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letzte Änderung: 20/12/03 14:21

Squatting

Egocity und weitere Häuser im Züricher ' Viereck' ab 31.12.03 von Abriss bedroht

20.12.2003, 14:21, egocity

Das Gelände unter dem Namen Viereck, Zürich, auf dem sich auch das bestzte Haus Ego befindet ist, nun vom Abriss ernsthaft bedroht - Ende Oktober hatten die MieterInnen aller Häuser eine Kündigung auf den 31. Dezember 2003 bekommen.


Pressemitteilung der NutzerInnen von Egocity

Zur aktuellen und allgemeinen Situation im Egocity

Das Viereck.

Es besteht aus vier Gebäuden und befindet sich im Besitz von Andreas Eberle aus Untereggen bei St. Gallen. Lediglich die Liegenschaft Badenerstrasse 97 (Egocity) ist im Privatbesitz von Eberle, während die drei übrigen Häuser (Wyssgasse 9, Wyssgasse11/Ankerstrasse 40 und Ankerstrasse 38) auf eine A + E Immo AG eingetragen sind, als deren einziger Verwaltungsrat Eberle amtet. Die amtliche Baubewilligung für das Grundstück wurde allerdings noch auf eine Dieralto Consulting + Trading AG ausgestellt.

.und die ZKB

Die ursprüngliche Eigentümerin, die Zürcher Kantonalbank (ZKB) hat das ganze Geviert Ende der neunziger Jahre für 2,7 Millionen Franken an Eberle verkauft - ein unüblich tiefer Preis für ein Grundstück an solch zentraler Lage. Andere Kaufinteressenten, wie eine Genossenschaft aus dem Quartier, die dieselbe Summe geboten hat, wurden übergangen. Die ZKB gewährte Eberle ausserdem einen grosszügigen Baukredit in Höhe von mehr als sieben Millionen Franken. Seitdem plant Eberle mit seinem Architekturbüro an dieser Stelle ein Neubauprojekt das von den Baubehörden zunächst mit der Begründung abgelehnt wurde es sei "architektonisch von sehr geringer Qualität" und werde "der Bedeutung des Ortes und den neuen Masstäben, die es setzt, nicht gerecht". So musste Eberle das Projekt laufend überarbeiten und redimensionieren. Er erhielt die rechtsgültige Baubewilligung erst im August 2002. Die ZKB, zur Mehrheit in Besitz der öffentlichen Hand, verpflichtet sich gemäss eigenen Angaben einem Engagement für eine nachhaltige Entwicklung. Sie will "ökologische und soziale Anliegen verstärkt berücksichtigen und dabei auch deren langfristigen vorteilhaften Auswirkungen in Betracht ziehen". Scheinbar sah die ZKB als Finanzgeberin für das Neubauprojekt aber kein Problem in Eberles Geschäftsgebaren.

Der Architekt Eberle, .

Der St. Galler Architekt Eberle steht als sein eigener Bauherr für billiges und mangelhaftes Bauen wie eines seiner Projekte an der Fellenbergstrasse in Zürich-Albisrieden zeigt: Direkt nach Fertigstellung der Eigentumswohnungen gab es diverse Wasserschäden, Dachplatten senkten sich. Ein Zeichen für unvollständig ausgeführte Bauarbeiten und Mängel durch falsche und billigere Materialien. Als ehemaliger Bauzeichner entwirft Eberle und sein Team schnelle Pläne am Computer mit einem einfallslosen Raster, die eine maximale Rendite versprechen. Eberle ist als Architekt in Zürich kein Unbekannter. Sein Büro plante in den achtziger Jahren Neubauten für Milieufiguren wie Rudolf Schnieper und Alfred Schönholzer, unter anderem beim so genannten "Efeuhüsli" oder dem damals stark umstrittenen Projekt an der Zweierstrasse 53. Seine Frau Irene Eberle-Strobel hatte oftmals Anteil an Häusern von Daniel und Alex Hengartner, weiteren bekannten Liegenschaftsbesitzern aus dem damaligen Milieuumfeld. Dass Eberles Machenschaften alles andere als seriös sind zeigt auch ein Vorfall in St. Gallen: Eberle und sein ehemaliger Geschäftspartner und Treuhänder Willy Leuzinger haben mit einem Bauprojekt in Kirchberg (SG) Anfang der neunziger Jahre Subventionsgelder vom Bundesamt für Wohnungswesen ertrogen. Sie wurden verwaltungsintern zu einer hohen Busse sowie der Rückzahlung der Gelder verurteilt. Handwerker, die beim Bau in den Konkurs getrieben wurden, haben ein Strafverfahren wegen Betrug, betrügerischem Konkurs, ungetreuer Geschäftsführung und Misswirtschaft angestrengt. Das Gericht in St. Gallen hat Eberle und Leuzinger aber im August 2003 von diesen Vorwürfen freigesprochen. Trotzdem war dies für die ZKB wohl Grund genug um Eberles Baukredit zu streichen. Seither steht er ohne Kreditgeber da.

. die Verantwortung der Stadt .

Es geht nicht an, wenn Liegenschaften in der Innenstadt abgerissen werden und der Eigentümer nach der Baufreigabe keine genügenden Finanzmittel zum Bauen zur Verfügung hat. Als abschreckendes Beispiel dazu dient das Grundstück an der Bäckerstrasse 51/55: Nach Räumung und Abriss der Häuser im Jahre 1992 ging Besitzer Ambrosetti in Konkurs. Das Resultat war eine verfallene Baubewilligung und eine Brache. Es dauerte geschlagene sieben Jahre bis wieder gebaut werden konnte. Im Viereck soll es keinen Abriss auf Vorrat geben.

Bauherr Eberle projektiert teure Lofts, Maisonettewohnungen, Gewerberaum und Büros, eine schroffe, abweisende und profitorientierte Architektur mit einer maximalen Ausnützung des möglichen Bauvolumen. Die neuen Eigentumswohnungen können sich nur Besserverdienende leisten und die Büroflächen stehen leer wegen dem gewaltigen Überangebot an Büroraum. Als hätten wir davon nicht bereits genug. Das Viereck mit Egocity bedeutet gewachsene, durchaus dichte Quartierstruktur im Kreis 4: Grüner Innenhof, Kleingewerbe, Ateliers, günstiger Wohnraum, Hofküche, Garagenbar und das Egocity ergänzen sich bestens auf engstem Raum und sind vielen öffentlich zugänglich. Orte wie das Viereck sind rar geworden in dieser Stadt. Gerade in Aussersihl braucht es aber solche Nischen und keine weiteren anonymen Neubauten mit verschlossenen Innenhöfen. Dies sollte eigentlich auch im Interesse der Stadt liegen. Längerfristig würde sich nachhaltiges Bauen für die Stadt positiv auswirken und auszahlen. Die benachbarte Genossenschaft "Dreieck" dient als Vorzeigebeispiel für innovatives Bauen. Da wurde Bausubstanz erhalten, renoviert und mit Neubauten ergänzt. Der Innenhof bleibt trotz den Tendenzen der laufenden Stadtentwicklung öffentlich zugänglich. Eine Lösung dieser Art wäre auch im Viereck machbar. Die Stadt steht in der Verantwortung angesichts ihrer Bestrebungen die "Lebensqualität" im Langstrassenquartier zu "verbessern".

Eine Staatsbank verkauft trotz Interessenten aus dem Quartier einem stadtbekannten Spekulanten ein Grundstück an zentralster Lage zu günstigsten Konditionen. Dieser will eine möglichst hohe Rendite erzielen und berücksichtigt weder soziale noch städtebauliche Aspekte bei seinem Neubauprojekt. Die Stadt kauft für teure Steuergelder Milieuliegenschaften zurück, um einer zunehmenden Anonymisierung entgegenzuwirken und eine minimale Sozialstruktur im Quartier aufrechtzuerhalten. Ein solches nachbarschaftliches Verhältnis existiert (noch) im Viereck. Die Stadt Zürich hat Bauherr Eberle zwar nicht gezielt unterstützt, wie das bei vielen anderen Eigentümern von quartierzerstörenden Grossprojekten der Fall war, dennoch wären die Handlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft gewesen: Die Stadt hätte das Grundstück zurückkaufen und im Baurecht an eine Genossenschaft abgeben, oder zumindest als Vermittlerin zwischen Eberle und allfälligen Kaufinteressenten auftreten können. Leider wurden diese Chancen leichtfertig vertan. Stadträtin Martelli ist erstaunt "wie schnell die Baudynamik in der Innenstadt abläuft". Hier wäre die Gelegenheit für den Stadtrat einzugreifen, einen Stopp einzulegen, vielleicht einmal die BewohnerInnen und die Quartierbevölkerung nach ihren Bedürfnissen zu fragen und entsprechend die Stadt weiter zu gestalten.

. und die Alternativen

Im Jahre 2001 wurde der Verein Viereck gegründet. Das Ziel: eine Alternative zu Eberles Bauprojekt auszuarbeiten und einen allfälligen Rückkauf des Grundstücks zu prüfen. Der Verein Viereck hat verschiedene Möglichkeiten einer anderweitigen Nutzung evaluiert. Bedauerlicherweise zeigte Eberle keine Gesprächsbereitschaft. Nach Erteilung der amtlichen Baubewilligung im Herbst 2002 hat der Zürcher Heimatschutz in Zusammenarbeit mit dem Verein Viereck gegen das Bauvorhaben von Eberle Rechtsmittel ergriffen mit der Begründung, die spätklassizistischen Vorstadthäuser seien schützenswert und bei einer Inventarisierung vergessen worden. Der Entscheid der Baurekurskommission war negativ, während jetzt auch das Verwaltungsgericht als zweite Instanz den Rekurs vor einem Monat abgelehnt hat. Anhängig sind zurzeit noch eine untergeordnete Entscheidung bezüglich Näherbaurecht bei einem Nachbargrundstück, sowie die Bewilligung für ein Zusammenbauen mit der Cafébar Schmuklerski (Badenerstrasse 101).

An Ostern 2001 wurde das Egocity mit einer "Karfreitagsprozession" besetzt.
Um ein BetreiberInnenkollektiv herum nutzen seither unterschiedlichste Gruppen das Kultursquat für ihre politischen und vor allem kulturellen Aktivitäten. Dieser Freiraum entzieht sich der herrschenden wirtschaftlichen und rechtlichen Verwertungslogik. Im Egocity finden ausschliesslich unkommerzielle Veranstaltungen statt: Es werden keine Löhne bezahlt und Bands, Kunstschaffende oder DJs erhalten eine kleine Gage. Es entsteht Raum für Experimente und kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten. Diese Kultur ist für alle erschwinglich und steht gegen die Kommerzkultur.
Das Egocity ist stadtbekannt als eine wichtige soziale Nische im Quartier die von Leuten aus der Nachbarschaft wie aus ganz Europa besucht wird und inzwischen breit akzeptiert ist, auch weil immer Rücksicht auf die NachbarInnen genommen wurde. Es ist ein Stück gewachsene Lebensqualität im Langstrassenquartier!

Das Bedürfnis nach alternativem und autonomem Kultur- wie auch Wohnraum ist zehn Jahre nach der Wohlgroth-Räumung stärker denn je. Die Vollversammlung der NutzerInnen von Egocity lehnt das Bauvorhaben von Eberle ab. Eberle residiert auf einem Schlösschen hoch über dem Bodensee mit Blick auf die Alpen. Als Möchtegern-Schlossherr und Jaguar-Fahrer will er nun hier in Zürich-Aussersihl ein Häusergeviert dem Erdboden gleichmachen, das vielen Menschen als wichtigen Lebens- und Arbeitsraum dient.

Wir wollen keine Baufreigabe bzw. Abrissbewilligung für Egocity und Viereck, erst recht nicht solange für das Projekt Eberle keine Klarheit über dessen Finanzierung besteht.

Kein Abriss auf Vorrat.

Wir verlangen eine erneute Prüfung eines alternativen Projektes an diesem städtebaulich zentralen und wichtigen Ort, wie es der Verein Viereck bereits vorgeschlagen hat. Die Stadt würde als Vermittlerin zwischen Eberle und dem Verein Viereck oder anderen Kaufinteressenten auftreten. Wir fordern eine Lösung am Runden Tisch.

Die Stadt gehört Allen - nicht nur Menschen mit Geld, sondern auch den Menschen die da wohnen, arbeiten und leben.

Zürich, 10. November 2003 - presse@egocity.net - http://www.egocity.net