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30/07/02 16:59

Die Abschiebezwinge

30.07.2002, 16:57, Junge Welt

Rassismus | Baden-Württemberg | Abschiebung | Kosovo | Festung Europa

Baden-Württemberg will nichtalbanische Minderheiten möglichst schnell ins Kosovo schicken


In diesen Tagen bekamen rund 8000 in Baden-Württemberg lebende Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Kosovo höchst unerfreuliche Post. »Die Ausländerbehörde muß Sie zur Ausreise auffordern und Ihnen für den Fall, daß Sie die gesetzte Ausreisefrist nicht einhalten, die Abschiebung androhen«, heißt es in den Briefen, die an nicht-albanische Minderheiten aus dem Kosovo adressiert waren. »Sofern Sie erwerbstätig sind, bitten wir Sie, Ihren Arbeitgeber unverzüglich über Ihre bevorstehende Rückkehr in das Kosovo zu unterrichten. Bitte lassen Sie es nicht darauf ankommen, daß Ihre Ausreisepflicht zwangsweise durchgesetzt werden muß«, warnt die Behörde und weist außerdem auf finanzielle Hilfen des Landes Baden-Württemberg hin, die die Rückreise schmackhaft machen sollen.

»Seit die Briefe draußen sind, steht bei uns das Telefon nicht mehr still«, berichtet Ulrike Duchrow, Sprecherin des landesweiten
Arbeitskreises Asyl Baden-Württemberg. Bei den Betroffenen herrsche Panik, bei den Flüchtlingshelfern Ratlosigkeit und Empörung. In einer Pressemitteilung kritisiert der AK Asyl das Vorgehen von Landesinnenminister Thomas Schäuble (CDU) in scharfer Form. Eine Rückführung zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei unverantwortlich. »Nach wie vor ist die Sicherheit für Leib und Leben im Kosovo nicht gewährleistet. In den Enklaven finden noch immer Übergriffe statt, es gibt keinerlei Möglichkeit für ethnische Minderheiten, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen«, so Duchrow gegenüber jW. Eine Einschätzung, die von der UN-Verwaltung im Kosovo (UNMIK) und dem UNHCR geteilt wird, die sich gegen jede Form von Zwangsrückführung ausgesprochen haben.

In Baden-Württemberg werde jedoch massiver Druck ausgeübt, der vor allem Roma, Serben, Ashkali und Kosovo- Ägypter treffe, kritisiert der AK Asyl. »Die Repressionen reichen von ultimativen Aufforderungen über die Befristung der Duldung auf einen Monat bis hin zur Androhung des völligen Entzugs der Arbeitsgenehmigungen«, berichtet Duchrow. Mit der bundesweit einzigartigen Befristung der Duldungen auf nur noch einen Monat sei Baden-Württemberg Vorreiter einer verschärften Abschiebepolitik. Innenminister Schäuble beruft sich bei seinem Vorgehen auf die Länder-Innenminister- Konferenz (IMK) vom 5./6.Juni, auf der ein »dauerhaftes Bleiberecht« für die Minderheiten aus dem
Kosovo ausgeschlossen wurde. »Die Innenminister von Bund und Ländern appellieren an die Betroffenen, eine freiwillige Rückkehr in Betracht zu ziehen«, heißt es darin. Auf dieser Grundlage verschickte der CDU-Minister Mitte Juni ein Schreiben an seine Ausländerbehörden, demzufolge die Betroffenen nunmehr zur Ausreise aufzufordern seien. Ein entsprechender Musterbrief wurde beigefügt. Für den AK Asyl ist Schäuble damit weit über das Ziel hinausgeschossen. Der massive Druck, den Baden-Württemberg jetzt auf die Minderheiten ausübe, sei damit nicht zu vereinbaren, kritisierte Duchrow.

Martin Höxtermann


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