Andere Zeiten

08.07.2004, 20:52, Hans Paul Lichtwald

zur Schließung der Teestube

Andere Zeiten

Wir erleben derzeit einen Wandel in der Einschätzung von Einrichtungen und Organisationen. Es fehlt das Geld für Liebhabereien, auch wenn sie noch so wichtig in unserer Gesellschaft schienen. Die Singener Teestube war so eine: Auf dem Höhepunkt der ersten großen Drogenwelle war sie in Singen eingerichtet worden, als Anlaufstelle für Drogenkonsumenten, die Hilfe angeboten bekamen. Ein großer Mann wie der Singener Chefarzt Professor Heinz Rübsamen stand damals hinter dem Drogenverein im Landkreis Konstanz. Er hielt jenen Akteuren den Rücken frei, die sich um jeden einzelnen jungen Menschen kümmerten, der drogengefährdet war. 1977 hatte die Drogenbusaktion des Landes in Singen ihren einzigen großen Erfolg: 5000 Besucher in einer Woche. Der Stadtjugendring Singen machte es möglich. Doch irgendwann haben wir begonnen, die Drogensucht zu verwalten. Sie gehörte zum Tagesgeschehen, Todesmeldungen schreckten kurz auf. Und für den Rest gab es ja Beratungsstellen und die Teestube. Ja, sie war ein Relikt geworden, ein Stück Nostalgie. Und es ist kein Zufall, dass zeitgleich mit den Finanzkürzungen für die Radolfzeller Alkoholberatungsstelle des BLV die Teestube in Singen geschlossen wird. Es sind heute andere Zeiten. Das Geld wird neu verteilt, so in mehr Schulsozialarbeit (so OB Renner gestern). Da muss man aber aufpassen, dass es um die eigentlichen Probleme hinterher nur noch stiller wird.