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letzte Änderung: 23/09/04 11:23

Globalisierung

Im Würgegriff der Wirtschaft ?

23.09.2004, 11:23, HANSPETER WALTER

"Verkaufen wir unser Trinkwasser an die USA?" Der Titel der Podiumsdiskussion, die die "Wasserkarawane" im Rahmen des Überlinger Wasserfestivals im Kursaal veranstaltete, war zwar zum einen bewusst etwas unscharf und provokativ formuliert, zum anderen sind die Verhältnisse in den USA nicht mehr ganz so wie bei der Konzeption der Veranstaltung.



Im Würgegriff der Wirtschaft ?

"Verkaufen wir unser Trinkwasser an die USA?" - Podiumsdiskussion der "Wasserkarawane"

"Verkaufen wir unser Trinkwasser an die USA?" Der Titel der Podiumsdiskussion, die die "Wasserkarawane" im Rahmen des Überlinger Wasserfestivals im Kursaal veranstaltete, war zwar zum einen bewusst etwas unscharf und provokativ formuliert, zum anderen sind die Verhältnisse in den USA nicht mehr ganz so wie bei der Konzeption der Veranstaltung.
Überlingen
VON HANSPETER WALTER

Überlingen (hpw) Doch, das Thema ist emotional aufgeladen, wie mehr als 200 interessierte Zuhörer bewiesen. Neben dem "Cross-Border-Leasing", dem langfristigen Verleasen und Rückmieten von Anlagen wie der Bodenseewasserversorgung (BWV), das inzwischen auch in den USA mit mehreren Gesetzesinitiativen bekämpft wird, wurde im zweiten Teil die mögliche Privatisierung der Wasserversorgungen innerhalb der Europäischen Union diskutiert.

Schon zum dritten Mal binnen eines guten Jahres war der Globalisierungskritiker Jens Loewe vom Stuttgarter Wasserforum zu Gast in Überlingen und mit von der Partie. Auf seinen Impuls hin hatte sich auch die "Wasserkarawane" als Gruppe formiert, die sich zum einen für die Rückabwicklung des Cross-Border-Leasings stark machen und im kommenden Jahr ein See umspannendes Kulturevent inszenieren will. Die Initiative will sich in den Dienst eines "kunst-politischen Aufbruchs rund ums Wasser" stellen.

Gerade im Wasser sieht Jens Loewe das Instrument, mit dem Menschen politisch sensibilisiert und zur Besinnung auf basisdemokratische Ziele eingeschworen werden können. Dem Ziel Rückabwicklung des Cross-Border-Leasing-Geschäfts bei der BWV gibt Ortwin Rau, der stellvertretende kaufmännische Geschäftsführer, allerdings keine Chancen. Diese Auflösung des Kontrakts könne durchaus Zahlungen in Höhe von dreistelligen Millionen-Summen nach sich ziehen, erklärte er. Den gesamten finanziellen Vorteil für den Zweckverband und seine Kommunen bezifferte er auf 35 Millionen Euro.

Dass sich Rau überhaupt der Diskussion stellte, dafür zollte ihm Jens Loewe schon mal großen Respekt. Zumal er mit dem Waldorfschüler Achim Bähler einen weiteren Sparringspartner hatte, der sich in einem Projekt intensiv der Globalisierung und deren Folgen angenommen hatte. Moderiert wurde die Diskussion von dem Journalisten Martin Hennings.

"Die ganze Welt ist inzwischen ein großer Kaufladen", lautet eine Lieblingsformulierung von Jens Loewe und selbst die Daseinsvorsorge des Menschen sei inzwischen zum "Supermarkt" verkommen, indem einige große Konzerne nach Belieben "plündern" könnten. Um so zufriedener war Loewe, dass "am Bodensee gute Kräfte entstehen", die sich dem "neoliberalen Terror" entgegen stellten. Fehlende Information und Transparenz bei virtuellen Geschäften untergraben für ihn längst die Demokratie.

Dem faktischen Vorwurf der Ignoranz und Ohnmacht widersprach Ortwin Rau vehement. Die Entscheidung zum Cross-Border-Leasing sei von der BWV selbst getroffen ganz bewusst und nach eingehender Prüfung der Umstände. Wie bei seinen vorausgegangenen Auftritten hatte Jens Loewe die Stadt Stuttgart bzw. deren Versorgungsunternehmen NWS als eigentlichen Drahtzieher der Transaktion ausgemacht.

Für die BWV sei das Geschäft mit dem amerikanischen Trust ein "legales Mittel" im Rahmen des Finanzmanagements gewesen, betonte Rau: "Nach gründlichen Analysen sprach nichts dagegen." Anders als Loewe, der Veränderungen an den Anlagen als möglichen Vertragsverstoß mit unangenehmen Folgen interpretiert, sind die Abmachungen für Rau bewusst "flexibel" gestaltet und lassen der BWV genug Gestaltungsspielraum. Ja, mit diesem Weg habe der Zweckverband auch bewiesen, dass er zukunftsfähig sei und wirtschaftlich arbeiten könne, und damit Privatisierungsdiskussionen den Boden entzogen. Dem Vorwurf der Geheimniskrämerei gegenüber dem "Souverän Bürger" (Loewe) hielt Rau das Prinzip der Vertraulichkeit zwischen den Geschäftspartnern entgegen. Alle Mitglieder hätten Einsicht in die Vertragsverhältnisse.

Einig war sich das Podium, dass Liberalisierung und Privatisierung bei Wasserversorgungen nicht erwünscht sei. Während Ortwin Rau dies durch einen Bundestagsbeschluss von 2002 schon gesichert sieht, erinnerte Loewe an die Unterzeichnung des GATS-Abkommens 1995 und die Tatsache, dass das EU-Recht nationale Beschlüsse längst ausheble.