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letzte Änderung: 21/07/04 10:29

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Polizeiskandale ohne Ende

21.07.2004, 10:29, Ulla Jelpke

Spezialeinsatzkommando aus Nordrhein-Westfalen wegen schwerer Vorwürfe aufgelöst


Polizeiskandale ohne Ende

Spezialeinsatzkommando aus Nordrhein-Westfalen wegen schwerer Vorwürfe aufgelöst

Dieser Fall sucht seinesgleichen in der Geschichte der deutschen Polizei. Am vergangenen Donnerstag (15. Juli 2004) wurde ein ganzes Spezialeinsatzkommando (SEK, etwa 40 bis 50 Mann) des Landes Nordrhein-Westfalen in Köln aufgelöst. Gegen fünf SEK-Beamte ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und anderer Straftaten. Am frühen Morgen des 15. Juli 2004 hatten Kollegen bei sieben Mitgliedern einer SEK-Gruppe die Wohnungen durchsucht. Die sieben Polizisten mußten zum Verhör und wurden vom Dienst suspendiert.

Seither überschlagen sich die Meldungen. Am Dienstag wurde bekannt, daß ein in die Affäre verwickelter Elite-Fahnder zum Drogentest mußte. »Wir werden eine Haaranalyse durchführen, um den eventuellen Drogenkonsum des Mannes herauszufinden«, bestätigte Staatsanwalt Günther Feld gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger. Die Witwe des im Februar bei einer Übung erschossenen SEK-Beamten hatte den Ermittlern gesagt, daß Rauschgift im Leben der Elitepolizisten eine Rolle gespielt habe. Der Staatsanwalt ermittelt unter anderem wegen Drogenschmuggels in einem Autoreifen. Die SEK-Truppe soll nach Informationen des Bonner Generalanzeigers vom 16. Juli 2004 Haschisch in Autoreifen von Skandinavien nach Köln befördert haben. Im Raum stehe zudem der Verdacht, daß die Beamten zuweilen im Einsatz benebelt gewesen seien. Dieses letztere Detail interessiert vor allem die Boulevardpresse. Aber den Beamten werden außerdem Körperverletzung im Amt, Diebstahl und Strafvereitelung vorgeworfen. Vor allem in der jüngeren Vergangenheit gab es Meldungen über Fehlgriffe dieses Kommandos. Einmal soll mit brutaler Gewalt der falsche Mann verhaftet worden sein, ein anderes Mal wurde »versehentlich« die Wohnungstür einer Hausfrau eingetreten, obwohl man eigentlich den nebenan wohnenden Drogendealer festsetzen wollte. Der Leiter der Staatsanwaltschaft, Jürgen Kapischke, sprach laut ntv vom 15. Juli 2004 von einem besonders »erschreckenden und gravierenden Fall«. Die Beschuldigten hätten die Taten nach derzeitigem Ermittlungsstand bewußt begangen und im Rahmen von Einsätzen vertuscht. Es sei möglich, daß Vorgesetzte das Fehlverhalten gedeckt und auf eine Anzeige verzichtet hätten. Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht ein Einsatz von fünf SEK-Beamten im Juli 2001 in Hennef in NRW, der bisher als Selbstmordfall eines Mannes gegolten hatte. Aus heutiger Sicht besteht hier aber der Verdacht der fahrlässigen Tötung. Zudem war am 3. Februar 2004 bei einer Übung des Kommandos einer der Beamten, wie es heißt, »aus Versehen« erschossen worden. Gegen die beiden anderen Übungsteilnehmer wird seitdem ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

Zu dem Einsatz des SEK im Juli 2001 gab es bisher folgende offizielle Version: Stundenlang verschanzte sich der 31jährige Rüdiger H. auf einem Firmengelände. Der mit einem Gewehr Bewaffnete galt als verwirrt. Das SEK versuchte, den Lebensmüden zu entwaffnen. Doch Rüdiger H. tötete sich selbst mit einem Kopfschuß. Soweit der Abschlußbericht der Polizei.

Die Witwe des im Februar versehentlich erschossenen Beamten machte aber Andeutungen über problematische Einsätze des SEK. Ein wegen Unterschlagung suspendierter Beamter offenbarte sich. Nach dreiwöchigen Ermittlungen der Abteilung Organisierte Kriminalität gibt es jetzt die Vermutung, daß einer der SEK-Polizisten bei dem Einsatz im Juli 2001 einen schweren Fehler gemacht haben könnte. Der tödliche Schuß soll sich bei dem Versuch gelöst haben, Rüdiger H. die Waffe aus der Hand zu treten. An die Stelle der Annahme eines Selbstmordes tritt also jetzt der Vorwurf der fahrlässigen Tötung. Jedenfalls haben die SEK-Männer voreilig gehandelt, denn sie haben nicht abgewartet, bis die Polizeipsychologen vor Ort waren, obwohl sie dazu strikte Anweisung hatten.

Inzwischen machen sogar Spekulationen die Runde, der im Februar 2004 getötete Beamte sei möglicherweise gezielt von Kollegen erschossen worden, da er über Mißstände in der Einheit auspacken wollen. Dies dementierte Staatsanwalt Feld am 16. Juli; es werde derzeit nicht wegen Mordverdachts ermittelt.
Aber immerhin wandte sich sogar der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, am 16. Juli 2004 im Norddeutschen Rundfunk gegen falsch verstandene Solidarität. »Schwarze Schafe« in den eigenen Reihen dulde die Polizei nicht. Das Zusammengehörigkeitsgefühl dürfte nicht dazu führen, daß man falsche Aussagen mache oder Straftaten begehe. Diese müßten konsequent verfolgt werden.

Diese Mahnungen der Polizeigewerkschaft erscheinen nur zu berechtigt. Denn am Dienstag berichtete der Kölner Stadtanzeiger, daß es offenbar frühzeitig Hinweise auf mögliche Einsatzpannen gegeben habe, die aber im Kölner Polizeipräsidium nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt worden seien. Ein Polizist habe bereits kurz nach dem tödlichen Vorfall im Juli 2001 seine Vorgesetzten über den fehlerhaften Zugriff unterrichtet. Konsequenzen blieben aber offenbar aus.

Der jetzige Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen, übrigens ein Vorgänger des GdP-Vorsitzenden Konrad Freiberg, verweist darauf, daß die Hinweise zur Aufklärung der dubiosen Vorgänge aus der Polizei selbst kommen. »Unsere offene Fehlerkultur führt zu einem veränderten Bewußtsein«, sagte Steffenhagen dem Bonner Generalanzeiger. Für die Opfer ist dies jedoch ein schwacher Trost.