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Und die Süddeutsche Zeitung.

24.03.2004, 10:37, bio-supermärkte.de (Süddeutsche...)

Repression | Aichstetten | Polizeieinsatz

Skandal: Polizei überfällt Bio-Hof


Skandal: Polizei überfällt Bio-Hof.
Quelle: Süddeutsche Zeitung.
Am Morgen des 10. Februars kam ein 250 Personen starkes Einsatzkommando der Polizei auf den Sankt-Michaelshof in Aichstetten bei Memmingen. Sie trugen Gesichtsmasken und Schutzwesten, traten Türen ein und ging während des fünfstündigen „Überfalls“ recht rüde mit den zehn anwesenden Bewohnern des Bio-Hofes um. Gegen den Hof lag ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Leutkirch vor, da die Staatsanwaltschaft den Verdacht hegt, dass zwei Produkte, die der Hof neben Gemüse und Salaten auf bayerischen und württembergischen Wochenmärkten anbietet, gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen. Es handelt sich um eine Salbe aus Bienenwachs, Ringelblumen und anderen Pflanzen, die beispielsweise dabei helfen soll, eine freie Nase zu bekommen. Stein des Anstoßes ist das Wörtchen "atemfrei" auf dem Etikett. Sie ist dem Landratsamt Lindau und dem chemischen Veterinärsuntersuchungsamt in Sigmaringen seit einiger Zeit bekannt und kann von jedermann im Internet bestellt werden. Ungeachtet dessen hielt die verantwortliche Polizei und Staatsanwaltschaft im württembergischen Ravensburg, den Einsatz mit einem so großen Team offenbar für notwendig. Ravensburgs Polizeisprecher Michael Kuhn verwies auf das große Gelände des Michaelshofes und rechnete zudem mit „erheblichem Widerstand“, da einst Mitarbeiter des Wirtschaftskontrolldienstes barsch an der Tür abgewiesen worden seien, als sie um Auskunft über die entsprechenden Produkte gebeten hätten. Im Übrigen, so Kuhn weiter, solle man sich mal ein bisschen in Aichstetten umhören, um die Hintergründe für diesen immerhin etwa 70 000 Euro teuren Einsatz zu verstehen.

Bei Kommunalpolitikern, Journalisten und Rathausmitarbeitern hört man Gerüchte und Vermutungen, die im weitesten Sinne mit dem Lebens- und Arbeitsstil der Bio-Landwirte zu tun haben. Auf dem Hof leben seit 15 Jahren sechs Familien in einer Lebensgemeinschaft. Im Dorf stelle man sich Fragen nach dieser WG, die immer mehr Gewächshäuser baue und offenbar viel Geld mit diesen biodynamischen Produkten verdiene, so ein Gemeinderat. Obwohl die Menschen auf dem Hof eigentlich nett seien, könne niemand ausschließen, dass es sich nicht vielleicht um eine Sekte handele, sagt eine andere Bürgerin. Für Michael Kuhn und seine Kollegen waren diese Gerüchte anscheinend Anlass genug, mit aller Härte vorzugehen.

Die Hofbewohner berichten, einige von ihnen seien auf den Boden gestoßen, mit Kabelbindern gefesselt und beschimpft worden. Als eine Frau, nachdem sie fast eine Stunde auf dem Bauch liegen musste, nach einem Getränk fragte, habe ein Beamter gesagt: „Kriech doch nach draußen und friss Schnee.“ Ärztliche Atteste, die nach der Durchsuchungsaktion eingeholt wurden bescheinigen verschiedene Verletzungen. Der Ravensburger Oberstaatsanwalt Gerhard Schurr versprach, diese Vorwürfe prüfen lassen und lässt durchblicken, dass auch er „die Größe des Einsatzes mit einer gewissen Verwunderung“ zur Kenntnis genommen habe, da er „nicht im Verhältnis zur Anschuldigung“ stehe. Die Ermittlungsergebnisse würden derzeit noch ausgewertet.

Eine Sprecherin des Hofes erklärte gegenüber Bio-Supermaerkte.de, die Polizei sei mit massiver Gewalt gegen Menschen und Tiere auf dem Hof vorgegangen. "Das ist eine Erfahrung, ein Horrorszenario, das ich niemandem wünsche", sagte Andrea Heppeler. Die Hofbewohner seien der Polizeiwillkür hilflos ausgeliefert gewesen, auch vor Übergriffen gegen einen schwerbehinderten Mitbewohner haben die Beamten nicht Halt gemacht. "Die Behörden haben ihre Pflichten gröblich verletzt, da sie vor dem Einsatz keine Informationen über uns eingeholt haben", so Heppeler weiter. Der St. Michaelshof hat bei der Staatsanwaltschaft und beim Landgericht Beschwerde eineglegt und behält sich Anzeige wegen Körperverletzung vor. Die Staatsanwaltschaft sicherte eine Überprüfung zu. Der St. Michaelshof ist Mitglied im Demeter-Bund, der ebenfalls seine Hilfe und Unterstützung zugesagt hat. (02.03.2004)


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