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Uralte Vorurteile

12.07.2004, 18:27, Ulla Jelpke

sonstige | Cannabis | Spiegel

»Der Spiegel« und sein Machwerk gegen Cannabiskonsumenten


Uralte Vorurteile

»Der Spiegel« und sein Machwerk gegen Cannabiskonsumenten

Spiegel-Leser haben sich am Montag verwundert die Augen gerieben. Das Titelbild des Hamburger Nachrichtenmagazins ziert ein kleines Mädchen vor dem Schulportal, das einen riesigen Joint in Form einer Schultüte in den Armen hält. In der Hausmitteilung erfährt man, daß sich Kollegen aus dem Deutschland-Ressort des Cannabisthemas angenommen haben. Dieser Einstieg läßt schon nichts Gutes ahnen. Die Titelgeschichte selbst übertrifft dann auch alle Befürchtungen. Statt aufklärerischem Anspruch zu genügen, werden Uraltvorurteile wie die x-fach widerlegte These von Haschisch als Einstiegsdroge aufgewärmt. Aus Einzelschicksalen von Jugendlichen wird ein Horrorszenario über die verderblichen Wirkungen von Cannabis entwickelt. Aus der Schilderung von Antriebsarmut und Entwicklungsstörungen, die es ja durchaus manchmal geben mag – wobei Ursache und Wirkung erst noch zu klären wären – wird eine Theorie entwickelt, die sich großspurig als Widerlegung der Irrtümer über Cannabis aufplustert und diesen Stoff als außerordentlich gefährlich darstellt. Jedes kleinbürgerliche Klischee wird bedient, keine Angstmache von drohender Impotenz bis Paranoia wird ausgelassen.

Dies alles wird verbunden mit ironischen Seitenhieben auf die 68er Generation, so daß man sich die Frage stellt, ob ein redaktionsinterner Generationenkonflikt die Ursache für den Artikel ist, den man eher in der Bild-Zeitung als im Spiegel vermutet hätte. Zumal interessant wäre, welcher Prozentsatz an Spiegel-Redakteuren selbst regelmäßig kifft. Niedrig dürfte diese Zahl nicht sein. Wie auch immer, die Redaktion und Chefredakteur Stefan Aust haben es jedenfalls zugelassen, daß dieses Machwerk als Titelgeschichte Einzug in den Spiegel fand, dessen Gründer und jahrzehntelanger Herausgeber Rudolf Augstein schon vor mehr als dreißig Jahren die freie Entscheidung über den Umgang mit Drogen für sich beansprucht hat, als er wegen Drogenbesitzes in Korsika für eine Nacht inhaftiert worden war.

Zur Debatte über eine rationale Drogenpolitik und die Sinnlosigkeit der Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten trägt der Artikel absolut nichts bei. Die Autoren werden von konservativen Hardlinern als Kronzeugen für eine Null-Toleranz-Linie zitiert werden. Dabei liefert der Artikel selbst ein anschauliches Beispiel für den Unfug, Polizisten auf Haschischraucher anzusetzen und erstere zu kriminalisieren. Aus einer Kleinstadt im Schwarzwald mit dem bezeichnenden Namen Freudenstadt wird berichtet, man habe über 200 haschischrauchende Schüler ermittelt. Will man die alle von der Schule werfen und in den Knast stecken?

Einerseits werden die schlimmsten Ängste an die Wand gemalt, andererseits wird in dem Artikel selbst erwähnt, daß nahezu alle Cannabiskonsumenten in der Lage sind, jederzeit den Konsum zu beenden, wenn sie wollen. Aber der selbstverantwortliche Umgang mit Drogen wird ebenso wenig thematisiert wie die Frage, welches Recht sich der Staat herausnimmt, mit Cannabiskriminalisierung in die Privatsphäre von freien Bürgern einzugreifen.

Über die jahrzehntelange politische Debatte dieser Fragen wird nicht berichtet, lediglich die frühere Grünen-Vorsitzende und heutige Bundestagsabgeordnete Claudia Roth wird beiläufig zitiert, allerdings versehentlich als »Petra« Roth – das ist allerdings in Wahrheit die CDU-Oberbürgermeisterin von Frankfurt/M.


Ulla Jelpke


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