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letzte Änderung: 08/08/04 00:28

Soziales

Linkspartei freut sich schon auf Lafontaine

08.08.2004, 00:28, Spiegel

Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine hat seiner Partei ein Ultimatum gestellt: Entweder sie schickt Kanzler Schröder in die Wüste und ändert ihre Politik, oder er werde sich ab 2006 in einer neuen Linkspartei engagieren. Die "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" hieß Lafontaine bereits herzlich willkommen. SPD-Chef Müntefering reagierte empört.



COMEBACK-DROHUNG

Linkspartei freut sich schon auf Lafontaine

Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine hat seiner Partei ein Ultimatum gestellt: Entweder sie schickt Kanzler Schröder in die Wüste und ändert ihre Politik, oder er werde sich ab 2006 in einer neuen Linkspartei engagieren. Die "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" hieß Lafontaine bereits herzlich willkommen. SPD-Chef Müntefering reagierte empört.Hamburg - Bislang fiel es der SPD und Bundeskanzler Schröder nicht schwer, die im Entstehen begriffene Linkspartei weitgehend zu ignorieren. Schließlich hatten sich nur unbekannte SPD-Renegaten in der "Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit" zusammengefunden. Doch das ist seit heute anders: Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine, hat in einem SPIEGEL-Interview seine Mitarbeit in dem Linksbündnis Aussicht gestellt, und die Linksabweichler haben ihn heute umgehend freudig in ihren Reihen begrüßt.

"Das finde ich gut", kommentierte heute Klaus Ernst, der Sprecher der "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit", Lafontaines Äußerungen. "Wenn Lafontaine sich dazu entschließt, heißen wir ihn besonders herzlich willkommen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Inhaltlich sehe er große Gemeinsamkeiten mit Lafontaine, erklärte Ernst, auch wenn die Wahlalternative noch kein Programm habe.

Der amtierende SPD-Vorsitzende Franz Müntefering erklärte heute unterdessen, das Verhalten Lafontaines sei "eitel und unsolidarisch". "Ohne Rücksicht auf die SPD-Landesverbände, die mitten im Wahlkampf stehen, versucht er, Gerhard Schröder und die Politik der SPD zu diffamieren." Zuvor hatte Lafontaine in einem SPIEGEL-Gespräch erklärt, werde er sich außerhalb der SPD engagieren, sollte die Partei sich nicht innerhalb des kommenden Jahres zu einem Kurs- und Kanzlerwechsel entschließen. "Wenn Schröder seine gescheiterte Politik bis zur nächsten Bundestagswahl fortsetzt, wird es eine neue linke Gruppierung geben mit dem Ziel, den Sozialabbau rückgängig zu machen. Diese Gruppierung wird dann von mir unterstützt werden", sagte er wörtlich. Er sehe eine Wahlalternative bei der nächsten Bundestagswahl "als eine Gruppe, die längerfristig eine erneute Sammlung der Linken versucht. Das Potenzial ist vorhanden". Lafontaine weiter: "Die SPD hat den Auftrag, die Interessen von Arbeitnehmern und Rentnern zu wahren. Verzichtet sie darauf, muss es andere Kräfte geben, die diese Interessen im Parlament vertreten."

Harsche Kritik an Schröder

Den amtierenden Bundeskanzler fordert der ehemalige SPD-Parteivorsitzende zum Rücktritt auf: "Schröder hat sich durch die Ergebnisse seiner Politik diskreditiert. Wenn er Anstand im Leibe hätte, würde er angesichts seiner Zahlen zurücktreten. Viele tausend sozialdemokratische Kommunal- und Landespolitiker haben deswegen ihre Mandate verloren." Der rot-grünen Regierung wirft Lafontaine Wahlbetrug vor: "Sie hat ein Mandat auf der Grundlage eines bestimmten Programms, in dem nichts von einer Agenda 2010 stand. Insofern handelt es sich um einen gravierenden Fall von Wahlbetrug."

Oskar Lafontaine kündigt im SPIEGEL-Gespräch auch seinen Wiedereinstieg in die deutsche Politik an: "Ich werde dafür kämpfen, dass die SPD ihren Kurs ändert und endlich auf das Volk hört." Er werde "vermehrt Einladungen zu Parteiveranstaltungen annehmen, um vor den Genossen zu sprechen." Und: "Auch außerhalb der SPD, etwa auf Betriebsversammlungen, werde ich für einen Politikwechsel kämpfen." Auch seine Möglichkeit, als ehemaliger Bundesvorsitzender auf einem Bundesparteitag der SPD zu reden, werde er womöglich in Anspruch nehmen: "Wenn es mir opportun erscheint, werde ich davon Gebrauch machen."

Lafontaine äußerte sich auch zu seinem überstürzten Rücktritt von allen Ämtern, der nicht die von ihm erhoffte Wirkung innerhalb der SPD erzeugt habe: "Ich konnte mir bei meinem Rücktritt nicht vorstellen, dass Parteiführung und Bundestagsfraktion die vielen Wortbrüche, die danach stattgefunden haben, mittragen würden. Insofern bin ich einem Irrtum unterlegen." Lafontaine entschuldigt sich erstmals bei den SPD-Mitgliedern für seinen abrupten Abgang: "Ich habe viele Erwartungen enttäuscht. Das bedauere ich."

Unmut selbst bei den "bravsten Genossen"

Unterdessen hat auch einer der Exponenten der SPD-Linken das Willy-Brandt-Haus davor gewarnt, der Kritik an der "Agenda 2010" im so genannten Kettenbrief keine Beachtung zu schenken. Die Parteispitze sollte die Signale der Basis nicht auf die leichte Schulter nehmen, sagte der Vize-Sprecher der SPD-Linken, Detlev von Larcher, der Chemnitzer "Freien Presse". Zwar würde er einen solchen Brief nicht schreiben, "aber er trifft die Stimmung in vielen Ortsvereinen der SPD". Vieles werde noch nicht öffentlich gesagt, doch der Unmut über die gegenwärtige Sozialpolitik sei erheblich. Das reiche bis in die Reihen der "bravsten Genossen". Dabei gehe es auch um die Zukunft von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). "Die Parteiführung darf sich nicht täuschen und glauben, es sind nur einige Spinner, die so denken", betonte von Larcher. Das Protestpotenzial sei groß.

Die Ursache für die zunehmend schlechte Stimmung in der SPD-Mitgliedschaft sieht von Larcher vor allem in den "Hartz IV"-Gesetzen. "Es ist doch absurd, über die Anrechnung der Kinder-Sparbücher der Langzeitarbeitslosen als aufzubauendes 'Vermögen' zu schwadronieren, aber keinen Gedanken an einen Solidaritätsbeitrag der Millionäre und Multimillionäre zu verschwenden." Sie könnten ihr Riesenvermögen unversteuert genießen. Dazu nutzten sie zudem noch die vielen Steuerschlupflöcher, um sich bei der Einkommensteuer arm zu rechnen. Noch nicht einmal die Reform der Erbschaftsteuer sei von der rot-grünen Koalition in Angriff genommen worden, kritisierte der SPD-Linke.