Feature admin
Startseite mehr Features
02/05/02 19:57

LinksRhein - elektronisches Archiv der Konstanzer Linken

02.05.2002, 19:47, stwnn

Medien | Internet | LinksRhein | Indymedia

Seeblättle-Artikel über das Internetprojekt LinksRhein, seine politischen Zusammenhänge, Open Posting und Indymedia


LinksRhein ist ein derzeit von nur zwei Personen getragenes Internetprojekt, das es sich seit Anfang 1999 zur Aufgabe gemacht hat, linke oder linksalternative Texte und Veranstaltungshinweise der Region Konstanz elektronisch zu archivieren. Die aktuellen Entwicklungen werden möglichst zeitnah abgebildet, zusätzlich wird aber in einem mühevollen Prozess versucht, Printausgaben untergegangener Konstanzer Zeitschriften (AZW, Neues Nebelhorn, Nebelhorn, Kommunale Berichte und die Zeitung Revolutionärer Sozialisten) nach und nach zu digitalisieren. Mittlerweile sind unter www.linksrhein.de über 600 inhaltlich erschlossene Dokumente abrufbar.

Gründerzeiten

In der langen Konzeptionierungsphase der ersten Monate wurde von drei Leuten aus dem Umfeld der Infokneipe das Konzept einer Dokumentation im WWW, mit aufwendiger Inhaltserschließung, komfortablen Suchfunktionen und einem ansprechenden Layout vereinbart.

Eine der wichtigen Arbeiten im Rahmen des Projekts war stets die Unterstützung und Neugründung anderer Webprojekte: So entstanden mit der Zeit die Ali Schirasi Homepage, die PDS/LL-Homepage mit dem Seeblättle sowie eine Infokneipen-Seite, mit eigenem Layout und eigener Webadresse auf dem Seeseiten Server. Darüber hinaus entstanden eine Weltladen Seite, eine Karawane-Seite und eine Antifa-Seite, die aber in das LinksRhein Angebot integriert wurden.

Einspeisen der Inhalte

Printvorlagen (Zeitschriften, Flugis, Broschüren) aufzunehmen ist ein zeitraubender Vorgang. Sie müssen zunächst digitalisiert werden, d.h. gescannt und durch ein automatisches Schrifterkennungsprogramm gejagt werden. Anschließend müssen die oft eher bescheidenen Ergebnisse korrigiert und in einem HTML-Editor neu layoutet werden. Und wenn es ganz besonders schön sein sollte, gabs noch eine digitale Bildbearbeiung obendrein.

Selbst wenn Texte per Email oder auf Diskette angeliefert wurden oder es aus der eigenen politischen Arbeit der letzten Jahre elektronische Dokumente gab, so erforderte jedes Einspeisen von Inhalten das schwierige Codieren der Webseiten in der Hypertext Markup Language (HTML). Nachdem das Dokument in das LinksRhein Angebot an der richtigen Stelle und mit den korrekten Navigationselementen eingebunden und verlinkt worden war, konnten die Dateien per FTP-Programm (File Transfer Protocol) auf den Seeseiten Server hochgeladen werden. Alles zusammen brauchte ein derartiger Vorgang mindestens eine gute Stunde für einen typischen Nebelhornartikel, vorausgesetzt, alles funktionierte reibungslos. Dieses recht aufwändige Verfahren, dass Computerinfrastruktur und PC-Know-How (z.B. HTML-Kenntnisse) voraussetzt, war somit eine technische Hürde, die nicht leicht zu nehmen war. Mit der neuen Open Posting Funktion (s.u.) sollte dies anders werden.

Umzug nach nadir

Unser bisheriger Provider 'Seitenbau' hat Ende 2001 nach einem Hackerangriff die kostenlose Plattform "Seeseiten" eingestellt. Viele Einzelpersonen und Gruppen aus Konstanz hatten dieses Angebot jahrelang genutzt und mussten sich nun eine neue Bleibe suchen. Das vollmundig angebotene Konzept, das bei einem Umzug der Homepages helfen sollte, stellte sich als bloßer Verweis auf die zwar kostenlosen aber mit lästiger Werbung finanzierten kommerziellen Webspace-Anbieter wie Lycos heraus.

Nadir (www.nadir.org) ist ein autonomes Medien-Projekt, das ca. 50 Gruppen die Möglichkeit bietet, linke und linksradikale Inhalte im Web zu veröffentlichen. Mehrere nadir-Leute arbeiten zudem an der Weiterentwicklung der von nadir selbst entwickelten Publikations-Software namens "Mir", die mittlerweile auch bei Indymedia Servern in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden zum Einsatz kommt. Nadir lässt bei seinen Webinhalten kein Open Posting (s.u.) zu.

LinksRhein ist bei nadir untergekommen. Es bestanden schon seit Jahren persönliche Kontakte zu diesem linken Internetprojekt, sowie die grundsätzliche Möglichkeit jederzeit unser Angebot bei ihnen spiegeln zu können, sollte es mal aus Repressions- oder sonstigen Gründen nötig werden. Eine Mitgliedschaft bei nadir beinhaltet mehr als die preiswerte Nutzung von Webspace, eine neue Mailadresse und das Unterbleiben von Einblendungen von Werbebanners (siehe Kasten).

Nach einer mehrwöchigen Zwangspause Ende 2001 war LinksRhein dann also wieder online. In den ersten Monaten nach der Umstellung waren zahllose Links defekt, das Layout kaputt, viele Bilder fehlten, die interne Suchmaschine fand nur knapp die Hälfte der Seiten, die die sie vorher gefunden hatte und die NutzerInnen wussten auch nicht mehr wie sie auf LinksRhein überhaupt zugreifen sollten.

Auf der Basis des Backups, das uns dankenswerterweise von Seitenbau zugeschickt wurde, mussten also zahlreiche Änderungen am HTML Code vorgenommen werden, (z.B. all die Links, die Seeseitenspezifisch waren). Dabei rächte sich natürlich, dass das mittlerweile gut 500 Seiten umfassende Angebot zum grossen Teil von Hand erstellt worden war und (fast) jede Seite ihre speziellen Eigenarten besaß. Bis heute sind von den externen, aber von LinksRhein mitbetreuten Homepages nur die Ali Schirasi Seite wieder im Netz, der PDS/LL und dem Seeblättle haben wir jetzt, nachdem wir wieder etwas Luft haben, Unterstützung für einen Neustart angeboten.

Bodensee-Terminkalender

Viele Monate hatte es bei LinksRhein nur geringe technische Neuerungen gegeben. So wurde z.N. ein Zugriffszähler eingebaut oder das Layout der Startseite überarbeitet. Parallel zu den Arbeiten, die mit der Migration nach nadir verbunden waren, wurde dann aber die weitere Dynamisierung des Angebots vorwärtsgetrieben. Als erstes kam der Terminkalender dran. Der bisher händisch bearbeitete Terminkalender wurde umgestellt auf einen Open-Posting Terminkalenders bei Protest.net (www.protest.net/LinksRhein). Jede/jeder, die/der eine Veranstaltung bekannt geben möchte, kann sie nun selbst direkt eingeben. Termine, die in diesen Kalender eingegeben werden, erhalten nicht nur eine lokale sondern auch eine überregionale Sichtbarkeit. Da es wenig Sinn macht, in einer Region viele lokale Terminseiten parallel zu betreiben gingen wir für den von uns so getauften Bodensee-Terminkalender eine Kooperation mit der Antifa Ravensburg ein, die ihn mit uns nun zusammen verwaltet.

Content Management System

Auf einen Tip des ID-Archivs hin, erhielten wir diesen Februar Zugang zu einem Server des Wissensschaftsladen in Dortmund. Sie betreiben dort ein sog. Content Managment System, d.h. eine Software, die speziell das Publizieren im WWW unterstützt. Nun gab es für uns alles was das Herz begehrte: Open Posting, Moderation, komfortable Nutzerverwaltung, Anpassung an unser Layout und mehr. Wir verwenden dieses System für unseren Newswire, den Nachrichtenkanal auf der rechten Spalte.

Open Posting

Open Posting bedeutet so viel wie "freies, unzensiertes Publizieren". Als in Software geronnene Free-Speech Idee ermöglicht es z.B. allen NutzerInnen der Indymedia-Systeme, Artikel und Kommentare zu veröffentlichen (neudeutsch "zu posten"), ungeachtet ihrer Qualität. Eher die Ausnahme bei den verschiedenen Indymediagruppen weltweit ist eine Moderationspolitik wie sie IMC Deutschland praktiziert: die baldmöglichste Löschung antiemanzipatorischer Artikel und Kommentare sowie das "Verstecken" des Open Posting Kanals auf eine anderen Seite als der Startseite.

Durch die Kooperation mit anderen Nutzergruppen auf dem Server des Wissenschaftsladens existiert ein zusätzliches Stützbein für die Verwaltung des neuen Systems. LinksRhein beteiligt sich an der internen Mailingliste und hilft bei der Administration des Dortmunder Servers.

Erleichterungen fürs Publizieren

Die Arbeit der Anpassung des Content Management Systems auf unsere Bedürfnisse sind heute weitgehend abgeschlossen und die Administration beansprucht nur noch wenig Zeit. Das war so nicht abzusehen und ist eine große Erleichterung. Die NutzerInnen und Administratoren können sich stattdessen ohne die unnötige Belastung mit technischem Kram auf die Inhalte, die Moderation oder die Diskussion derselben konzentrieren.

Beim posten, bei dem AutorIn, Titel, und Kurzbeschreibung zu jedem Artikel angegeben werden, kann auch angekreuzt werden, dass mensch bei neuen Kommentaren zu eigenen Artikeln jeweils per Email benachrichtigt werden möchte. Wer Artikel postet, soll für den Inhalt auch eigene, frei gewählte Schlagwörter vergeben und / oder aus einem bestehenden Set von 22 Schlagwörtern auswählen. Die so vergebenen Begriffe erscheinen im oberen Teil der Dokumente als Navigationselemente und helfen später bei der gezielten Suche. Während das System derzeit so eingestellt ist, dass die Artikel und Kommentare des Newswires sofort nach dem Abschicken im Web zugreifbar sind, werden postings für die Mittelspalten Aufmacher (Features) vorabmoderiert, d.h. jeder Feature-Artikel muss explizit von uns freigeschaltetet werden, damit er sichtbar wird.

Aufgrund dieser wesentlichen Erleichterungen beim Publizieren von Artikeln konnte die Publikationsfrequenz erheblich von einigen wenigen Artikeln pro Woche auf einige wenige Artikel täglich erhöht werden.

Informationsquellen

Die Art der Inhalte, die gepostet wurden, hatte sich zwar schon mit dem händisch gepflegten Newswire des Jahres 2001 verändert aber nun wurde der Wandel offensichtlicher: Die "Region Konstanz", sprich der Wahrnehmungshorizont für LinksRhein - Publikationen, hat sich heute auf ganz Baden-Württemberg und die Nordost-Schweiz erweitert. Die "Region Konstanz" hat dadurch mehrere hundert Km Durchmesser. Ein vergleichbares Angebot ist vielleicht in der Online-Ausgabe der Freiburger Stattzeitung (www.stattweb.de) zu sehen, die sich Südbaden als Fokus gewählt hat.

Selbstrecherchierte und -geschriebene Artikel sind mittlerweile sehr in der Minderheit. Die überwiegende Anzahl von Postings geht zurück auf elektronische Vorlagen bei Indymedia - Servern, dem CL-Netz, Mailinglisten, die wir abonniert haben oder Webseiten von Aktionsgruppen die wir spannend finden. Die Akquisition von Inhalten ist ein aktiver Vorgang, der z.B. das regelmäßige Abklappern zahlreicher Webseiten aber auch das direkte Nachfragen von schriftlichen Beiträgen bei AktivistInnen beinhaltet.

Indymedia als Nachrichtenagentur

Seit Mitte 2001 fanden BesucherInnen der LinksRhein Startseite rechts oben in der Ecke einen Kasten vor, der den Nachrichtenticker von Indymedia Austria enthielt. Er wurde nicht von LinksRhein bearbeitet sondern war lediglich auf unserer Startseite abgebildet. Es konnte aber schon mal vorkommen, dass sich dort erscheinende Artikel in überarbeiteter Form im LinksRhein Newswire oder bei den Features wiederfanden, so geschehen zuletzt im Rahmen der Berichterstattung zum Omofuma Prozess. Wir haben jetzt auf den deutschen Newswire umgeschaltet, weil dieser aufgrund des dortigen Moderationskonzepts besser von Müll freigehalten wird.

Indymedia

Indymedia ist ein Kollektiv hunderter unabhängiger MedienaktivistInnen, die auf der ganzen Welt für indymedia berichten. Es gibt zur Zeit über 70 lokale indymedias auf der Welt. Jedes IMC (independent media center) ist autonom, finanziert sich selbst und trifft eigene Entscheidungen über Aussehen und Inhalte der Seite. Schwerpunkt ist die Berichterstattung "von unten" und die Antiglobalisierungsbewegung, wie sie bei den grossen Gipfelevents (Seattle, Davos, Genua, etc.) auf die Strasse geht. Demoaufrufe und -berichte werden in grosser Zahl hier bekannt gegeben. Allein in dem einen Jahr des Bestehens von Indymedia Deutschland wurden dort fünfzehntausend Artikel und über fünfzigtausend Kommentare gepostet.

Die deutschsprachigen Indymedia Server (Schweiz, Deutschland und Österreich) werden von LinksRhein wie alternative Nachrichtenagenturen genutzt. Umgekehrt postet LinksRhein überregional interessierende Artikel aus der Region Konstanz bei Indymedia (So z.B. bei dem jüngsten Brandanschlag in der Konstanzer Sammellager in der Gustav-Schwab-Strasse.) Andere überregionale Informationsquellen sind z.B. das CL-Netz (www.kommunikationssystem.de) und die Onlineversion der Freiburger Stattzeitung (www.stattweb.de). Von der bürgerlichen Presse werden vor allem die Online-Ausgaben der Tageszeitungen im Südwesten Deutschlands und der Nordost-Schweiz mit Hilfe von Paperball (www.paperball.de) ausgewertet.

Publiziert selbst!

Wir möchten alle herzlich zur Mitarbeit bei LinksRhein einladen, sei es nun durch das Publizieren von aktuellen Artikeln per Open Posting, Moderations- oder Redaktionsarbeit, Pflege des Terminkalenders oder das Scannen alter Zeitschriften. Für ganz wilde DokumentarInnen gibt es sogar eine ausleihbare Digicam. Aber auch technische oder finanzielle Unterstützung ist immer willkommen. Im Moment entstehen mit LinksRhein regelmäßige Kosten von 15 Euro pro Monat. Wer sich hieran beteiligen will, kann uns einfach mal eine mail schreiben.

Es wäre zu wünschen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis dieses Angebot für freies Publizieren linker Texte auch in Konstanz und der Region wahrgenommen und entsprechend genutzt wird.


Kommentar

  Startseite Anfang