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letzte Änderung: 04/06/03 21:09

Medien

Lizenzpoker

04.06.2003, 21:05, junge welt

Neun Freie Radios gehen ab Montag in Baden-Württemberg auf Werbetour



Her mit den schönen Frequenzen, fordern die freien Radios im Südwesten der Republik. Ab Montag wird ein Übertragungswagen durch sämtliche neun baden-württembergischen Städte ziehen, in denen lokale, nichtkommerzielle Sender betrieben werden. Live-Übertragungen, Radiokunst und Vor-Ort-Reportagen sollen deutlich machen, wie vielfältig und interessant die Sache für Hörende und Machende sein kann. »Freie Radios leisten durch ihre programmatisch inhaltliche Unabhängigkeit einen unverzichtbaren Beitrag zur kritischen Information und setzen sich kontinuierlich mit der gesellschaftlichen Realität von Diskriminierung, Rassismus, Sexismus und Antisemitismus auseinander«, sagt Michael Menzel von Radio Dreyeckland Freiburg.

Anlaß der Tour ist die bevorstehende, alle acht Jahre erfolgende Neulizenzierung des nichtkommerziellen Rundfunks in Baden-Württemberg. Seit 1986 lizensiert die Landesanstalt für Kommunikation (LfK) sämtliche privaten Radio- und Fernsehveranstalter des Landes. An acht Standorten hat sie auch die Frequenzen für nichtkommerzielle Hörfunkprogramme neu ausgeschrieben. Abgabetermin ist morgen. Im Oktober wird der fünfköpfige Vorstand der LfK über die Anträge entscheiden, anschließend der 37köpfige Medienrat, in dem »Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen« und Landtagsabgeordnete sitzen. Der Medienrat kann das Votum des LfK-Vorstands ablehnen, benötigt für einen Gegenvorschlag jedoch eine konstruktive Mehrheit. Die Entscheidung wird im Oktober bekanntgegeben, ab 1. Januar 2004 laufen die neuen Lizenzen. »Mit der Neuausschreibung werden die Karten neu gemischt; wer zum Zuge kommt, ist völlig offen«, erklärte Andreas Hamann von der LfK gegenüber jW. Eine »Bestandsgarantie« gebe es für niemanden. Dahinter stecke ein gewisser »Wettbewerbsgedanke«.

Die in der Assoziation Freier Gesellschaftsfunk (AFF) zusammengeschlossenen nichtkommerziellen Sender Baden-Württembergs haben am Mittwoch ihre Anträge bei der Landesbehörde eingereicht. Bei der AFF geht man davon aus, daß alle Freien Radios ihre Frequenzen behalten können. »Da wir unsere Mitbewerber nicht kennen, ist es allerdings ungewiß, wieviel Sendezeit wir in Zukunft bekommen werden«, erklärt Timo Stadler von »Querfunk Karlsruhe«. Für viele der Freien Radios ist bereits der Status quo unbefriedigend, manche fürchten darüber hinaus eine Verschlechterung ihrer Empfangbarkeit. So soll das Freie Radio Stuttgart, das seit 1996 auf UKW 99,2 MHz sendet, künftig eine 300-Watt-Mono-Frequenz erhalten. Die Radiomacher hatten eine Frequenz mit zwei Kilowatt Leistung ausfindig gemacht, auf der sie 1,17 Millionen Hörer im Großraum Stuttgart erreicht hätten – kürzlich wurde sie an ein kommerzielles Spartenradio vergeben.

Dem ehemaligen Piratensender aus Freiburg erging es nicht besser. »Seit der privatkommerzielle Sender BIG-FM in 0,5 MHz Abstand auf Sendung ist, häufen sich bei uns die Beschwerden, wir seien nicht empfangbar«, berichtet Ariane Zeuner von Radio Dreyeckland. Deshalb fordern die Freiburger, deren Sendebetrieb sich größtenteils aus Mitgliedsbeiträgen des Freundeskreises finanziert, eine bessere technische Ausstattung. Zeuner: »Verständlicherweise hört und unterstützt man lieber ein Freies Radio, das rauschfrei empfangen werden kann«.

Weitere Forderungen der AFF, die durch die Radiotour ins Gespräch gebracht werden sollen, sind die flächendeckende Verbreitung von nichtkommerziellem Lokalrundfunk in Baden-Württemberg, eine Erhöhung der institutionellen Förderung der Freien Radios sowie die Abschaffung der aus Sicht der AFF verfassungswidrigen Gleichstellung von nichtkommerziellen Medien und »Lernradios«, die in Karlsruhe und Tübingen auf den Frequenzen der Freien Radios ein privatfunkähnliches Programm ausstrahlen.

* Radiotour: 9. 6. Schopfheim, 11. 6. Freiburg, 13. 6. Schwäbisch-Hall, 15. 6. Karlsruhe, 17. 6. Mannheim/Heidelberg, 19. 6. Freudenstadt, 22. 6. Stuttgart, 24. 6. Tübingen, 26. 6. Ulm. Weitere Informationen unter www.aff-bawue.org

Martn Höxtermann in der jungen welt, 5.6.03