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5. AsylbeweberInnenleistungsgesetz
Wir haben hierzu einen Text
von Sibylle Röseler und Bernd Schulte gekürzt. Dieser Text beschäftigt
sich hauptsächlich mit den juristischen Zusammenhängen. Das erscheint
mir auch das Spannenste. Daß Fiesheiten beschlossen und verabschiedet
werden, ist eh zu erwarten. Zu sagen, daß es Fiesheiten sind, kann also
zugunsten einer Auseinandersetzungen mit dem Wie weniger Platz einnehmen.
Das 2. Änderungsgesetz zum
AsylbeweberInnenleistungsgesetz
Regelungsgehalt,
praktische Auswirkungen und verfassungsrechtliche Grenzen
I. Vorgeschichte und politischer Hintergrund
Am 6.2.1998 hat der Bundesrat
beschlossen, dem Bundestag ein zweites Änderungsgesetz zum Asylbewerberleistungsgesetz
(AsylbLG) zuzuleiten. Der Gesetzentwurf beruht auf einer Initiative
des Landes Berlin, die von der Ausländerbeauftragten John und Innensenator
Schönbohm im Sommer 1997 angestoßen worden war. Hintergrund war der
Zustrom von 800 Flüchtlingen aus Restjugoslawien - überwiegend wohl
Kosovo-Albaner - die nach erfolgter unerlaubter Einreise Duldungen nach
§ 55 Ausländergesetz (AuslG) und Leistungen nach dem AsylbLG beantragten.
Aufgrund der schleppenden Umsetzung des Rückübernahmeabkommens mit Jugoslawien
war und ist es faktisch kaum möglich, diese Personen abzuschieben. Dies
gilt auch für vietnamesische Staatsangehörige. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG) im September 1997 eine - außerhalb des Landes Berlin verbreitete
und anerkannte - Selbstverständlichkeit entschieden hatte, nämlich daß
bei Vorliegen von länger anhaltenden Abschiebungshindernissen (hier:
Rückübernahmeabkommen mit Vietnam) eine Duldung zu erteilen ist, wurde
der Ruf von Ausländerbauftragtem und Innensenator nach Änderung des
AuslG und des AsylbLG unüberhörbar. Der vom Land Berlin dem Bundesrat
zugeleitete Gesetzentwurf sah die Einführung einer "um-zu-Regelung"
in das AsylbLG vor: Danach sollten Personen, die in die Bundesrepublik
einreisen, um Leistungen zu erhalten, von Leistungsansprüchen nach diesem
Gesetz ausgeschlossen werden. Unter offizieller Beteiligung der Länder
Bayern und Baden-Württemberg und informeller Beteiligung des Landes
Niedersachsen wurde dieser Gesetzentwurf überarbeitet, um drei weitere
Tatbestandsmerkmale für den Leistungsausschluß sowie einige andere Regelungen
erweitert und vom Bundesrat mit den Stimmen auch der SPD-(mit)regierten
Länder Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland
beschlossen. Der Eindruck drängt sich auf, daß seitens des Bundesrates
möglicherweise ein Gesetz verabschiedet wurde, das in seinen Rechtswirkungen
von einigen Ländern in seiner Tragweite nicht erkannt wurde und nicht
gewollt war. Daher werden zunächst Tatbestand und Rechtsfolge der geplanten
Novelle dargestellt. Anschließend werden die praktischen Auswirkungen
der Novelle untersucht. Schließlich werden die verfassungsrechtlichen
Grenzen einer weiteren Absenkung des Sozialleistungsniveaus für bestimmte
Flüchtlingsgruppen bzw. des Leistungsentzuges als Mittel zum Erzwingen
einer "freiwilligen" Ausreise in den Fällen, in denen eine Abschiebung
nicht möglich oder aufgrund verfassungs- oder völkerrechtlich begründeter
Rechtspositionen verboten ist, geprüft.
II. Regelungsgehalt des Änderungsgesetzes
Der neu einzufügende § 1a
AsylbLG lautet: "Leistungsberechtigte nach §1 Abs.1 Nr. 4 und 5 und
ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs.1 Nr.6, 1. die sich in den Geltungsbereich
dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen,
oder 2. bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende
Maßnahmen nicht vollzogen werden können, oder 3. die nicht freiwillig
ausreisen, obwohl ihrer Ausreise in den Herkunftsstaat oder einen anderen
aufnahmebereiten Staat keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse
entgegenstehen, erhalten Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies
im Einzelfall unabweisbar geboten ist." Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
ergeben sich folgende, von der Neuregelung betroffene Flüchtlingsgruppen:
- Flüchtlinge aus Algerien, v.a. Frauen und Intelllektuelle, denen Ermordung
durch Islamisten droht (BVerwG: kein Asyl, weil inländische Fluchtalternative,
keine staatliche Verfolgung, Staat schutzbereit und -fähig), - Flüchtlinge
aus Afghanistan, v.a. aus dem von Taliban kontrollierten Gebiet: Frauen,
denen Berufstätigkeit und sogar Krankenversorgung verweigert wird; Männer
und Frauen, die sich den Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften nicht
fügen wollen; Homosexuelle Männer und Frauen (BVerwG: kein Asyl, weil
keine staatliche Verfolgung, da Taliban noch nicht lange genug an der
Macht sind), - Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten, in denen Bürger-
oder Stammeskriege sich zu konkret individuell drohender Lebensgefahr
entwickeln, wenn z.B. ein feindlicher Clan die Gebietsgewalt erobert
und alle vormaligen Anhänger der verfolgt (Beispiele: Liberia, Somalia),
- andere geduldete Flüchtlinge, denen Folter, unwürdige Behandlung oder
Gefahr für Leib und Leben droht, z.B. Deserteure der Westgruppe der
sowjetischen Armee, - Geduldete aufgrund Abschiebestop eines Landes
oder bundesweit - dann mit Zustimmung des BMI (derzeit nicht aktuell),
- Kranke und Behinderte, die eine Duldung haben, weil in ihrem Herkunftsstaat
keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten bestehen, - Geduldete aufgund
von anderen rechtlichen Abschiebungshindernissen wie z.B. Ausländer,
die konkret eine Heirat mit Deutschen beabsichtigen oder mit einem Kind
deutscher Nationalität zusammenleben, - Geduldete aufgrund tatsächlicher
Abschiebehindernisse nach § 55 Abs.2 AuslG, z.B. Kranke(fehlende Transportfähigkeit)
- Personen, die ihre Pässe vernichten oder ihre Identität nicht preisgeben,
- Personen, deren Abschiebung aufgrund nicht funktionierender Rückübernahmeabkommen
nicht möglich ist, - Personen, die wegen fehlender Transportmöglichkeitren
nicht abgeschoben werden können, wie zur Zeit z.B. afghanische Flüchtlinge
- Aufgrund öffentlichen Interesses Geduldete, z.B. als Zeugen für Kriegsverbrecherprozesse
benannte Bosnier oder als Zeuginnen benötigte ehemalige Prostituierte.
Da § 1 Abs.1 Nr. 4 AsylbLG als Leistungsberechtigte alle Geduldeten
erfaßt, und da § 1a keine Einschränkung des Verweises auf § 55 AuslG
enthält, wird die Novelle entgegen anderslautenden Bekundungen also
auch solche Flüchtlinge betreffen, die eine Duldung aus humanitären
Gründen besitzen. Indirekt hat Bundesgesundheitsminister Seehofer diesen
Tatbestand eingeräumt, als er in seiner Presseerklärung von 600.000
potentiell Betroffenen sprach. Mangels zuverlässiger Daten schwanken
die Schätzungen über die Zahl der de-facto-Flüchtlinge; Hailbronner
geht für das Jahr 1996 sogar von 750.000. aus, während das Ausländerzentralregister
am 31.12.1996 lediglich 337.539 Geduldete meldet und Inhaber von z.B.
Grenzübertrittsbescheinigungen gar nicht ausweist. Diese Zahl ist deutlich
zu niedrig, fehlen doch in der Addition der Ausländer nach Aufenthaltstitel
ca. 1,8 Mio Personen gegenüber der Gesamtzahl der ausländischen Bevölkerung.
Natürlich sind nicht alle potentiell Leistungsberechtigten auch Leistungsbezieher.
Trotz der Hürden des Arbeitserlaubnisrechts und des faktischen Arbeitsverbotes
für neu eingereiste Asylsuchende seit Juni1997, das z.T. wohl auch auf
Geduldete angewendet wird, geht ein beträchtlicher Anteil der Flüchtlinge
einer Arbeit nach. Die Asylbewerberleistungsstatistik weist für die
Jahre 1995 und 1996 zum Jahresende jeweils knapp 500.000 Leistungsbezieher
auf. Davon sind schätzungsweise ein Drittel bis zur Hälfte Asylsuchende.
Die Zahl der von der Novelle betroffenen Ausländer dürfte also zwischen
250.000 und 360.000 liegen. Verhalten Die verhaltensbezogenen Tatbestände
sind unklar. Die unbestimmten Rechtsbegriffe bedürfen der Interpretation
durch die Bewilligungsstellen (Sozialämter), denen aber die Beurteilungs-kompetenz
für rein ausländerrechtliche Sachverhalte fehlt. Über das Tatbestandsmerkmal
der Möglichkeit der freiwilligen Ausreise werden fast alle Geduldeten
und alle anderen vollziehbar zur Ausreise Verpflichteten erfaßt, so
daß die Nrn. 1 und 2 eigentlich überflüssig sind: In aller Regel sind
Ausländer, auch die aus humanitären Gründen geduldeten weder rechtlich
noch tatsächlich daran gehindert, in ihren Herkunftsstaat auzureisen.
Rechtsfolge Die Rechtsfolge ist unklar. Der Gesetzgeber beabsichtigt
offensichtlich, sich von bisher geltenden sozialhilferechtlichen Grundsätzen
zu verabschieden. Welche Größen anstelle des "zum Lebensunterhalt Unerläßlichen"
- und des sozialhilferechtlich "Unabweisbaren" treten sollen, bleibt
den Sozialämtern überlassen; der Gesetzgeber enthält sich jeglicher
Hinweise. Das denkbare Leistungsspektrum reicht von der Bezahlung der
Reisekosten über die Sicherung der nackten Existenz mit Unterkunft und
Ernährung bis zum normalen Leistungsniveau des AsylbLG, das schon gegenüber
dem BSHG weniger als das "Unerläßliche" darstellt. Neu ist gegenüber
dem BSHG und AsylbLG, daß es sich hier nicht mehr um Einzelfallbeurteilungen
im Hinblick um den Leistungsausschluß als Folge vorsätzlichen, individuellen
Fehlverhaltens, sondern um den generellen Ausschluß einer ganzen Personengruppe
unter dem Vorbehalt einer günstigeren Einzelfallbeurteilung handelt.
III. Praktische Auswirkungen Entscheidungskompetenz der Sozialämter
Die Sozialämter werden verpflichtet,
Sachverhalte zu beurteilen, zu denen sie über keine Sachkompetenz verfügen.
Angesichts der Fülle unbestimmter Rechtsbegriffe tun sich Abgründe bei
der einfachgesetzlichen Auslegung des Gesetzes auf: Wann ist eine freiwillige
Ausreise rechtlich und tatsächlich möglich? Kommt es entgegen dem Gesetzeswortlaut
nicht auch darauf an, daß eine Ausreise unter dem Gesichtspunkt der
Menschenwürde nicht nur möglich, sondern auch zumutbar sein muß? Welche
Leistung ist in welchen Fällen unabweisbar? Es fehlt den Sozialämtern
unbestritten die fachliche und die Kompetenz-Kompetenz, den Sachverhalt
selbst einzuordnen und damit die Mitteilung der Ausländerbehörde zu
überprüfen, so daß die möglicherweise falsche Beurteilung eines Sachverhalts
durch die Ausländerbehörde unmittelbar auf die Leistungsentscheidung
des Sozialamtes durchschlägt. Im alltäglichen Entscheidungsprogramm
der Ausländerbehörden fehlt aber genau die Frage, ob eine freiwillige
Ausreise möglich ist. Darauf kommt es nach § 55 AuslG für die Erteilung
der in der Zuständigkeit der Ausländerbehörden liegenden "inlansbezogenen"
Duldungen gar nicht und bei der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen
nach § 30 Abs. 3 in der Praxis fast nie an. Für die Beurteilung von
"zielstaatsbezogenen" Abschiebungshindernissen ist nach ständiger Rechtsprechung
des BVerwG allein das BAFl. zuständig. Daher ist anzunehmen, daß dort
noch am ehesten die Kompetenz für die Beurteilung von Möglichkeit der
freiwilligen Ausreise, die naturgemäß eine "zielstaatsbezogene", mindestens
aber auslandsbezogene ist, liegt. Wer also soll die rechtliche und tatsächliche
Möglichkeit der freiwilligen Ausreise beurteilen? Wessen Entscheidung
soll bei einem Dissens verbindlich sein? Der Verwaltungsaufwand in den
Sozialämtern wird erheblich steigen, weil ja bei mindestens der Hälfte
der Leistungsbezieher statt des Erlasses eines Bewilligungsbescheides
nach Vordruck eine Einzelfallprüfung im Hinblick sowohl auf die Tatbestände
des § 1a Nrn. 1 - 3 als auch auf ob und wie der Leistungsgewährung.
IV. Verfassungsrechtliche Grenzen
Da Art. 1 Abs. 1 GG kein
Deutschengrundrecht ist, sondern mit Bedacht die Würde aller Menschen
gegen den Staat in Schutz nimmt, läßt sich schon die generelle Absenkung
des Existenzminimums von Asylsuchenden und geduldeten Ausländern allenfalls
mit dem geringeren Beadrf dieser Personengruppe begründen und rechtfertigen
(s.o.). Hierbei wird allerdings verkannt, daß zwar möglicherweise der
Bedarf an bestimmten Produkten und Dienstleistungen geringer ist als
der von Deutschen, daß aber andererseits an anderen zum Kernbereich
der Menschenwürde gehörenden Positionen ein höherer Bedarf besteht.
So kann Kommunikation und Teilnahme an der Gemeinschaft für Ausländer
deutlich teurer sein als für Deutsche (ausländische Zeitungen, Telefonate,
Post). Die Umetikettierung des AsylbLG als Ausländerrecht ändert nichts
daran, daß sein vorrangiger Zweck in der Sicherstellung der Existenz
von Flüchtlingen besteht. Selbst wenn man akzeptieren wollte, daß Flüchtlinge
einen niedrigeren Bedarf haben als Deutsche, führt doch kein Weg an
der Erkenntis vorbei, daß die Menschenwürde unteilbar ist. Sie wird
jedenfalls dann auch bei Ausländern verletzt, wenn das vom Staat gewährte
Existenzminimun lediglich Unterkunft, Ernährung, allernotwendigste Bekleidung
und ein Mimimum an medizinischer Versorgung umfaßt, ohne daß daß die
Leistungsempfänger in irgendeiner Weise Einfluß auf die Gestaltung ihres
Lebens nehmen könnten. Daß es mit Menschenwürde und Sozialstaatsprinzip
nicht vereinbar sein kann, Menschen in Sammellagern unterzubringen,
ihnen das Arbeiten zu verbieten und jeden Kontakt zur Außenwelt zu verweigern,
indem nicht einmal die zum Telefonieren erforderlichen 30 Pfennig oder
das Geld für die Straßenbahnfahrkarte zur Verfügung gestellt wird, ist
offenkundig. Ein verfassungskonformes Leistungsniveau unterhalb des
AsylbLG, das schon den sozio-kulturellen Bedarf nicht mehr enthält,
also bereits die Leistungsansprüche faktisch auf das zur Sicherung der
nackten Existenz Unerläßliche reduziert hat, ist nicht denkbar. Dies
gilt in jedem Fall für Ausländer, denen der völker- und verfassungsrechtlich
gebundene Rechtsstaat den Verbleib in der Bundesrepublik erlaubt. Dies
gilt aber auch für jene Personen, denen unterstellt wird, daß sie ausreisen
könnten, wenn sie nur wollten, und daß ihnen die Ausreise aus völker-
oder verfassungsrechtlichen Gründen nicht unzumutbar ist. Die geplante
Neuregelung verstößt gegen Art. 1 Abs.1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip
aus Art. 20 Abs. 1 GG, da sie dazu führt, daß das aus diesen Grundsätzen
hergeleitete Existenzminimum unterschritten wird. Diese wird bereits
durch die geltende Fassung des AsylbLG den Leistungsberechtigten in
geringerem Umfang zugestanden als Deutschen. Dieser Eingriff ist auch
unverhältnismäßig, weil die damit verfolgten Ziele z.T. nicht legitim
sind, z.T. die Regelung nicht geeignet bzw. zumutbar ist, diese Ziele
zu erreichen. Darüber hinaus könnte durch den völligen Entzug von Bargeld
und die Reduzierung der anderen Leistungen auf die Sicherung der nackten
Existenz - so dieses denn als Rechtsfolge eintritt - der Kernbereich
der Menschenwürde verletzt sein, indem die Leistungsberechtigten jede
Möglichkeit der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung in der Bundesrepublik
genommen wird. § 1a verstößt außerdem gegen den ebenfalls aus Art. 20
GG hergeleiteten Vorbehalt des gesetzes und gegen das Bestimmtheitsgebot,
indem sowohl die faktische Bestimmung des Tatbestandes als auch die
Festlegung der Rechtsfolge in einem für die Grundrechtsverwirklichung
elementaren Regelungsbereich auf Verwaltungsbehörden übertragen wird.
V. Fazit
Die Gesetzesänderung betrifft
dem Grunde nach alle geduldeten und vollziehbar zur Ausreise verpflichteten
Flüchtlinge. Sofern bei diesem Personenenkreis eines der drei Tatbestandsmerkmale
vorliegt, entfällt der Leistungsanspruch. An seine Stelle tritt ein
Anspruch auf Gewährung der unabdingbar gebotenen Leistungen. Die Entscheidung
darüber, wie hoch und welcher Art diese Leistungen sind, überläßt das
Gesetz den Sozialämtern. Das denkbare Leistungsspektrum reicht von Reisekosten
bis hin zum vollen "Regelsatz" nach § 3 AsylbLG. Diese Regelung ist
kaum praktikabel. Sie überfordert die Sozialämter, weil sie für die
Ermittlung des Tatbestandes nach § 1a Nrn. 1-3 nicht die erforderliche
Kompetenz besitzen. Da die Kommunen mit einem großen Teil der Sozialleistungskosten
für diesen Personenkreis belastet sind, wird die Neigung bestehen, von
einer Möglichkeit der freiwilligen Ausreise auszugehen. In der Folge
wird die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes überlastet werden. Eine bundesweit einheitliche Rechtsanwendungspraxis
wird sich erst nach mehreren Jahren einstellen, nämlich wenn BVerwG
oder BVerfG entschieden haben werden. Aufgrund dieser Umstände verstößt
das Gesetz gegen die Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip
und gegen das Bestimmtheitsgebot in Verbindung mit dem Parlamentsvorbehalt,
soweit für Menschen, die sich tatsächlich in der Bundesrepublik aufhalten,
das gegenüber dem BSHG bereits abgesenkte Existenzminimum vorenthalten
wird. Das Gesetz verstößt auch gegen Art. 1 Abs.1 GG, wenn es dazu führt,
daß Menschen völlig ohne Bargeld in Sammellagern untergebracht und nur
mit Ernährung, Bekleidung und allernötigster medizinischer Betreuung
versorgt werden. In diesem Fall ist ein Zustand erreicht, bei dem der
Mensch zum reinen Objekt staatlichen Handelns wird, weil er überhaupt
keine freien Entscheidungen mehr treffen kann.
Anmerkungen:
1.Die Autorin kommentiert u.a. das AsylbLG im Handbuch des Ausländer-
und Asylrechts, Hrsg. B. Huber. Der Autor ist beschäftigt am Max-Planck-Institut
für ausländisches und internationales Sozialrecht in München.
2.Es wird im folgenden allein um den neu einzufügenden § 1a gehen, da
dieser den Kern und Grund der Novelle darstellt. Auf die Untersuchung
der ebenfalls ausgesprochen problematischen neu einzufügenden §§ 7a
und 11 Abs.3 wird hier verzichtet. Es sei nur angemerkt, daß die Bedeutung
des § 7a völlig unklar ist: Wer Vermögen hat, erhält ohnehin nach §
7 Abs. 1 S. 1 keine Leistungen. Daß bei vorhandenem Vermögen für zu
gewährenden Leistungen nach dem AsylbLG Sicherheit verlangt werden können
soll, ist daher unsinnig. § 7a S. 2 besagt, daß die Anordnung der Sicherheitsleistung
durch unmittelbaren Zwang erfolgen kann. Das bedeutet übersetzt, daß
der Sachbearbeiter des Sozialamtes durch unmittelbaren Zwang (Fesselung,
Drohung mit der Dienstwaffe) zu einer solchen Anordnung gezwungen werden
können soll.Dieses Ergebnis ist ja wohl nicht gemeint. Wenn gemeint
ist, daß bei Leistungsbeziehern, bei denen das Vorhandensein von Vermögen
vermutet wird, ohne vorherige Androhung eine Durchsuchung der Person
oder der Wohnung durchgeführt werden darf, sollte das auch entsprechend
formuliert werden.§ 11 Abs.3 verstößt wohl in zwei Punkten gegen das
Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Die Übermittlung der Daten
von Personen, die eine Verpflichtungserklärung nach § 84 abgegeben haben,
an die Ausländerbehörde ist für diese im Zusammenhang mit der Amtshilfe
für die Sozialbehörden bei der Durchführung des AsylbLG offensichtlich
irrelevant und stellt damit einen unverhältnismäßigen, weil nicht erforderlichen
Eingriff in das Grundrecht dar. (Diese Maßnahme dient aber wohl der
vom Bundesinnenminister geplanten "Einladerdatei".) Gleiches gilt für
die regelmäßige Übermittlung der Daten von allen Leistungsberechtigten
von Ausländer- an Sozialbehörde, ggf. noch im Wege des automatisierten
Datenabgleichs. Hiervon können Personen betroffen sein, die nicht mehr
leistungsberechtigt sind, weil sie z.B. Arbeit gefunden oder einen unterhaltsfähigen
Partner geheiratet haben. Deren Daten sind für die Sozialämter irrelevant.
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