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letzte Änderung: 07/05/04 14:21

Arbeitskampf

Miese Tricks

06.05.2004, 16:52, Nick Brauns

Kein Betriebsrat bei Aldi Süd. Unternehmen soll Wahl hintertrieben und Zeitung abgestraft haben


Nick Brauns, München

Miese Tricks

Kein Betriebsrat bei Aldi Süd. Unternehmen soll Wahl hintertrieben und Zeitung abgestraft haben

Auf Platz drei der Liste der reichsten Männer der Welt setzte das US-Wirtschaftsmagazin Forbes zu Jahresbeginn den 84jährigen deutschen Unternehmer Karl Albrecht und seinen Bruder Theo. Beide sind Eigentümer des Lebensmitteldiscounters Aldi, dessen Unternehmenswert auf 25 Milliarden Euro geschätzt wird. Während Theo Herrscher über den Norden der BRD ist, bestimmt Karl über Aldi Süd, obwohl sich beide vor einigen Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen haben.

Aldi ist ein Konzern mit gewaltiger Marktmacht. Nur Betriebsräte sind Mangelware in den rund 3 500 deutschen Filialen. Während im nördlichen Teil des Familienimperiums immerhin etwa zwei Dutzend Betriebsräte existieren, versucht das Management in den rund 1 500 süddeutschen Filialen, dies weiterhin mit allen Mitteln zu verhindern.

Arbeitshetze gehört nach Gewerkschaftsangaben bei Aldi zum Alltag. Nicht zuletzt wegen der Arbeitsbedingungen hatten drei Angestellte einer Aldi-Filiale in München-Großhadern Anfang April die Initiative für die Bildung eines Betriebsrats ergriffen. Das Management reagierte Presseberichten zufolge mit massiven Behinderungen. Eine Mitarbeiterin sei am Arbeitsplatz bespitzelt worden, um herauszufinden, wer hinter der Betriebsratskampagne steckt. Ein Filialleiter soll mit der Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld gedroht haben. So berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ), daß bei einer Filialversammlung Anfang April ein Regionalgeschäftsführer sich weigerte, den Raum zu verlassen.

Um individuelle Einschüchterungen zu erschweren, beschloß ver.di, mehrere in einem Bezirk zusammengeschlossene Aldi-Filialen zur gemeinsamen Vorbereitung der Betriebsratswahl zu rufen. Der SZ zufolge schien die Idee eines Betriebsrates auf Zustimmung zu treffen. Schließlich folgten Ende April gleich 50
von 54 Wahlberechtigten dem Aufruf zur Betriebsversammlung in einem Münchner Hotel. Doch dann sei es einer Kollegin herausgerutscht: »Wir sind hier, um die Betriebsratswahl aufzuhalten.« Bis auf die drei Initiatorinnen stimmten alle anwesenden Mitarbeiter gegen die Gründung eines Wahlvorstandes zur Vorbereitung der Betriebsratswahl.

Jasna Schmidt, die zu den Initiatorinnen der Betriebsratskampagne gehört, werde nun vom Filialleiter nur noch allein in die Mittagspause entlassen, um sie von ihren Kolleginnen zu isolieren. »Wenn wir nicht rechtzeitig Öffentlichkeit organisiert hätten, wären die Initiatorinnen der Betriebsratswahl längst rausgeflogen«, meinte Dagmar Rüdenburg von ver.di München in der SZ.

Diese Öffentlichkeit könnte das Blatt, das im Lokalteil über die Schikanen der Unternehmensführung berichtete, jetzt teuer zu stehen kommen. Offenbar aufgrund der kritischen Berichterstattung hat Aldi eine zweimal wöchentlich erscheinende ganzseitige Werbung in der Zeitung stoppen lassen. Mit einer Verleumdungsklage hatte man bei der SZ durchaus gerechnet. Doch Aldi konterte offenbar mit ökonomischem Druck. Bislang jedenfalls berichtet die SZ weiter über die Vorgänge beim Discounter.

Jetzt geht der Kampf um den Aldi-Betriebsrat in die nächste Runde. Ver.di-Anwalt Rüdiger Helm hat unter Berufung auf das Betriebsverfassungsgesetz beim Arbeitsgericht beantragt, einen Wahlvorstand aus den drei Initiatorinnen der Kampagne sowie Gewerkschaftssekretärin Rüdenburg gerichtlich einzusetzen. In geheimer Wahl könnte die Aldi-Beschäftigten demnächst zeigen, wie sie wirklich zum Betriebsrat stehen.