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Wem gehört das Wasser?

01.12.2003, 12:14, Harald Brems

Globalisierung | Singen | Baden-Württemberg | Bodensee Wasserversorgung | Cross Border Leasing | Vortrag

Vortrag am 26.11.03 mit Jens Loewe vom Stuttgarter Wasserforum zum Cross Border Leasing der Bodensee Wasserversorgung


Wem gehört das Wasser? -Vortrag mit Jens Loewe zum Cross Border Leasing

Vergangenen Mittwoch den 26.11. fand im D. Bonhoefferzentrum in der Singener Nordstadt ein Vortrag zum Cross Border Leasing der Bodensee Wasserversorgung statt. Dem Referenten Jens Loewe vom Stuttgarter Wasserforum gelang es dabei anschaulich darzustellen wie das Geschäft im vergangenen Jahr vonstatten ging. Mit gut zweihundert Personen war der Raum überfüllt, so das die Türflügel zum Hauptsaal der Bonhoeffergemeinde geöffnet werden mussten um Platz für alle Zuhörer zu schaffen. Für viele der Anwesenden wurde dann erstmals klar was bei dem Leasing vor fast zwei Jahren wirklich ablief. Gut 95% der Bevölkerung können mit dem Begriff Cross Border Leasing nichts anfangen und das die Bodensee Wasserversorgung (BWV), die 4 Millionen Menschen in Baden Württemberg mit dem lebenswichtigen Nass versorgt, nun für 99 Jahre einem amerikanischen Trust gehört, ist ebenso vielen unbekannt. Eine Tatsache die schwer verständlich scheint. Gibt es ausser der Luft die wir atmen denn noch etwas essentielleres als Wasser? Wohl kaum. Wie also kann man erklären das die Lebensgrundlage von 4 Millionen Menschen für die Lebensdauer der nächsten zwei Generationen an einen amerikanischen Konzern vermietet wird und fast niemand merkt es. Verständlicher wird das Ganze wenn man den Artikel unserer Monopolzeitung (siehe Südkurier v. 28.11.-„gut gebrüllt Loewe“) liest. Dem Autor schien es sehr daran gelegen den Inhalt des Vortrages zu entstellen und die Anwesenden als verblendete Dummköpfe darzustellen. Die damit verbundenen neoliberalen Ausführungen wirkten in dem Bericht fast hilflos. Die dicksten Bären lassen sich eben nur schwer aufbinden. Die Tatsachen sprechen aber für sich und im wirklichen Leben lassen sich die Dinge nicht so leicht schönschreiben, verharmlosen oder gar vertuschen, wie es von der einen oder anderen Zeitung allzu gerne praktiziert wird. Die Erfahrung zeigt das in jedem Fall von Cross Border Leasing in Deutschland, sobald die Bürger die Gelegenheit hatten darüber zu entscheiden, dagegen gestimmt wurde. Nur im Fall der Bodensee Wasserversorgung wurde niemand gefragt und die Berichterstattung dürfte wohl kaum besser gewesen sein als sie es im Fall des Verkaufs der Radolfzeller Stadtwerke an die Thüga AG war (man kann auch über Dinge berichten ohne diese jemals beim Namen zu nennen). Nun, das Kind ist jedenfalls in den Brunnen gefallen und keiner hat’s gesehen. Nun können wenigstens die profitieren, die am wenigsten mit unserem Gemeinwohl und unserem Bedürfnis nach bezahlbarem und dennoch sauberem Trinkwasser zu tun haben.

Wie? Durch Steuerersparnis! Um mehr geht es bei der ganzen Sache nämlich nicht. Um von den Gewinnen in den USA nicht alles versteuern zu müssen machen amerikanische Trusts und Konzerne sogenannte Auslandsinvestitionen. Doch investiert wird dabei nichts. Durch eine Vertragslaufzeit von 99 Jahren können sie das Ganze als ein kaufähnliches Geschäft in den USA verbuchen und erhalten so irgendwas zwischen 20 und 30% des sogenannten Transaktionsvolumens als Steuerabschreibung. Dieses Volumen liegt bei der BWV bei 950 Millionen €. Davon bekam der Zweckverband Bodensee Wasserversorgung 46,5 Millionen €. Der Rest der 20 bis 30% wird verteilt an Trust, Anwälte, Vermittler und sonstige Involvierte. Ein Scheingeschäft also, denn der einzige der bezahlt ist der amerikanische Steuerzahler. Die BWV stand weder öffentlich zur Ausschreibung noch wurden die Verträge je veröffentlicht. Alles streng geheim. Auf die Anfrage des Stuttgarter Wasserforums nach dem Vertragspartner bekam man zur Antwort, ein privater Käufer habe das Recht ungenannt zu bleiben, was natürlich mehr wiegt als das Recht der deutschen Öffentlichkeit nach Information. Die von uns gewählten Politiker verleasen also die von unseren Steuergeldern gebauten öffentlichen Einrichtungen ohne unser Wissen und können uns anschließend auch nicht sagen an wen, da dies ja gegen die Spielregeln verstösst. So weit so gut. Nun könnte man im Falle einer Unzulänglichkeit klagen, wir leben ja in einem Rechtsstaat. Doch auch dies scheint auf den zweiten Blick nicht so einfach. Die Verträge (über 1000 Seiten in Juristenenglisch) wurden nach amerikanischem Recht abgeschlossen und der Gerichtsstand ist New York. Also findet jede Klage in diesem Fall in New York statt. Gute Aussichten, was? Bemerkenswert scheint mir auch die Tatsache, das fast alle deutschen Wasserwerke schwarze Zahlen schreiben. Also werden obendrein auch diese Gelder fehlen. Was hier passierte ist typisch für unser Demokratieverhältnis und passiert in Deutschland täglich. Um kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen werden Verkehrsbetriebe, Krankenhäuser, Kindergärten, Stromversorger und vieles mehr verkauft oder „vercrossborderleast“ (nicht zu verwechseln). Was auf der Strecke bleibt ist zunächst mal die Demokratie. Denn auf was soll sich unser Solidarsystem noch stützen wenn es nichts mehr gibt das der Öffentlichkeit gehört? Der neoliberale Ausverkauf ist voll im Gange. Dabei gibt es doch wirklich genug Negativbeispiele. Wir brauchen uns nur bei unseren industrialisierten Nachbarn umzusehen. In England wurde die Wasserversorgung in den 90’ern privatisiert. Die Folge waren erhebliche Preiserhöhungen und sinkende Wasserqualität.

Die Stromausfälle im Sommer in den USA waren auch ein Kind der Privatisierung. Fast überall war Privatisierung verbunden mit Preiserhöhung und Qualitätsverlust. Während ein staatlicher Betrieb wirtschaftlich arbeiten muss hat der Private Gewinne zu erwirtschaften. Leuchtet doch ein. Unsere heutigen Verhältnisse zeigen deutlicher als je zuvor das sich Wirtschaftliche Interessen bei unseren Politikern immer durchsetzen werden. Die repräsentative Demokratie versagt an allen Ecken und Enden. Es wäre langsam wirklich an der Zeit die Entscheidungsmacht dorthin zu legen wo sie hingehört, nämlich in die Hände des Volkes. Denn nur in Form einer direkten Demokratie nach dem Vorbild der Schweiz kann sich unsere Willensbildung auch manifestieren.

Doch eines muss klar sein: diese Freiheit wird uns nicht von oben geschenkt werden.






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