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Anwalt der Konzerne

22.08.2004, 11:59, junge welt

sonstige | EU | Lissabon- Plan | José Manuel Barroso

EU-Kommissionschef nimmt Abschied von Lissabon-Plan


Anwalt der Konzerne

EU-Kommissionschef nimmt Abschied von Lissabon-Plan

Der designierte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso machte am Donnerstag abend vor einer Gruppe handverlesener Journalisten in Brüssel ein paar Wahrheiten öffentlich: Die EU werde ihre »Lissabonner Ziele«, wie einen internationalen Spitzenplatz beim Wirtschaftswachstum und die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit, kaum im vorgegebenen Zeitraum erreichen. Zwar ist diese Einschätzung nicht überraschend, aber aus dem Mund eines künftigen Chefs der EU-Zentrale schon einigermaßen pikant.

Der Lissabonner Gipfel hatte sich im Frühjahr 2000 die Aufgabe gestellt, die EU in Zehnjahresfrist zur »dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Ökonomie der Welt« zu machen. Daneben soll bis 2010 die »Vollbeschäftigung« erreicht werden – ein irreführender Begriff aus dem Brüsseler Wortschatz. Denn nach EU-Diktion bedeutet »Vollbeschäftigung« eine Erwerbsquote von gerade 70 Prozent und bei Frauen sogar nur von 60 Prozent.

Vermutlich geht dem früheren portugiesischen Premier der zweite Teil des Lissabon-Plans aber ohnehin nicht sonderlich nah. Schließlich ist Barroso ein Mann der Wirtschaft und machte sich vor allem dadurch einen Namen, daß er sich gemeinsam mit dem britischen Regierungschef Anthony Blair als Vorreiter neoliberaler Reformen in Europa betätigte. Dazu gehörten insbesondere die »Modernisierung« – sprich Zerschlagung – der staatlichen Sozialsysteme und die steuerliche »Entlastung« der Unternehmen, die sich inzwischen in allen EU-Papieren als Stehsatz finden.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Forderung des künftigen Brüsseler Amtsleiters nach höheren Einzahlungen der Mitgliedstaaten in die EU-Kassen zu verstehen. Schließlich sollen diese Mittel über den Umweg EU an die »richtigen« Adressen weitergeleitet werden. Zwar protestieren »Nettozahler« wie die BRD ebenso regelmäßig wie öffentlichkeitswirksam gegen ihre Abgabenlast. Aber beispielsweise kassierten deutsche Baukonzerne einen Großteil der von Brüssel für die Erneuerung des Athener Flughafens bereitgestellten Fördermittel. Und auch darüber, daß die deutsche Landwirtschaft nach Frankreich und noch deutlich vor Spanien an zweiter Stelle der Empfänger von Geldern aus dem vielgescholtenen Agrarhaushalt der EU liegt, spricht man in Berlin nur ungern.

Hans Ulrich

junge welt, 21.08.04


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