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letzte Änderung: 29/06/03 19:52

Gender

Vortrag von Eren Keskin zu sexueller Folter in der Türkei

29.06.2003, 19:47, Warning, Georg

Ausführlicher Bericht zur Informationsveranstaltung mit der türkischen Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin am 26. Juni 2003 in Ravensburg


Vortrag von Eren Keskin in Ravensburg, Café im Spital, Bachstr. 57, 26. Juni 2003

Einleitung

Es sind recht viele Leute (80 oder mehr) gekommen, relativ viele Türken/Kurden mit beträchtlichem Anteil an Frauen, einige junge Türkinnen/Kurdinnen sind auch dabei. Unter den anwesenden Deutschen finden sich fast keine Jugendlichen, ist wohl nicht ihr Thema. Auch von der Presse habe ich niemanden gesehen.

Barbara Missalek von ai Ravensburg hatte schon mehrere Wochen vor der Veranstaltung nach einem/r Dolmetscher/in Umfrage gehalten. Sie war offensichtlich in Ravensburg fündig geworden, dort hatte sich eine Frau netterweise bereit erklärt, zu dolmetschen. Da man sich nie vor Repressalien seitens der türkischen Organe sicher sein kann, blieb der Name der Dolmetscherin anonym.

Allerdings war das nicht ihr Metier, und so geriet sie rasch ins Schwimmen, was sie teilweise mit gekonnten deutschen Allgemeinplätzen überbrückte. Unter dem Publikum befanden sich aber einige Türken (womit ich jetzt auch die Kurden einschließe), die gut Deutsch konnten und merkten, dass die Details von Eren Keskins Aussagen nicht rüberkamen. Die korrigierenden Zwischenrufe trugen gewiss nicht dazu bei, die Konzentration der ehrenamtlichen Dolmetscherin zu bessern, die übrigens erst eine Stunde vor der Veranstaltung von ihrem Glück erfahren hatte, wie sie mir erzählte. Nun rückte also ein junger Türke neben die Frau, der den Inhalt von Eren Keskins Vortrag besser rüberbrachte, allerdings in schlechterem Deutsch. Auch fehlte ihm teilweise der Wortschatz, und namentlich als es um Details der sexuellen Gewalt ging, flachte seine Übersetzungsqualität ab. Da meldete sich aus dem Publikum protestierend ein Deutscher, die Frau habe besser übersetzt als der Mann, man solle die Frau doch wieder übersetzen lassen. Hier sieht man, dass das Urteil über die Qualität der Übersetzung beim Laien wohl eher an der sprachlichen Gewandtheit in der Zielsprache gemessen wird, da die Person ja den Text der Ausgangssprache nicht kennt.

Es meldete sich zum Glück eine Frau aus dem Publikum, die mit treffenden Zurufen dem bisherigen Übersetzer schon unter die Arme gegriffen hatte. Sie hatte rötlich gefärbte Haare und ich dachte, das sei eine deutsche Aktivistin, die schon öfter in kurdische Gebiete gereist sei. Das war aber falsch. Die Frau war in Urumiye im Iran geboren, hatte kurdisch-türkische Eltern, und war vor 40 Jahren als Kind nach Deutschland gekommen. Jetzt arbeitet sie als Psychologin in Memmingen. Ihr Deutsch war völlig akzentfrei. Außer spezialisierten juristischen Begriffen war ihre Übersetzung fehlerfrei und mehr noch, sie verstand es, mit Pausen und Betonung der Übersetzung eine Persönlichkeit zu verleihen. Erst später, beim Fragen und Antworten ermüdete sie und konnte nicht mehr alles übersetzen, aber das ist normal. Normalerweise sollte man auch zwei Personen organisieren, eine die ins Deutsche übersetzt, die andere, die aus dem Deutschen übersetzt.

Eren Keskin spricht über ihr Projekt zur Unterstützung von Frauen, die staatlicherseits sexuelle Gewalt erlitten haben

Zur Einführung skizziert sie kurz das politische System in der Türkei, das den Rahmen für diese Gewalt bildet:

Es gibt zwar eine Regierung und ein Parlament, aber dies sind Scheinmächte, während die tatsächliche Gewalt in der Hand der Armee liegt. Die Armee verfügt nicht nur über Waffen, sondern auch über wirtschaftliche Macht, sie besitzt Banken, Fabriken und verschiedene Firmen wie die Türkische Telecom. Auch ihr Budget legt die Armee selbst fest.

Problemkreis Kurden

Im Rahmen des EU-Anpassungsprozesses musste auch das Rechtsregime in Kurdistan (Eren Keski wählt dieses Wort bewusst) geändert werden, wo seit Jahrzehnten andere Gesetze galten als im Rest der Türkei.

Zwar wurde der Ausnahmezustand (o-hal, olag^anüstü hal) im Rahmen des Anpassungsprozesses aufgehoben, aber statt dessen wurde der Begriff der ‚kritischen Provinzen' (kritik iller) geprägt, in denen die Praxis weiterhin anders aussieht als die Gesetze es vorsehen.

Die Meinungsfreiheit wird weiter behindert, die gewaltsamen Verhörmethoden und Folter gehen als Staatspolitik weiter.

Eren Keskin stellte am Beispiel der vergangenen drei Wochen vor diesem Vortrag vor, wie die Praxis heute aussieht.

Beispiel 1:

So wurde in Istanbul die Vorsitzende der Frauen-Organisation der (Kurden)Partei DEHAP der Provinz Istanbul, Gülbahar Gündüz, von Zivilpolizisten entführt und 11 Stunden an einem unbekannten Ort festgehalten. Anschließend wurde sie in der Nähe ihrer Wohnung ausgesetzt.

Von dieser Inhaftierung trug sie Bisswunden am Arm und Schnittwunden am Rücken und zwischen den Beinen davon. Außerdem wurde sie oral vergewaltigt.

Beispiel 2:

In der (kurdischen) Provinz Bingöl werden weiterhin Militäroperationen durchgeführt.

Eren Keskin ist mit mehreren Frauengruppen nach Bingöl gefahren, um dort eine friedliche Kundgebung abzuhalten. Aufgrund der Gesetzesanpassung an die EU sind friedliche Kundgebungen überall ohne Erlaubnis möglich. Trotzdem wurden die Frauen von der Polizei gewaltsam attackiert und festgenommen.

Eren Keskin rief per Handy den für Menschenrechte zuständigen Minister an und fragte ihn, ob die Gesetze denn nicht geändert worden seien. Der Minister antwortete, dass sie Recht habe.

Aber damit geht eben noch keine Änderung der Praxis einher. Als Eren Keskin die Polizei auf die Gesetzlage aufmerksam machte und darauf hinwies, dass sie in Istanbul auch solche Aktionen durchführen, bekam sie zu hören: Burasï Bingöl - Hier ist aber Bingöl!

Beispiel 3:

Nach dem Angriff auf Gülbahar Gündüz wollte die DEHAP in Istanbul eine Presseerklärung über diesen Vorfall abgeben. Die Polizei griff brutal ein, hetzte Hunde auf die Menschen und nahm Hunderte von Menschen fest.

Meinungsfreiheit

Als Illustration dafür, wie es um die Meinungsfreiheit in der Türkei steht, verwies Eren Keskin auf ihr eigenes Schicksal: Wegen ihrer öffentlichen Erklärungen und Schriften wurden gegen sie 120 Verfahren eingeleitet, aus dem selben Grund wurde gegen sie auch ein einjähriges Berufsverbot verhängt.

EU-Anpassungsprozess

Eren Keskin nahm im Verhalten der EU einige Widersprüche wahr. So fordert diese zwar die Einhaltung der Menschenrechte und mehr Rechte für die Kurden, gleichzeitig gehen die Waffenexporte in die Türkei aber weiter.

Nach dem 11. September (2001) ist die EU-Asylpolitik zunehmend menschenrechtsfeindlich geworden.

Sie führt dazu das Beispiel Deutschland an:

Eren Keskin hat in Deutschland auch mit Asylrichtern gesprochen. Diese vertraten die Auffassung, dass die Kurden zwar in Kurdistan Probleme hätten, aber in den türkischen Metropolen problemlos leben könnten.

Eren Keskin meinte, diese Richter sollten sich näher mit Fällen wie Gülbahar Gündüz befassen.

Die Frau sei als Kurdin in Istanbul entführt und vergewaltigt worden.

Dann kam Eren Keskin auf das zentrale Thema des Abends zu sprechen:

Sexuelle Misshandlung an Frauen im staatlichen Gewahrsam

Eren Keskin ist seit 18 Jahren Anwältin und dabei mit der Folter konfrontiert.

Als sie selbst ins Gefängnis kam, war sie mit einigen ihrer Mandantinnen eingesperrt, wodurch sich ein gleichberechtigteres Verhältnis entwickelte.

Einmal sei beim Hofgang eine Gefangene auf sie zugekommen und habe gefragt, wieso sie so "kalt" zu ihr sei, ob das darauf zurückzuführen sei, dass sie wisse, was bei den Ermittlungen geschehen sei.

Später erklärte ihr diese Frau weinend, dass sie in U-Haft gefoltert wurde. Die Traumatisierung durch diese Erlebnisse hielt auch in der weiteren Haftzeit an.

Eren Keskin berichtete, dass Frauen praktisch ausnahmslos in Haft vergewaltigt würden.

Nach ihrer Freilassung habe sie sich Gedanken darüber gemacht, wie sie für diese Frauen arbeiten könne.

So taten sich 1997 vier Anwältinnen zusammen und machten gemeinsam ein Büro für diese Frauen auf.

In den sieben Jahren seit der Eröffnung des Büros haben sich 175 Frauen mit der Bitte um Hilfe an sie gewandt.

Sie waren sich bewusst, dass sie eine schwere Aufgabe in Angriff genommen hatten, denn die sexuelle Folter ist Teil der Staatspolitik, sie wird sowohl durch die Gesetze wie durch die Praxis begünstigt.

So werden Frauen im Gewahrsam auf verschiedene Weise sexuell misshandelt.

Diese Formen der sexuellen Misshandlung (cinsel taciz) finden im Gesetz keine Entsprechung.

Und auch der juristische Begriff der Vergewaltigung greift viel zu kurz. Nach dem türkischen Strafgesetz versteht man darunter, dass ein Mann sein Geschlechtsorgan in das weibliche Geschlechtsorgan einführt.

Somit wird weder die Vergewaltigung mit dem Knüppel noch orale Vergewaltigung nach türkischem Strafrecht als Vergewaltigung eingestuft.

Dann kam Eren Keskin auf die Probleme zu sprechen, die Frauen erfahren, die den Mut haben, gegen sexuelle Misshandlung in Haft rechtlich vorzugehen.

Die Probleme beginnen schon damit, die Misshandlung zu dokumentieren.

Für Jungfrauen besteht eine Frist von 7-10 Tagen, innerhalb der sie sich einer ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen, für andere Frauen eine Frist von 48 Stunden.

Die kurze Frist verstreicht oft, weil die Frauen noch in Haft sind und nicht zum Arzt gehen können, auch das Gefühl der Unreinheit und der Scham verhindert oft, dass die Frau sich schnell zu einem Arzt begibt.

Danach bleibt nur noch die Möglichkeit eines psychologischen Gutachtens. Aber es gibt nur eine spezialisierte Einrichtung in der ganzen Türkei, die dazu in der Lage ist, wodurch viele Frauen - speziell wenn sie in Haft sind, dieses Zentrum nicht nutzen können.

Selbst wenn ein Gutachten die Vorwürfe der Frau bestätigt, ist noch ein amtlicher Gutachter erforderlich. Die ärztlichen Atteste gehen an die Forensische Medizin (Adli Tip), eine staatliche Institution. Die dort tätigen Personen sind Beamte, die sich entweder selbst mit den staatlichen Untaten identifizieren oder aber Angst vor Repressalien haben müssen.

Ein Beispiel aus dem Wirken der Forenischen Mediziner:

1997 wurde Fatma Tokmak mit ihrem 3,5 Jahre alten Kind in Istanbul in Gewahrsam genommen, 15 Tage war sie zusammen mit ihrem Kind. Zum einen wurde der Vorwurf erhoben, ihr Mann sei bei der Guerrilla (PKK), zum anderen hieß es, sie selbst sei ein PKK-Mitglied. Mutter und Kind wurden zusammengefoltert. Um die Mutter zum Sprechen zu bringen, musste sich der Junge auf seine Mutter legen und ‚vergewaltigen'. Außerdem wurden auf ihrer Haut Zigaretten ausgedrückt. Sowohl Mutter wie Kind erlitten ein schweres Trauma.

Nach 15 Tagen kam die Mutter in U-Haft, Eren Keskin und ihre Mitstreiterinnen kümmerten sich um das Kind. Sie brachten es zu vier Stellen, die Gutachten über die Folterspuren erstellten, und erstatteten Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft wandte sich an die Forensische Medizin. Diese schrieb in ihrem Gutachten, ja, das Kind weise Verbrennungsspuren von Zigaretten auf, es habe auch ein psychisches Trauma erlitten, aber es lasse sich nicht feststellen, von wann diese Spuren stammten, ob vor der Verhaftung oder danach. Unter Berufung auf diese Antwort hat die Staatsanwaltschaft keinen Prozess eröffnet.

Jetzt ist der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Warum ist sexuelle Folter am schwersten zu schildern?

Hier ein Beispiel aus Eren Keskins Praxis.

Einmal kam ein älterer Mann zu ihr ins Büro und sagte, er habe seit fünf Jahren keine Nachricht mehr von seiner Tochter. Er habe nur einen Anruf erhalten, dass sie verhaftet worden sei.

Eren Keskin ging der Sache nach und fand heraus, dass dessen Tochter im Gefängnis von Diyarbakir in Haft war. Sie besuchte die Gefangene und sprach mit ihr. Diese Tochter erzählte ihr, dass sie 66 Tage auf einem Gendarmerieposten in Silopi festgehalten und dabei vergewaltigt wurde.

Trotzdem hatte sie nichts unterschrieben. Eren Keskin schlug vor, gleich Anzeige zu erstatten, aber die Tochter sagte, sie wolle noch etwas warten.

Auf der Gerichtsverhandlung wurde sie dann freigesprochen. Sie rief dann von ihrer Familie in Mersin aus bei Eren Keskin an und sagte: "Du wirst bestimmt auf mich ärgerlich sein, aber ich erstatte keine Anzeige."

Als Eren Keskin fragte, warum, sagte sie: "Ich will meinem Vater keinen Kummer machen (babamï üzmek istemiyorum)."

Eren Keskin sagte, in den sieben Jahren, in denen sie sich für vergewaltigte Frauen einsetzt, habe sie noch kein einziges Mal gehört, dass eins der Opfer gesagt hätte: "Ich will meiner Mutter keinen Kummer machen (annemi üzmek istemiyorum)."

Solang die Ehre der Familie über die Frau definiert wird, falle es den Opfern schwer, gegen die Vergewaltigung vorzugehen. Aber es gebe mutige Frauen, die dieses Schema durchbrechen, so Gülbahar Gündüz, die gleich an die Öffentlichkeit getreten sei.

Inzwischen werde die sexuelle Folter intensiv diskutiert und auch ein neuer Gesetzesentwurf sei in Vorbereitung, in dem die Begriffe cinsel taciz (sexuelle Misshandlung) und tecavüz (Vergewaltigung) weiter definiert werden.

Dieser kleine Fortschritt sei ihrer Arbeit zu verdanken.

Eren Keskin meinte aber auch, dass das internationale Recht zum Thema Gewalt gegen Frauen unzulänglich sei.

So sehe das UN-Flüchtlingsabkommen Gewalt gegen Frauen nicht als Asyl an, und obwohl Frauen in allen Kämpfen und Kriegen Opfer von Vergewaltigungen wurden, sei erst seit Bosnien und Ruanda sexuelle Gewalt von internationalen Gerichtshöfen als Kriegsverbrechen definiert worden.

Deshalb müsse der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen international geführt werden.

Ein ai-Bericht zu diesem Thema sei auch in der Türkei sehr öffentlichkeitswirksam gewesen.

Bislang würde die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei nur als Anhängsel des EU-Beitritts wahrgenommen, und auch die Forderung nach mehr Demokratie werde nicht sehr laut gestellt.

Deshalb sei die Solidarität internationaler Menschenrechtsorganisationen weiterhin wichtig.

Nach einer Pause gab es die Gelegenheit, Eren Keskin Fragen zu stellen.

Eine Türkin/Kurdin wies darauf hin, dass ein Mann beim Rausgehen auf Türkisch den Satz geäußert habe, es sei nicht in Ordnung, Privatangelegenheiten von Frauen in der Öffentlichkeit zu besprechen. Eren Keskin meinte, die sexuelle Folter sei Staatspolitik und keine Privatangelegenheit, und wahrscheinlich schlage der Mann zu Hause seine Frau. Dafür erntete sie heftigen Beifall.

Auf die Frage einer Deutschen, was man von hier tun könne, ob man die Türkei boykottieren solle oder besser an Delegationen wie von Cenni teilnehmen solle, meinte Eren Keskin, es sei sinnvoll, in die Türkei zu reisen und mit türkischen Organisationen Kontakt aufzunehmen und ihre Berichte in Westeuropa zu verbreiten, statt das Land zu boykottieren.

Eine andere Deutsche fragte, wieso sich der Zorn der männlichen Angehörigen von vergewaltigten Frauen gegen die Frauen richte und nicht gegen die Täter.

Eren Keskin sagte, dass der Staat mit seinem Vorgehen die nationale oder politische Identität verletzen wolle, die von den Opfern vertreten werde - was die Fragerin nicht als Antwort empfand. Dann erklärte Eren Keskin, dass die Menschen in einer Mentalität und einem System aufwachsen, die solche Reaktionen erzeuge. So sieht das Strafgesetz bis heute eine Strafermäßigung für Taten vor, die zur Wahrung der Ehre begangen wurden. Dies wird auch im neuesten Gesetzesentwurf beibehalten. Ein typisches Beispiel für die Denkart sei auch das Sprichwort: Kïzïnï dövmeyen dizini döver. Wer seine Tochter nicht schlägt, schlägt sein Knie (d.h. sich selbst).

(Es gibt noch ein weiteres verbreitetes Sprichwort: karnïndan sïpa, sïrtïndan sopa - Im Bauch ein Kind, im Rücken den Knüppel...)

Ein Fragesteller regte an, MdB Bindig anzuschreiben, er solle aktiv werden (seine Forderung war etwas unbestimmt), ein anderer fand langatmig, dass die deutschen Parteien sich um das Türken/Kurden-Problem drückten, was allerdings nicht die Frage ist, die an Eren Keskin zu richten wäre. Ein Türke wollte das Publikum mit Statements zum ausbeuterischen System beglücken und meldete sich am Schluss nach Ende der Rednerliste nochmal zu Wort, wobei Eren Keskin in freundlicherweise noch reden ließen.

Auf die Frage der Zusammenarbeit mit den Grünen meinte Eren Keskin, sie sei ständig in Kontakt mit Claudia Roth, habe vor kurzem mit den Verantwortlichen im britischen und deutschen Außenministerium gesprochen, im Menschenrechtsausschuss des Bundestages vorgetragen etc., da bestünden keine Probleme.

Eren Keskin meinte bedauernd, dass die Solidarität in der Türkei unzulänglich sei.

Die Frauen, die jetzt gegen die Vergewaltigung von Gülbahar Gündüz auf die Straße gegangen seien, seien Kurdinnen, die türkischen Frauengruppen setzten sich nicht für sie ein.

Sie sagte auch, der Krieg im Südosten hätte bestimmt nicht so lange gedauert, wenn die türkischen Arbeiter auch nur einen Tag den Generalstreik gegen den Krieg erklärt hätten.

Als eine Türkin/Kurdin meinte, es gebe doch auch private Gewalt gegen Frauen in der Türkei, sagte Eren Keskin, das habe sie nie bestritten, aber ihre Spezialisierung, weswegen sie hier eingeladen sei, sei nun eben die staatliche Gewalt, die sexuelle Gewalt systematisch ausübe. Und es würden nicht nur Kurdinnen, sondern auch sozialistisch eingestellte Frauen oder Frauen, die wegen Drogenhandels oder anderen Delikten in Haft kommen, vergewaltigt. Es sei aber richtig, dass auch die Mentalität sich ändern müsse.

Eren Keskin beklagte, dass es bis heute für die Frauen, die sexueller Gewalt zum Opfer fallen, kein einziges Frauenhaus gebe, das treffe alle, auch die von ihnen betreuten Frauen. Der einzige Schutz für diese sei die Öffentlichkeit, die durch ihren Fall erzeugt werde.

Es wurde auch die Frage gestellt, ob der Angriff auf Gülbahar Gündüz auf ‚dunkle Kräfte' zurückgehe, die die Türkei wieder in einen Krieg ziehen wollten. Denn Gülbahar engagiert sich für eine Generalamnestie (der PKK-Leute), und in diesem Zusammenhang wurde sie als Opfer auserkoren.

(In der Neuen Zürcher Zeitung vom 24. Juni 2003, S.3 schreibt it - Amalia van Gent - hierzu, dass die Amnestie-Kampagne auch in Zusammenhang mit der Forderung der US-Verwaltung im Irak zu sehen sei, dass alle fremden Truppen den Nordirak verlassen müssten, das gilt für PKK, für islamische Gruppierungen wie für die türkische Armee.)

Das bedeutet: Solange in der Türkei keine Generalamnestie verkündet wird, müssen die zurückkehrenden Kämpfer dort entweder auf ihre Verhaftung warten oder weiterkämpfen...

Protokoll von: Georg Warning, Konstanz, den 29.06.03
Abs.: Georg Warning, PF 5303 D-78432 Konstanz,
e-mail: ai2337@hotmail.com