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Todesschüsse eines Basler Polizisten - Der Fall Michel Hercouët

11.02.2004, 14:16, Georg Warning

Grenzregime | Basel | Polizei | amnesty international

Im August 2001 wurde Michel Hercouët auf der Flucht von einem Basler Polizisten auf französischem Territorium erschossen. Amnesty International interessierte sich für diesen Fall, weil strittig war, ob der Schusswaffengebrauch legitim war.


Seit 9. Februar 2004 läuft nun ein Prozess gegen den beschuldigten Polizisten vor einem Geschworenengericht in Colmar (Frankreich).

Interessant ist, dass die offiziöse Darstellung des Vorfalls, wie sie in der Basler Zeitung (BaZ) und der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 10. Februar 2004 und in den Nachrichten des Senders DRS 3 vom Vortag präsentiert wurde, ausschließlich die Polizeiversion des Vorfalls wiedergibt. Die Aussagen der Beifahrerin, die angibt, keinen Polizisten vor ihrem Auto gesehen zu haben und damit den Angaben der Polizisten in einem zentralen Punkt widerspricht, taucht in diesen Meldungen nicht auf. Auffällig ist auch, dass die beiden Zeitungen (BaZ, NZZ) den Flüchtenden als Franzosen bezeichnen, während er laut ai schweizerische und französische Staatsbürgerschaft besaß. Nach der offiziellen Version hat der jetzt angeklagte Polizist das Feuer auf den Fahrer eröffnet, als dieser auf seinen Kollegen zufuhr. Das wäre eine Situation, in der auch nach UN-Grundsätzen der Schusswaffengebrauch zulässig wäre. Typisch ist, dass die Basler Zeitung zwar auf das baselstädtische Polizeigesetz Bezug nimmt (Achtung: es gibt zwei Basler Kantone: Basel-Land und Basel-Stadt), aber so tut, als gäbe es keine internationalen Regeln hierzu. Die UN-Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schußwaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen von 1990 sind nicht nur den Journalisten, sondern anscheinend auch der Polizei im aktiven Dienst weitgehend unbekannt.

Es stellt sich nämlich die Frage, ob Formulierungen des Basler Polizeigesetzes, wonach die Beamten eine gefährliche Person auch notfalls mit der Waffe an der Flucht hindern müssten, mit UN-Normen vereinbar sind. Da wird nämlich nicht mehr auf eine bedrohliche Situation abgestellt, sondern auf den Charakter einer Person.

Möglicherweise ist es auch hierauf zurückzuführen, dass der angeklagte Polizist versucht, den Fahrer des Fluchtautos als besonders rücksichtslos darzustellen. Die Zeitung 'L'Alsace', aus der der französische Artikel stammt, hatte übrigens kurz nach den Ereignissen ein Interview mit der Freundin des Erschossenen abgedruckt, die zusammen mit ihrem 11-jährigen Baby auf dem Beifahrersitz saß. Diese Tatsache taucht in den drei genannten schweizer Berichten nicht auf. L'Alsace schreibt, dass der Erschossene ein drogensüchtiger Wiederholungstäter (Autodieb) war, kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassen wurde und noch unter richterlicher Aufsicht stand. Dass dies in der offiziösen Berichterstattung nicht gemeldet wurde, zeigt zumindest, dass die Polizeiorgane und ihre politischen Verantwortlichen nicht den Weg des Rufmords am Opfer gewählt haben, um ihr Handeln zu verteidigen. In Deutschland ist dergleichen mehrmals geschehen (z.B. nach dem Tod von Amir Ageeb bei der Abschiebung, oder via Focus gegen einen von der Frankfurter Polizei Misshandelten.) L'Alsace berichtet, dass der angeklagte Polizist sowohl von französischen Polizisten wie von seinem Basler Vorgesetzten bestens beurteilt wurde. Sein Vater war ebenfalls Polizist, seine Mutter hatte einen Zeitungskiosk, er selbst hatte eine Ausbildung als Automechaniker absolviert und war mit 22 zur Polizei gegangen. Jetzt ist er 39. Der Angeklagte befindet sich auf freiem Fuß.

Grüße Georg Warning, ai 2337, Postfach 5329, D-78432 Konstanz Konstanz, den 10.2.2004

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http://www.nzz.ch/2004/02/09/vm/page-newzzDQGESYSA-12.html

9. Februar 2004, 11:39, NZZ Online
Prozess gegen Basler Polizisten

Todesschüsse auf Autodieb nach Verfolgungsjagd
Wegen tödlicher Schüsse auf einen Autodieb steht ein Basler Polizist seit Montagmorgen vor dem Geschworenengericht in Colmar (F). Die Schüsse fielen 2001 unweit der Landesgrenze nach einer Verfolgungsjagd mitten in der Nacht auf französischem Boden.

(sda) Eine Polizeipatrouille hatte im August 2001 in Basel ein gestohlenes Auto entdeckt und es verfolgt. Nach einer wilden Jagd blieb der Flüchtige auf einer kleinen Strasse zwischen Familiengärten stehen. Zwei der drei Polizisten stiegen aus und gingen zum Auto. Als der Dieb - ein 27-jähriger Franzose - plötzlich auf sie los fuhr, schossen sie.

Drei Schüsse trafen den Autodieb, alle aus der Waffe des einen Polizisten. Dieser ist nun in Colmar angeklagt, weil sich das fatale Rencontre auf französischem Territorium abspielte: Die Patrouille hatte ohne es zu bemerken die Landesgrenze überfahren. Der Fahrer wurde nicht angeklagt, das Verfahren gegen den zweiten Schützen eingestellt.

Zuchthaus möglich

Der auf vier Tage angesetzte Prozess vor einem zwölfköpfigen Geschworenengericht hat am Montag früh im Beisein zahlreicher Medienschaffender auch aus der Schweiz begonnen. Die neun Laien-und drei Profirichter müssen nun beurteilen, ob die Schussabgabe angemessen war.

Die Anklage bezweifelt dies und und wirft dem 39-jährigen Todesschützen vorsätzliche Körperverletzung mit unabsichtlicher Todesfolge in Amtsausübung vor. Dafür ist ein Strafmass von bis zu 20 Jahren Zuchthaus möglich - die Verteidigung dürfte mit Notwehr argumentieren und auf Freispruch plädieren.

Der Prozess hat mit der Befragung zur Person begonnen. Danach folgen über ein Dutzend Zeugen und Experten. Unter anderem ist ein ballistisches Gutachten zur Flugbahn der tödlichen Kugel erstellt worden. Nach den Plädoyers zieht sich das Gericht zur Beratung zurück, bevor es voraussichtlich am Donnerstag das Urteil spricht.

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http://www.baz.ch/news/index.cfm?keyID=C1723B82-3730-4DA5-88B7DAEFC3372DD6&ObjectID=F978D5FA-7CAE-4955-8745FF1B45C2360A

letzte Änderung: 10.02.04 15:26

Basler Polizist vor Gericht: Unklares Grenzschild

Colmar. SDA/BaZ. Das Geschworenengericht in Colmar (F) hat sich am Dienstag mit den Gründen für die tödlichen Schüsse eines Basler Polizisten auf einen Autodieb auf französischem Grenzgebiet befasst. Die Urteilsverkündung ist auf Donnerstag angesetzt.

19 Schüsse gaben zwei Polizisten einer dreiköpfigen Patrouille im August 2001 ab, als sie den 27-jährigen Franzosen nach einer Verfolgungsjagd festnehmen wollten. Der Mann habe nach einem Halt plötzlich Vollgas gegeben und damit den vor dem Auto stehenden Polizisten gefährdet, sagte der Angeklagte am zweiten Prozesstag.

Gemäss Paragraf 48 des baselstädtischen Polizeigesetzes seien die Beamten verpflichtet, ihren Revolver angemessen einzusetzen, wenn sie oder jemand anders unmittelbar bedroht oder angegriffen würden. Sie müssten eine gefährliche Person auch notfalls mit der Waffe an der Flucht hindern.

Suboptimale Schussposition

Der Flüchtige sei nicht nur mit Tempo 100 über Kreuzungen gejagt, sondern hätte fast den Polizisten überfahren, der ihn mit gezogener Waffe zum Anhalten aufgefordert habe, sagte der Angeklagte weiter. Er sei «schockiert» gewesen über die Brutalität des Diebes.

Er selbst habe auf den Pneu, dann auf den Motor und zuletzt auf die Beine des Fahrers gezielt, um ihn zu stoppen. Erst nach dem letzten Schuss aus fünf Metern sei das Auto im linken Graben gelandet - weiterhin mit Vollgas.

Zuerst direkt neben dem Fluchtauto, mit gezogenem Revolver auch «Halt, Polizei!» rufend, und danach in der Drehung habe er jedoch keine gute Schussposition gehabt: Er habe mit gebeugten Armen schiessen müssen. Als die Heckscheibe wegen einer Kugel barst, habe er aufgehört.

Landesgrenze unklar beschildert

Der Angeklagte schoss zwölf Mal in zwei Salven, die zweite langsamer und gezielter, wie er sagte. Drei seiner Kugeln trafen den Autodieb. Der zweite Polizist, der sich mit einem Sprung vor dem lospreschenden Auto rettete, gab sieben Schüsse ab, von denen keiner den Mann traf.

Der Angeklagte erklärte auch, warum er sich noch auf Schweizer Boden wähnte: Auf der realen Grenze an jener Basler Quartierstrasse stehe auf einem grossen Schild «1 km bis zur Grenze». Er habe so immer geglaubt, dass die Landesgrenze beim französischen Zollhäuschen einen Kilometer weiter liege.

Der Flüchtige sei aber schon kurz nach jenem Schild in spitzem Winkel nach rechts abgebogen. Daher habe er geglaubt, dass jener statt nach Frankreich zurück in die Stadt fuhr.

Link zur Polizei des Kantons Basel Stadt: http://www.polizei.bs.ch/


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http://www.alsapresse.com/jdj/04/02/10/RP/article_17.html



Mardi 10 février 2004

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Un policier au-dessus de tout soupçon

La cour d'assises du Haut-Rhin juge depuis hier Beat Meyer, le caporal de police bâlois accusé d'avoir mortellement blessé un jeune délinquant à l'issue d'une course poursuite.

Ce sont des jardins familiaux calmes et proprets, dans une zone mal définie de Bourgfelden, entre Saint-Louis et Bâle, entre la Suisse et la France, que les frontaliers appellent la frontière verte.

C'est une route « qui devient au bout d'une centaine de mètres un chemin de terre quasiment impraticable, où Michel Hercouët avait peu de chances de s'en sortir ». C'est ce qu'a expliqué hier devant les jurés du Haut-Rhin le commandant de police Bernard Ragni, ancien chef de la brigade de Saint-Louis. Michel Hercouët ne s'en est pas sorti. Le 23 août 2001, il a trouvé la mort à 700 mètres de la frontière réelle, côté français, poursuivi par des policiers suisses. Avec sa compagne Laetitia et leur bébé de onze semaines à peine, il venait de dérober une auto à Bâle. Voleur de voitures : la « spécialité de ce multirécidiviste » mais aussi « toxicomane, sorti de prison peu de temps auparavant et soumis à un contrôle judiciaire qu'il ne respectait plus en dernier lieu », a ajouté M. Ragni. L'auteur des « violences volontaires ayant entraîné la mort cde Michel Hercouëts sans intention de la donner » est Beat Meyer, 39 ans. Devant les assises de Colmar où il comparaît, libre, depuis hier, ce caporal de police du canton de Bâle-Ville, grand, calme, en costume-cravate, raconte d'abord son enfance.

" Il devient le chef d'une patrouille qui intervient sur les points chauds" « Une enfance normale dans le cadre d'une famille normale », dit-il. Le père est policier, la mère tient un kiosque à journaux. À l'école, Beat est un « élève moyen. Pas le premier de la classe mais j'ai toujours suivi ». Plus tard, il fait un apprentissage de mécanicien auto mais c'est vers la profession de policier qu'il va se tourner à 22 ans. « Qu'attendiez-vous de la police ? », lui demande la présidente Frédérique Jovet. « La variété. Apprendre de nouvelles choses, répond l'accusé. J'aimais aussi aider les gens ». Policier de base pendant cinq ans, il est promu caporal en 1992. Le début d'une carrière de terrain, comme chef d'une patrouille qui intervient sur les points chauds, « une alarme dans une banque ou une bagarre », et qui « était toujours en alerte ». Marié, père d'une fillette de 6 ans, sportif, éleveur de deux chevaux, c'est une vie d'action qui plaît à Beat Meyer. Et qui lui vaut d'être apprécié de ses supérieurs. La présidente cite : « Collaborateur agréable », « sait motiver les jeunes », « missions toujours exécutées rapidement ». C'est dans le cadre de l'une d'elles, particulièrement expéditive, qu'il prend en chasse, ce jeudi 23 août 2001, Michel Hercouët, le voleur de voitures. Lui et son collègue ouvrent le feu. Le collègue sept fois. Lui tire douze balles, dont trois atteignent le fuyard. Après les faits, Beat Meyer ne fait l'objet d'aucune procédure disciplinaire, simplement il quitte le terrain pour le poste central d'intervention. « Mes supérieurs m'ont aidé », dit-il.

" Le genre d'hommes qui irradient une certaine maîtrise"
Hier, le chef de la police cantonale lui-même, Roberto Zalunardo, est venu à Colmar en uniforme pour manifester son « soutien » à son collaborateur et « exprimer » sa « pleine confiance dans la justice française ». Parmi les premiers témoins, des policiers français ont eux-aussi dit tout le bien qu'ils pensaient de l'accusé - son « comportement irréprochable » pour l'un, « le genre d'hommes qui irradient une certaine maîtrise » note l'autre -, en soulignant tout le mal que leur inspire, à l'inverse, la victime. Aujourd'hui, deuxième journée du procès. Le verdict est attendu jeudi.

Hervé Kielwasser

Beat Meyer (à droite) à son arrivée au tribunal hier.


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amnesty international

C O N C E R N S I N E U R O P E
July - December 2001



S W I T Z E R L A N D

Auszug:

AI wrote to the relevant authorities to express concern at the fatal shooting of Michel Hercouët by two officers of the Basel-Stadt Cantonal police in August 2001 and at reports that the officers might have used their firearms against unarmed people in a situation where there was no clear danger to the officers' lives or the lives of others, and thus in a manner violating the minimum standards of international law.
The shooting occurred on French territory following a brief car chase which began on Swiss territory. It was reported that Michel Hercouët, a holder of both French and Swiss citizenship, was unarmed and in the driving seat of a stolen car while his partner, Lætitia Gugenberger, also unarmed, and carrying their 11-week-old son in her arms, was in the front passenger seat when two Basel-Stadt police officers fired 18 or 19 bullets in their direction from a distance of several metres. Subsequent autopsy and forensic tests established that Michel Hercouët was hit by three bullets: one entering the back of his head and causing his death, one lodging itself in his left thigh and one grazing his head. All the bullets struck him either from the side or behind, with the fatal shot to his head apparently fired from a position behind and to the left of him.
In view of contradictory versions of events given by Laeticia Gugenberger and the police, AI welcomed the prompt opening of a criminal investigation into the full circumstances surrounding Michel Hercouët's death by the Public Prosecutor's office in Mulhouse, France, and the referral of the dossier to an investigating magistrate. On 25 August 2001, the investigating magistrate in Mulhouse placed two Basel-Stadt police officers under formal investigation in connection with a possible charge of "deliberate force causing unintentional death, committed by public officers in the performance of their duty" and on 27 August, on the orders of the head of the canton's Police and Military Department, they were barred from armed duties for the duration of the criminal proceedings. (For further information see Switzerland - The fatal shooting of Michel Hercouët by officers of the Basel-Stadt Cantonal Police, AI Index: EUR 43/009/2001)



Concerns in Europe July - December 2001 SWITZERLAND





Concerns in Europe July - December 2001 SWITZERLAND



AI Index: EUR 01/002/2002 Amnesty International

Amnesty International AI Index: EUR 01/002/2002


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