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letzte Änderung: 14/04/03 21:44

Rassismus

Bayern: Der gläserne Ausländer

14.04.2003, 21:43, Warning, Georg

Das bayerische Innenministerium hat auf der Basis der Verschärfung des Ausländerrechts nach dem 11. September 2001 einen ausführlichen, 20 Fragen umfassenden Fragebogen erstellt, den jede Ausländerin und jeder Ausländer ausfüllen muss, der in Bayern eine Aufenthaltsgenehmigung oder deren Verlängerung beantragt


Sowohl das Vorgehen der Behörde wie der Inhalt der Fragen samt der anhängenden Liste von abgefragten ausländischen Organisationen wirft einige Fragen auf.

So ist es nicht des feinen Mannes Art, Menschen unter Ausnutzung ihrer Notlage - und ein Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung ist in einer Notlage - zur Abschöpfung von Informationen für die Geheimdienste auszunutzen. Auch scheinen Ausländer kein Recht auf Persönlichkeitsschutz/Datenschutz zu besitzen. Sie werden zwar belehrt, dass ihre Angaben dem Bundesnachrichtendienst, Militärischen Abschirmdienst, Landesamt für Verfassungsschutz, Landeskriminalamt und Zollkriminalamt übermittelt werden können, nicht aber, wo die Daten gespeichert werden, wie lange, ob er/sie das Recht zur Einsicht und Berichtigung besitzt.

Mehr noch: Während sich die Ausländerbehörde das Recht herausnimmt, dem Ausländer alle möglichen Fragen zu stellen und das Ergebnis zu speichern, erhält der Ausländer nicht einmal eine Kopie des Fragebogens und seiner Antworten!

Geheimniskrämerei im Amte

Dem Königreich Bayern fehlt wohl ein Gorbatschow, der Glasnost - Licht und Transparenz - in das obskure Gebaren der Behörden brächte.

Bezeichnend ist, dass das Innenministerium selbst vor dem bayerischen Landtag seine Geheimniskrämerei um diese ‚Sicherheitsbefragung' fortsetzt: Da der Text des Fragebogens ‚Rückschlüsse auf Erkenntnisse und deren Bedeutung für die Beurteilung der Sicherheitslage' zulasse, unterliege er - ebenso wie die Liste der ‚Problemstaaten' - dem Dienstgeheimnis. Soweit zu den äußeren Umständen dieser Befragung.

Hinter jedem Halbmond ein Terrorist?

Was für einen Sinn macht es, jemanden zu fragen, ob er/sie Angehöriger einer in Deutschland oder im Ausland verbotenen Vereinigung war? Undemokratische Staaten sind auf der Welt reichlich gesät, und gerade kürzlich hat das Verfassungsgericht der Türkei die Partei HADEP verboten, die in den mehrheitlich kurdisch besiedelten Gebieten die am meisten gewählte Partei war. Und zwar eine Partei, die sich ohne Waffen für die Gleichberechtigung der Kurden einsetzte.

Dann wird auf eine im Anhang des Fragenkatalogs erwähnte Liste diverser Organisationen Bezug genommen und gefragt, ob man jemals zu einer dort genannten Vereinigung gehörte oder Kontakt hatte oder Kontakt zu einer Person hatte, die einer solchen Vereinigung angehörte oder nahe stand, oder für eine oder mehrere dieser Vereinigungen oder ihr nahestehende Personen (und sei es nur aus Gefälligkeit, Höflichkeit oder Gastfreundschaft) tätig geworden sei.

Wenn man nun meint, auf der Liste seien nur gemeinhin bekannte Terrororganisationen aufgeführt, täuscht man sich gewaltig. So findet sich gleich auf der ersten Seite die AKP, die türkische Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei, die seit den Wahlen im November 2002 die Regierung stellt und von über 30 Prozent der türkischen Wählerinnen und Wähler gewählt wurde. Gibt es Türken, die keine AKP-Anhänger kennen und für diese Personen nie aus Höflichkeit oder Gastfreundlichkeit tätig wurden - zum Beispiel einen Tee für sie serviert haben? Was für einen Sinn macht eine solche Datenansammlung? Nicht nur, dass das breite Spektrum türkischer politischer Organisationen ohne Sinn und Zweck - mit Ausnahme weniger korrupter Regimeparteien in dieser Liste wohl vertreten ist und auch türkische Arbeitervereine aufgelistet werden, nicht nur, dass die ganzen Vorgängerparteien der AKP, die auf Drängen der türkischen Militärs verboten wurden, vertreten sind, die Liste scheint geprägt von einer Islamismusfeindlichkeit, die den Terror nur auf Seiten der Islamisten zu sehen scheint, während die Regierungsseite fein ausgespart wird. Man findet die FIS aus Algerien, die immerhin Anfang der 90er Jahre in Wahlen so erfolgreich war, dass das algerische Militär putschte und darin von der Europäischen Union auch noch belohnt wurde, man findet die brutale GIA aus Algerien, aber nicht den algerischen Militärgeheimdienst, der die GIA aufgebaut und ausgebildet hat, man findet die Muslimbrüderschaft aus Ägypten, die zweifellos auch gewalttätige Phasen hatte, aber zugleich auch eine tragende Sozialbewegung ist und armen Menschen hilft, während die Regierungselite sich nur bereichert, man findet eine Internationale Bewegung Usbekistans, die es nicht gibt, während die von den USA aus Gefälligkeit gegenüber dem verbündeten usbekischen Diktator Islam Karimow eine Islamische Bewegung Usbekistans auf ihre Terrorliste setzte und deren Kämpfer auch gleich im Afghanistankrieg mit massiven Bombenschlägen dezimierte, man findet zwar die Mudschahedin (in der Form des Nationalen Widerstandsrats Iran auch die iranischen Volksmudschahedin), aber nicht die iranische Botschaft, die von deutschem Boden aus Mordanschläge gegen Iraner organisierte u.s.w. Auf dem staatlichen Auge blind, kann man dem Bayerischen Innenminister nur bescheinigen.

ABC-Waffen-Projekte in Deutschland?

Dass nach absolvierter Flugausbildung gefragt wird, ist nach dem 11. September nicht mehr originell, aber was soll bitte sehr die Frage:

"Waren Sie jemals in Forschungszentren und anderen Einrichtungen in Deutschland oder im Ausland tätig, die mit der Entwicklung/Erforschung von ABC-Waffen oder Kampfstoffen befasst sind?"

Seit wann entwickelt Deutschland ABC-Waffen? Haben die Bayern da irgendwelche Sonderprogramme à la Saddam Hussein? Wird der nächste US-Befreiungsschlag uns gelten?

Beckstein: Kämpfer gegen den Rechtsstaat

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese von soviel Ignoranz getragene ‚Sicherheitsbefragung' gewiss nicht zur Sicherheit der Bürger in Deutschland oder anderswo beiträgt, gewiss aber zu einem weiteren Ausbau behördlicher Willkür in den Ausländerämtern, die nun in einem Sumpf von Daten waten, aus dem sie sich jeweils das passende Stück fischen werden, um mal wieder eine Aufenhaltsgenehmigung zu verweigern oder nachträglich zu entziehen.

Denn das ist der eigentliche Zweck der Liste. Dem Rechtsstaat den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Abs.: Georg Warning, PF 5303 D-78432 Konstanz,
e-mail: ai2337@hotmail.com
Konstanz, den 08.04.03