22. Mai
Razzia bei Faschisten (I)
14 Wohnungen von Skinheads in Beverstedt, Bad Bederkesa und Bremerhaven werden am Vormittag von der Polizei durchsucht. Beschlagnahmt werden mehrere Baseballschläger und Schlagstöcke, drei Gasschußwaffen, scharfe Patronen, drei Stahlhelme und eine Armbinde mit Hakenkreuz-Aufklebern sowie Propagandamaterial faschistischer Organisationen. Den Razzien zugrunde lag ein Ermittlungsverfahren gegen 15-20 Skinheads im Alter von 14-24 Jahren wegen schweren Landfriedensbruchs. Die Faschisten hatten im Februar Besucher einer Schul-Disco in Bad Bederkesa u.a. mit Baseballschlägern und Fahrradketten überfallen und sie mit Schüssen aus Gaspistolen ins Gesicht sowie Schlägen und Tritten verletzt.
28. Mai
Antifaschistische Kundgebung
Rund 500 Männer und Frauen nehmen an einer antifaschistischen Kundgebung vor dem Theater am Goetheplatz teil, wo am Abend die Eröffnungsveranstaltung der Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944 mit 900 Gästen stattfindet. Anlaß der Kundgebung ist eine von der faschistischen NPD für den gleichen Zeitraum angemeldete, dann allerdings vom Stadtamt verbotene, Demonstration gegen die - so eine NPD-Presseerklärung - "verlogen einseitige Wehrmachtsausstellung".
29. Mai
Bürgerantrag gegen Tierversuche
Der Bremer Tierschutzverein überreicht in der Bürgerschaft 17.669 Unterschriften für einen Bürgerantrag gegen Tierversuche. Demnach soll die Bürgerschaft (Landtag) per Beschluß den Senat auffordern, erstens "vor der Berufung eines ausgewiesenen Primatenforschers, welcher beabsichtigt, seine Forschungen mit Affen an der Bremer Universität fortzusetzen, klarzustellen, daß solche Experimente an Lebewesen abgelehnt bzw. nicht genehmigt werden"; zweitens "dafür Sorge zu tragen, daß der Bau von Primatenunterkünften unterbleibt"; drittens "die bisherige Tierversuchspraxis auf ihre ethische Vertretbarkeit zu überprüfen" und viertens "sich für die Aufnahme des Tierschutzes in die Landesverfassung ... einzusetzen". Anlaß ist die Berufung des "ausgewiesenen Primatenforschers" Dr. Andreas Kreiter (z.Zt. Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt/M.) als Professor auf den Lehrstuhl für Theoretische Neurobiologie der Bremer Uni. Kreiter will Ende des Jahres mit seinen Forschungen beginnen. Die Bürgerschaft muß sich aber erst mit diesem Bürgerantrag beschäftigen, wenn das Einwohnermeldeamt die Unterschriften überprüft hat.
2. Juni
Von Bock und Polach kündigt Rücktritt an
Den seit langem erhofften Karrieresprung hatte er erst 1995 machen können, nachdem sein alter Kumpel Ralf Borttscheller Innensenator wurde und ihn zum Staatsrat berief, denn seine vorherigen Ambitionen wurden zumeist durch die sozialdemokratischen Senatoren ausgebremst. Hans-Georg von Bock und Polach, als Polit-Staatsanwalt für linksradikale Kreise fast schon eine Institution, hatte es bis Mitte der 90er Jahre zwar immerhin bis zum Leitenden Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Strafjustiz gebracht, die ganz große Justiz-Karriere, vielleicht ein Sprung nach Karlsruhe, blieb ihm aber verwehrt. Die hiesige Sozialdemokratie hielt nämlich größere politische Prozesse, die ihm eine Profilierungschance geboten hätten, nicht für opportun und ließ die hiesige Szene lieber - weitgehend erfolgreich - vermittels bremischer "Liberalität" nebst eventueller Aussicht auf spätere ABM-Stellen im Schlachthof, Lagerhaus oder ähnlichen Einrichtungen weitgehend ins Leere laufen. Und während in anderen Bundesländern linksradikale Männer und Frauen bei fast jedem Pfurz Gefahr liefen, ein 129a-Ermittlungsverfahren zu erhalten, mußte von Bock und Polach in der Regel schnell die Akten schließen oder konnte lediglich Geldbußen, höchstens einmal Bewährungsstrafen beantragen. Bei dennoch in Bremen stattfindenden Razzien mußte von Bock sich zumeist auf die Rolle des Zuträgers der Bundesanwaltschaft oder von Staatsanwaltschaften in anderen Bundesländern beschränken.
Diese ihm politisch aufoktroyierte Untätigkeit mag ein Grund gewesen sein für ein gewisses Laisser-faire, das spätestens während der Ampelkoalition in Schlampigkeit überging. 170 nicht bearbeitete Akten - zumeist im Zusammenhang mit den Aktivitäten gegen die hiesigen nationalistischen Feierlichkeiten zum 3. Oktober 1994 - stapelten sich nach seinem Abgang ins Innenressort in seinem Büro. Diesen Berg hatte er auch durch Heimarbeit nicht bewältigen können, wobei sogar - auch dies kam heraus - eine Akte "außer Kontrolle geraten" war, d.h. (vorübergehend) verlorengingen. Da die meisten Vorgänge inzwischen verjährt waren, wurde gegen von Bock Ende 1995 ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung im Amt eingeleitet, das entgegen seiner Erwartung nicht eingestellt wurde. Unerwartet kam aber auch, daß ihm ansonsten politisch durchaus nahestehende Leute ihn als "faul", geradezu arbeitsscheu, bezeichneten und seinen Rücktritt forderten. Ein Image, daß auch Flecken auf der ansonsten blutroten Weste des Vorgesetzten und Freundes aus Pennälerzeiten Borttscheller hinterlassen hat.
Anfang Juni diesen Jahres nun bedeutete ihm der CDU-Landesvorstand, daß er nicht mehr tragbar sei. Von Bock und Polach bat daraufhin darum, aus seinem Amt entlassen zu werden, auch weil er die Dauer des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren nicht überblicken könne. Er rechne aber immer noch mit der Verfahrenseinstellung, schließlich sei er völlig überlastet gewesen. Der Senat stimmt dem am 24. Juni zu, der Staatsrat soll allerdings noch bis Ende Juli im Amt bleiben.
Anfang Juli wird bekannt, daß die Staatsanwaltschaft Anklage wegen "vollendeter Strafvereitelung im Amt" in drei Fällen erhoben hat. Ihrem ehemaligen Kollegen droht damit eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft.
3. Juni
SPD-Fraktionsbüro besetzt
Rund 40 Männer und Frauen besetzen die Räume der SPD-Bürgerschaftsfraktion am Altenwall, um so gegen die Abschiebungen in die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens und die Drangsalierung der Flüchtlinge durch die hiesige Ausländerbehörde zu protestieren. Zu der etwa zweistündigen Aktion hatten das Komitee der Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina in Bremen und das Antirassismus-Büro Bremen (ARAB) aufgerufen.
Schwarzbraun ist die Haselnuß, schwarzbraun ...
Die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen in der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung sind frustriert, will doch die dortige schwarzbraune CDU lieber gemeinsamen mit der rechtssozialdemokratischen Abspaltung Arbeit für Bremen (AFB) sowie - allerdings inoffiziell - der faschistischen Deutschen Volksunion (DVU) ihre Abstimmungsmehrheiten sichern als mit AFB und Bündnisgrünen. Die CDU ist nämlich auf BündnispartnerInnen angewiesen, verfügt sie doch gemeinsam mit der AFB nur über die Hälfte der Mandate in der Stadtverordnetenversammlung, in den Ausschüssen sogar nur über fünf von elf Sitzen. Nach dem Auseinanderbrechen der Großen Koalition in Bremerhaven fanden daher wochenlange Verhandlungen mit AFB und Bündnis 90/Die Grünen statt. Da letztere aber, obwohl einer schwarz-grünen Koalition nicht abgeneigt, "nach einem wochenlangen Briefwechsel" keinen Entscheidungsbedarf gesehen hätten, will die CDU "jetzt zügig eine Entscheidung zumindest mit der AFB herbeiführen". Da scheinen keine weiteren Anbiedereien zu helfen, hat doch die CDU keine wirklichen Bedenken gegen eine Kooperation mit der DVU. Der bündnisgrüne Stadtverordnete Michael Frost: "Drei Viertel der Entscheidungen in den vergangenen Wochen sind mit Unterstützung der DVU getroffen worden."
5. Juni
Deutsche PolizistInnen (I)
Nachdem ein 19jähriger Flüchtling aus Sierra Leone, der in Delmenhorst wohnt und in Bremen zu Besuch war, am 20. Mai von zwei rassistischen Zivilfahndern der Bremer Polizei mißhandelt wurde, stellt sein Rechtsanwalt Jens-Uwe Thümer (Lüneburg) Strafanzeige gegen die beiden Polizisten. Issa G. habe sich am 21. Mai bei ihm gemeldet und erzählt, daß er aus einer Straßenbahn gezerrt, als "stinkender Nigger" beschimpft und auf den Kopf geschlagen worden sei. Zunächst habe der 19jährige an einen Überfall von Rechtsradikalen gedacht, erst auf der Polizeiwache sei ihm klar geworden, daß es sich bei den beiden Schägern um Polizisten handelte. Issa G. sei als Drogendealer verdächtigt und gezwungen worden, mehrere Becher Brechmittel zu trinken - was aber genauso wenig Drogen zu Tage brachte wie seine vorherige Durchsuchung. Danach habe der Betroffene zwölf Stunden an blutigem Erbrechen gelitten.
Abschiebungen nach Zoll-Razzia (I)
Während der Überprüfung eines Schaustellerbetriebs durch Zoll und Polizei werden acht polnische Männer in Gewahrsam genommen und anschließend dem Haftrichter vorgeführt - sie sollen abgeschoben werden. Die Betroffenen seien lediglich mit einem Touristen-Visum in die BRD eingereist und hätten keine Arbeitserlaubnis besessen. Gegen den Schausteller werde ein Verfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und wegen illegaler Beschäftigung eingeleitet.
6. Juni
Abschiebungen mit "besonderer Sensibilität"
Die Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern verabreden, die sog. Rückführung der Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina mit "besonderer Sensibilität" fortzusetzen, d.h. alles wie gehabt. Eine Ausnahme bildeten die Abschiebungen von Moslems und KroatInnen in die serbisch dominierte Republik Srpska, die nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden sollten.
In den letzten 18 Monaten seien von den 320.000 in der BRD lebenden bosnischen Flüchtlinge 30.000 zurückgekehrt - laut UN-Flüchtlingskommissariat sind es allerdings etwa 50.000. Nach Angaben Bundesinnenminister Kanthers wurden bundesweit bisher 269 Flüchtlinge abgeschoben. Aus Bremen waren es zwei Männer (s. kassiber 32, S. 10), rund 500 Flüchtlinge seien, so Innensenator Borttscheller, "freiwillig" gegangen.
Euro-Marsch
An der Bremer Etappe des seit Mitte April in 14 europäischen Orten gestarteten Euro-Marsches gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und soziale Ausgrenzung beteiligen sich am Nachmittag rund 200 Frauen und Männer. Die Demonstrantion, zu der zahlreiche gewerkschaftliche, antirassistische und feministische Gruppen und Organisationen aufgerufen hatten, zieht vom Hauptbahnhof über das Arbeitsamt zum Marktplatz, wo ein "Fest" mit Redebeiträgen, Kulturprogramm, Infotischen und Bremer Tafel den Abschluß bildet. Mit dabei sind einige fahrradbewehrte Mittvierziger, die schon vor Wochen in Dänemark starteten sind und über Mecklenburg-Vorpommern nach Bremen gekommen waren, um tags darauf nach Oldenburg weiterzufahren. Allein es bleibt der Eindruck, daß die Bezeichnung Euro-Marsch denn doch ein wenig zu martialisch gewählt, womöglich von gewerkschaftlich-orientierten bzw. dem Ideal einer revolutionären Arbeiterklasse verhafteten Organisationen durchgesetzt wurde, die aber zumindest auf der Bremer Demo nur durch einen größeren Block kurdischer Männer und Frauen vertreten waren. Der deutsche Rest latschte doch ziemlich ökomäßig, irgendwie alternativ, ein bißchen autonom, ein bißchen feministisch, ungeordnet und unordentlich, barfuß, mit Hund und Fahrrad daher.
10. Juni
Bremische verkauft
Die Stadtbürgerschaft stimmt dem Verkauf von 49,9 Prozent der Bremischen Gesellschaft für Stadterneuerung und Wohnungsbau (Bremische) zu. In namentlicher Abstimmung votieren sämtliche Abgeordneten der Großen Koalition dafür, die von Bündnis 90/Die Grünen und der AFB dagegen. Die knappe Hälfte der noch stadteigenen GmbH geht jetzt für 90,5 Millionen Mark an das Konsortium Stadtwerke Bremen/Rinteln-Stadthagener-Eisenbahn AG (RSE); das entspricht einem Preis von 24.300 Mark pro Wohnung. Mit den 49,9 Prozent des Kapitals erhält das Konsortium 50 Prozent der Stimmanteile. Bereits am 16. Mai hatte die Stadtbürgerschaft den Verkauf von 24,2 Prozent der Aktien der Gesellschaft für Wohnen und Bauen (Gewoba) beschlossen (s. auch kassiber 32, S. 9f).
Die Initiative gegen den Verkauf und die Privatisierung der Gewoba und der Bremischen, die am 13. Mai 5.500 von ihr gesammelte Unterschriften für ein Volksbegehren überreicht hatte (s. kassiber 32, S. 11), kritisierte, daß mit dem Beschluß zum Verkauf der Bremischen-Anteile unnötig vollendete Tatsachen geschaffen und damit das beantragte Volksbegehren unterlaufen werde. Die Kaufvereinbarung sei "zutiefst unseriös". So müsse die Bremische die 1.200 Wohnungen der RSE in Chemnitz und Duisburg kaufen - und finanziere so die Beteiligung der RSE an der Bremischen praktisch selbst.
11. Juni
Bürgerschaft für "Affenversuche" an der Uni
Mit den Stimmen der Großen Koalition schmettert die Bürgerschaft den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Keine wissenschaftlichen Experimente an Primaten an bremischen Hochschulen" ab und beschließt stattdessen einen sog. Kompromißantrag von SPD und CDU. Der Senat wird jetzt aufgefordert, alle Bemühungen der Universität zu unterstützen, Tierversuche auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Solange die Tierversuche aber nun mal leider unverzichtbar seien, müßten die besten bekannten Standards für Experimente und Haltung der Versuchstiere realisiert werden usw. usf.
12. Juni
Sexistische Angriffe (I)
Eine Radfahrerin wird gegen 17.30 Uhr in der Richard-Boljahn-Allee von einem nur mit Boxershorts bekleideten Mann überfallen. Der Mann hatte die 17jährige auf dem Fahrrad verfolgt und ihr, als er sie eingeholt hatte, an die Brust gegriffen. Die junge Frau ohrfeigt den Täter, der dann versucht, sie in ein Gebüsch zu zerren. Als dies mißlingt, schleudert der Mann eines der Räder auf die 17jährige, sie kann verletzt fliehen.
17. Juni
Antischwule Kampagne
Helmut Pflugradt, Bürgerschaftsabgeordneter und CDU-Fraktionsvize, der von seiner Partei - allerdings in offenen Abstimmungen - als Nachfolger des kürzlich geschaßten Staatsrats im Bauressort, Joachim Baltes, nominiert wurde, muß seine diesbezüglichen Ambitionen begraben: "Durch eine Kampagne, die zum Teil ins Persönliche geht, habe ich keine faire Chance, das Amt des Staatsrates unbeschwert auszuüben." Womit er seinen zahlreichen GegnerInnen aus Politik, Wirtschaft und Medien schmeichelt, hatten die dem Berufspolitiker, der seit 22 Jahren in der Bürgerschaft sitzt, doch nicht nur vorgeworfen, bis 1974 nur Hauptsteuersekretär gewesen zu sein und damit nicht über die fachliche Qualifikation zum höheren Dienst zu verfügen - als spielten derlei Voraussetzungen bei der Besetzung der (politischen) SenatorInnen- und StaatsrätInnenposten durch die Regierungsparteien eine größere Rolle -, auch soll er als ehemaliger baupolitischer Sprecher der CDU ziemlich autoritär aufgetreten sein. Aber das ist in der durch den Bonner Staatssekretär Bernd "Zecke" Neumann an der kurzen Leine geführten Bremer CDU allerhöchsten eine Zusatzqualifikation, was nicht nur die parteiinterne Kampagne gegen das "Weichei" Bürgermeister Ulrich Nölle belegt. Alles keine Gründe, die gegen Pflugradt sprachen - denn tatsächlich ging es im wesentlichen um das "Privatleben" des Kandidaten:
"Als Sympathisant der CDU mußte ich mit Befremden feststellen, daß Helmut Pflugradt als heißer Kandidat für das Amt des Staatsrates im Bauressort gehandelt wird. Er müßte aber vor der Ernennung eine Klippe umschiffen, da er kein Studium absolviert hat und nur im mittleren Dienst der Steuerverwaltung tätig war. Diese Klippe erscheint mir relativ unwichtig, die andere Klippe wurde geflissentlich unter den Tisch geschoben, nämlich, daß Herr Pflugradt vor nicht allzulanger Zeit mit einem Strichjungen in Zusammenhang gebracht wurde und dadurch unangenehme Dinge an die Öffentlichkeit gelangten. Bei soviel Zwielichtigkeit sollte Herr Pflugradt doch den Anstand besitzen, freiwillig aus der Politik zu verschwinden, und auch die CDU sollte sich überlegen, ob dieser Mann Anspruch auf solch eine Position hat, denn auch der Wähler krankt nicht immer an Vergeßlichkeit." (Weser-Kurier vom 13.6.97)
Monika Wolters sagt bzw. schreibt, was die CDU-Basis insbesondere in den Großbürgerstadtteilen Schwachhausen und Oberneuland denkt, und so blieb es den CDU-Mitgliedern in Oberneuland vorbehalten, den Karrieresprung Pflugradts einen Tag vor dessen geplanten Ernennung durch den Senat zu verhindern. Einmal mehr eingepeitscht durch den ehemaligen Bundestags- und Bürgerschaftsabgeordneten Günter Klein, der u.a. davor "warnte", daß Pflugradts Privatleben zu viele Angriffspunkte biete, machte das ob seiner zahlreichen "Junkies-raus!"- bzw. "Ausländer raus!"-Kampagnen berüchtigte Pack seinem Herzen auf einer Versammlung Luft und deutlich, was in den Kommentaren der anderen meist nur zwischen den Zeilen lesbar war - nämlich das ein Schwuler nicht Mitglied der Landesregierung werden dürfe. Pflugradt verkündet am nächsten Morgen seinen Verzicht.
Beachtlich auch der ebenfalls an vorderster Front der antischwulen Kampagne tätige Lokalchef des Weser-Kuriers, Axel Schuller, der - in der eher sozialdemokratischen Tageszeitung höchst unüblich - dem CDU-Mitglied Pflugradt innerhalb einer Woche immerhin vier mehrspaltige Artikel und Kommentare widmete. Dabei spielte er regelmäßig auf das "Privatleben" an, ohne ein einziges Mal zu schreiben, was denn gemeint war - um dann seinen abschließenden Kommentar (Überschrift: "Der Sturm war's, nicht die Einsicht") mit den Worten "außerdem darf er (der Staatsrat, Anm.) nicht erpreßbar sein" zu beenden.
Militärische Ausbildung
Die Bundeswehr und die Stadtwerke Bremen AG geben bekannt, demnächst einen Kooperationsvertrag über einen Ausbildungsverbund unterzeichnen zu wollen. Dadurch sollten, angeregt durch die Berufsberatung des Arbeitsamts, bis zum Herbst 1998 zehn neue Ausbildungsplätze im gewerblich-technischen Bereich geschaffen werden. Die jungen Männer (Voraussetzungen: Realschulabschluß und höchsten 16 Jahre alt), die zum Energie-Elektroniker (Fachrichtung Betriebstechnik) oder zum Industriemechaniker (Fachrichtung Maschinen- und Systemtechnik) ausgebildet würden, müßten vor Ausbildungsbeginn das Bewerbungsverfahren bei der Bundeswehr und bei den Stadtwerken durchlaufen und - kleiner Haken - eine schriftliche Absichtserklärung unterzeichnen, sich nach der Lehre für vier Jahre bei der Marine, der Luftwaffe oder beim Heer zu verpflichten. Dort würden sie dann "berufsspezifisch" eingesetzt werden, um anschließend bei den Stadtwerke einen Arbeitsplatz zu erhalten. Dieser Ausbildungsverbund sei für beide Seiten vorteilhaft: Die kostenintensiven Ausbildungswerkstätten der Stadtwerke würden besser ausgelastet, außerdem werde jeder Ausbildungsplatz monatlich mit 500 Mark durch die Bundeswehr gefördert. Die Bundeswehr wiederum spare die Kosten für eine eigenständige Ausbildung und erhalte qualifiziertes Personal.
19. Juni
Sexistische Angriffe (II)
Am frühen Morgen wird eine 20jährige Frau von einem Mann auf dem Gelände des StudentInnenwohnheims Luisenthal in Horn vergewaltigt. Der unbekannte Täter hatte zuvor bei einer Feier versucht, Kontakt mit der Studentin aufzunehmen, wurde von ihr aber abgewiesen. Als sie zwischen vier und fünf Uhr in ihre Wohnung auf dem Gelände zurückkehren wollte, wurde sie vor der Tür von dem Mann überfallen und vergewaltigt.
20. Juni
Sexistische Angriffe (III)
Eine Frau wird gegen 1 Uhr auf einem Stichweg in der Moorstraße/Ecke Selsinger Straße von einem Mann überfallen. Die 39jährige wehrt sich laut schreiend und verletzt den Täter im Gesicht, bis es ihr gelingt sich loszureißen. Die Frau erleidet einen schweren Schock.
22. Juni
Sexistische Angriffe (IV)
In Gröpelingen wird eine Frau gegen 22 Uhr von einem Mann überfallen. Der Täter drückt ihr von hinten mit der Hand den Mund zu und zerrt sie in das Gebüsch vor einem Kinderladen. Aufgrund ihrer heftigen Gegenwehr und der lauten Schreie wird ein Anwohner aufmerksam, der Täter flüchtet.
24. Juni
Uni-Aktionstag gegen Tierversuche
Mehrere Dutzend Studierende protestieren während eines Aktionstages an der Bremer Universität mit Infoständen und Aktionen gegen die Berufung des Frankfurter Hirnforschers Andreas Kreiter an die Bremer Uni.
Rückgabe deutscher Kulturgüter
In Bremerhaven trifft das Containerschiff Nuova Mediterranea, an Bord diverse Container mit einem verdreckten Gemisch aus Bauabfällen und Plastik, ein. Die 800 Tonnen waren vor einem Jahr aus dem baden-württembergischen Philippsburg in 36 Containern als Wertstoff, angebliches Plastikgranulat, exportiert und später von Greenpeace in Beirut aufgespürt worden. Der Dreck soll nun in der Müllverbrennungsanlage Bremerhaven verbrannt werden. Bezahlt wird die Rückholaktion aus dem "Solidarfonds Abfallrückführung", in den die deutsche Entsorgungswirtschaft jährlich mehrere Millionen Mark zahlt und der vom Bundesumweltministerium verwaltet wird - eben für den Fall, daß man bei derlei Aktivitäten erwischt wird.
26. Juni
Verwaltungsgericht stoppt Abschiebungen nach Bosnien
Die 4. Kammer des Verwaltungsgericht hat in mehreren Eilentscheidungen die Abschiebungen von moslemischen, kroatischen und serbischen Bürgerkriegsflüchtlingen nach Bosnien-Herzegowina gestoppt. Zur Begründung der jetzt bekanntgewordenen Entscheidungen erklärt Richter Hans-Michael Wollenweber, daß "der Hohe Flüchtlingskommissar des UNHCR und karitative Organisationen seit Dezember 1996 von Willkür der Ortsvorsteher bei der Registrierung der Rückkehrer" berichteten. Für die Verweigerung der Registrierung sei "keine einheitliche Linie" erkennbar, oft werde allerdings mit der Überfüllung der Dörfer und Sammelunterkünfte begründet. Offenbar gebe es keine einheitlichen Anweisungen der bosnischen Regierung an die Ortsvorsteher und Bürgermeister. Die Registrierung sei für die Flüchtlinge aber die Voraussetzung für die Aufnahme in Hilfsprogramme internationaler Organisationen. Abschiebesenator Borttscheller kündigt sogleich an, vor dem Oberverwaltungsgericht Beschwerde einzulegen. Bundesinnenministerium und Auswärtiges Amt hätten festgestellt, daß diese Registrierungsprobleme schon seit Februar nicht mehr bestünden.
27. Juni
Abschiebungen nach Zoll-Razzia (II)
Vier polnische Männer werden bei Pflasterarbeiten in einem Vorgarten in der Osterholzer Landstraße von der Zollprüfgruppe für illegale Beschäftigung festgenommen und in Abschiebehaft genommen, da sie weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis besitzen. Den vorläufig festgenommenen Bremer Unternehmer, der keine Gewerbeanmeldung vorweisen kann, erhält ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und wegen illegaler Beschäftigung.
28. Juni
Peinliche Demonstration
Gerade einmal knapp einhundert Frauen und Männer demonstrieren unter dem Motto "Deutsche Soldaten sind Mörder!" gegen "den nationalen Konsens und die Militarisierung deutscher Politik". Die Demonstration war seit Monaten - in Erwartung faschistischer Mobilisierungen anläßlich der im Rathaus laufenden Austellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944 - von verschiedenen link(sradikal)en Gruppen und Organisationen vorbereitet worden. Da größere Naziattacken ausblieben und die OrganisatorInnen aber auch nicht recht "rüberzubringen" wußten, weswegen denn quasi für die Ausstellung demonstriert werden sollte, zeichnete sich das - angesichts der TeilnehmerInnenzahl nicht anders zu nennende - Debakel schon frühzeitig ab. Die Unentwegten zogen denn wenigstens die Konsequenzen und kürzten die ursprünglich geplante Route radikal ab, statt eines kilometerlangen Marsches incl. Zwischenkundgebungen ging es direktemang zum Grasmarkt (zwischen Dom und Rathaus). Was auch deshalb geboten schien, weil die vorhandene Lautsprecheranlage noch schlechter war als die bei der antifaschistischen Kundgebung am 28. Mai - sie fiel nämlich noch während der Auftaktkundgebung ganz aus.
Abschnitt II: 1. Juli bis 30. Juli 1997
Abschnitt III: 1. August bis 25. September 1997 (Kurzmeldungen)
kombo(p) - 16.11.1997