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Schmutzige Karstadt-Kleidung

06.03.2004, 08:42, Reimar Paul

Globalisierung | Göttingen | Attac | Karstadt | Dritte Welt

Nach Protesten von ATTAC und anderen Organisationen hat der Karstadt/Quelle-Konzern eine Anzeige gegen den Göttinger Studenten Malte Klar wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung zurückgezogen. Mit diesem Schritt betone das Unternehmen seine Bereitschaft zum Dialog mit Kritikern, sagte am Freitag der Direktor für Umwelt- und Gesellschaftspolitik, Heinz-Dieter Koeppe. Das Unternehmen sei »offen für die konstruktive Diskussion gesellschaftspolitischer Themen«.


Karstadt/Quelle hatte Klar im vergangenen August nach einer »alternativen Stadtführung« in Münster im Rahmen der »Kampagne für saubere Kleidung« angezeigt. Der Student, der auch Mitglied bei ATTAC ist, hatte vor und in verschiedenen Warenhäusern auf die miserablen Arbeitsbedingungen von Näherinnen hingewiesen, die in Ländern der »Dritten Welt« für europäische Bekleidungs- und Einzelhandelskonzerne wie Karstadt schuften. Die Geschäftsleitung des Münsteraner Hauses war über die Kritik »not amused« und rief die Polizei. Beamte eskortierten die Gruppe schließlich aus dem Kaufhaus und begleiteten sie zu den weiteren Stationen der Stadtführung.

Teilnehmer der Stadtführung haben beteuert, daß Klar während des Aufenthaltes bei Karstadt kein Produkt angefaßt oder gar beschädigt habe. Auch habe es keine Aufforderung gegeben, das Gebäude zu verlassen. Die »Kampagne für saubere Kleidung« und ATTAC kritisierten die Anzeige als Verfolgung mißliebiger Positionen.

Karstadt/Quelle-Direktor Koeppe erklärte dagegen, die Anzeige habe sich »nicht gegen die Freiheit der Meinungsäußerung« gerichtet. Anlaß seien allein die »erfolgte Sachbeschädigung an Waren« sowie die Weigerung Klars gewesen, die Filiale trotz Hinweis auf das Hausrecht zu verlassen.

ATTAC-Pressesprecher Malte Kreutzfeldt begrüßte auf Anfrage von junge Welt die Rücknahme der Anzeige. Damit sei es aber nicht getan. Karstadt/Quelle müsse seine Produktionsbedingungen von unabhängiger Seite kontrollieren lassen.

Die »Kampagne für saubere Kleidung« setzt sich in Deutschland seit 1995 für soziale Mindeststandards in der Bekleidungsindustrie ein. Mitglieder des Zusammenschlusses sind 18 Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen sowie evangelische und katholische Initiativen. Zur letzten Fußballweltmeisterschaft in Südkorea und Japan rief die Kampagne die großen Sportartikelhersteller auf, die Mißstände in den ausländischen Zulieferbetrieben abzustellen und eine unabhängige Kontrolle einzurichten. In Indonesien, beim Adidas-Zulieferer PT. Panarub, erhielten die Näherinnen gerade mal einen Mindestlohn von 60 US-Dollar im Monat – nicht genug, um eine Familie zu ernähren. Arbeitszeiten bis zu zwölf Stunden am Tag sind dort nach Angaben der Näherinnen normal – auch an Feiertagen. Viele Frauen seien gezwungen, ihre Kinder wegzugeben, hieß es seitens der Kampagne.

Auch in anderen Ländern Asiens, Mittelamerikas oder Osteuropas gelten die Arbeitsbedingungen in den Großfabriken der Textilbranche als menschenverachtend. »Die Frauen schweigen und arbeiten wie verrückt, weil sie Angst haben, entlassen zu werden«, berichtet Verka Vassilva von der Kampagne in Bulgarien. Viele der 3 000 bulgarischen Nähbetriebe waren ursprünglich Viehställe. Es gebe keine Heizung, keine Notausgänge, die Maschinen seien veraltet.


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