltung von Skripten und Standardformulierungen... [top]
Nacharbeit: Zusatzstress nach dem Anruf, zum Beispiel Eingabe von Informationen am PC oder Ausfüllen von Bestell- oder Reklamationsformularen. Währenddessen drücken die ArbeiterInnen normalerweise auf den Knopf "Nacharbeit" an ihren Callmastern, damit sie keinen Call reinkriegen. Basis ständigen Kleinkriegs mit den Teamleitern. [top]
Outbound: Ausgehende Anrufe, wie Kundenwerbung, Markt- und Meinungsforschung, Terminverabredungen, Verkauf... Siehe auch Inbound. [top]
Outsourcing: Nicht nur bei Call Centern benutzter Begriff für die Auslagerung von Betriebsteilen in externe Firmen. [top]
Overflow: Anrufe, die nicht angenommen werden können und in der Warteschlange schimmeln. Der overflow wird manchmal an externe Call Center umgeroutet. [top]
Power-/Predictive-Dialer: Anwahlsystem für den Outbound-Bereich, das auf Basis einer - mit data mining erstellten - Telefonliste automatisch Telefonverbindungen herstellt. Besetztzeichen, Fax-Geräte, Anrufbeantworter können herausgefiltert werden. Macht ordentlich Stress, indem es dir Kunden am laufenden Band schickt. [top]
Prekarisierung: Von prekär = ungesichert. Begriff für den zunehmende Ersetzung ungefristeter Vollzeit-Arbeitsverträge durch Zeitarbeit, befristete Verträge, Praktika... [top]
Profile: ArbeiterInnen werden nach einem bestimmten Raster bewertet, zum Beispiel welche Sprachen sie sprechen, welche Produkte sie supporten können... Das erstellte Profil wird dann in die ACD-Anlage eingegeben, damit die weiß, welche Anrufe sie den jeweiligen ArbeiterInnen durchstellen soll. Profile werden auch beim data mining über Kunden erstellt, um zu bestimmen, wer bei einer bestimmten Verkaufaktion angerufen werden soll, weil er oder sie arbeitet, frisch verheiratet ist... aber noch keinen Kredit am Arsch hat. [top]
Routing: Bei eingehenden Anrufe werden die Telefonnummern gecheckt, um zu wissen, ob der ins Call Center nach Bayern oder Sachsen durchgestellt - geroutet - werden soll. Auch das interne Durchstellen eines Anrufs an eine ArbeiterIn über die ACD-Anlage wird als Routing bezeichnet. Bei Streiks benutzen die Bosse das Umrouten in andere Call Center, um die Anrufe dort bearbeiten zu lassen. [top]
Sabotage: (sabot = Holzschuh) Von ArbeiterInnen an Spinnmaschinen erfundene Schuhattacke, nach der die Maschine stehen bleibt. Auch ohne Schuh auf andere Maschinen anwendbar. [top]
Schulung: Bevor du im Call Center ans Telefon gelassen wirst, musst du eine Schulung mitmachen. Das ist quasi deine Ausbildung und dauert zwischen zwei Minuten und zwei Monaten oder länger. Meist ist es eher eine Art Gehirnwäsche, bei der dir die Firma und die Produkte angepriesen werden, damit du den Schwachsinn nachher den Leuten am Telefon nachkaust. [top]
Service Level: In einigen Call Centern errechnen die Bosse, wie viele von hundert Calls zum Beispiel innerhalb von drei Minuten angenommen werden. Alle über drei Minuten fallen negativ ins Gewicht. Per Zielvorgabe wird definiert, wie der Service Level sein soll, zum Beispiel neunzig Prozent. Der aktuelle Wert wird den ArbeiterInnen dann zum Teil auf wallboards und täglichen Aushängen ständig vor Augen geführt... um sie unter Druck zu setzen. [top]
Skripte: Gesprächsvorlagen mit genau festgelegten Satzfolgen, die den Kunden vorgelesen werden sollen. Deren Einhaltung wird oft von den coaches, mittels monitoring oder mystery calls kontrolliert. Siehe auch Standardformulierungen. [top]
Standardformulierungen: Genaue Vorgaben, zum Beispiel für die Begrüßung und Verabschiedung der AnruferInnen. Deren Einhaltung wird kontrolliert und geht allen auf die Nerven: "Guten Tag, mein Name ist Vorname Nachname, wie kann ich Ihnen nützlich sein?" [top]
Stumm-Taste: Beliebter Druckknopf am Callmaster, auch mute genannt. Bei Betätigung kann die Call Center-ArbeiterIn den Mensch am anderen Ende der Leitung hören, umgekehrt nicht. Ermöglicht die Fortsetzung des Flirts mit einer KollegIn. [top]
Supervisor: Antreiber. In manchen Call Centern werden die Teamleiter so genannt, oft aber auch die Teamleiter der Teamleiter. [top]
Support: Wörtlich Unterstützung. Der Begriff wird vor allem bei den technischen Hotlines eingesetzt, wobei das mit dem support oft eher eine Hoffnung ausdrückt als eine tatsächliche Hilfestellung. Den ArbeiterInnen haben meist keinen Zugang zu allen wichtigen Informationen, und sie werden kaum angelernt... [top]
Taylorismus: Frederick Winslow Taylor (1856-1915) machte Zeit- und Bewegungsstudien bei FabrikarbeiterInnen und ermöglichte damit die weitere Aufteilung der Arbeit in kleine Schritte, die von ungelernten ArbeiterInnen ausgeführt werden konnten. Das war auch Grundlage für die Vorgabe von Akkordstückzahlen und deren ständiger Erhöhung. (Unbestätigten Gerüchten zufolge soll er bei seinen Studien von ausgemergelten FließbandarbeiterInnen mit einer Uhr erschlagen worden sein.) [top]
Team: Meist willkürliche Organisationseinheit auf Abteilungsebene: Mehrere ArbeiterInnen werden zu Teams zusammengefasst, damit sie auch einen Teamleiter bekommen können. Logisch. Selten haben Teams was mit dem Arbeitsprozess zu tun, also der Einteilung nach bestimmten Arbeitsschritten, die nacheinander von einer bestimmten Gruppe von ArbeiterInnen ausgeführt werden. [top]
Teamleiter: Was der Meister in der Fabrik ist der Teamleiter im Call Center. Als Qualifikation müssen sie vor allem die Schnüffelei und Antreiberei... aber auch das Abwiegeln und Team-Gequatsche beherrschen. [top]
Tinnitus: Eine der verbreiteten Effekte von Call Center-Arbeit. Du hörst ständig einen Ton, ein Geräusch, ein Fiepen, obwohl da gar nichts ist. Wer es noch nicht mitgekriegt hat: Call Center-Arbeit macht krank! [top]
Virtuelles Call Center: Zusammenschalten von Call Centern an verschiedenen Standorten. Über eine ACD-Anlage werden die eingehenden Anrufe je nach Bereitschaft an Call Center-ArbeiterInnen in Lübeck, Magdeburg, Cardiff und Brisbane durchgestellt. [top]
Wallboard: Große Laufanzeigen, auf denen die Zahl der Anrufe in der Warteschlange, der Service-Level... dargestellt werden. [top]
Warteschlange: Call Center-Haustier. AnruferInnen, die in der ACD-Anlage registriert sind, aber noch nicht entgegengenommen wurden, dürfen sich die einlullende Warteschlangen-Musik reinziehen oder werden mit sanfter Frauenstimme in Hypnosezustand versetzt. Oft wird auch die Länge der Warteschlange den ArbeiterInnen per wallboard zur Schau gestellt, um diese auf Trab zu bringen. Auch Warteschleife genannt. [top]
WPA: Worte persönlicher Anerkennung. Die coaches verlangen, dass die ArbeiterInnen möglichst oft "Das haben Sie gut gemacht, Frau Hase!", "Vielen Dank für Ihre offenen Worte, Herr Besen!"... sagen, um dem Kunden einen positiven Eindruck zu vermitteln. Hier ist noch eins: Bullshit! [top]
|