LinksRhein- News admin
Startseite Zurück letzte Änderung: 23/12/04 15:12

Klage gegen den Schnüffelstaat

03.11.2004, 15:10, Von Helga Einecke

sonstige | Bankgeheimnis | Verfassungsbeschwerde | Schnüffelstaat

Ob Sozialamt oder Steuerfahndung — ab 1. April 2005 sollen alle Behörden uneingeschränkt in deutsche Bankkonten einsehen können. Eine Volksbank in Westfahlen hat gegen das entsprechende Gesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt.


Klage gegen den Schnüffelstaat

Ob Sozialamt oder Steuerfahndung — ab 1. April 2005 sollen alle Behörden uneingeschränkt in deutsche Bankkonten einsehen können. Eine Volksbank in Westfahlen hat gegen das entsprechende Gesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt.Der zum 1. April 2005 geplante automatische Einblick in die Bankkonten aller Bundesbürger soll durch zwei Verfassungsbeschwerden und eine einstweilige Anordnung gestoppt werden.

Der Karlsruher Rechtsanwalt Gunter Widmaier will durch die Klage einen „sich anbahnenden Schnüffelstaat“ verhindern. Hintergrund der neuen Gesetze ist die Bekämpfung der Geldwäsche, der Finanzierung von Terror sowie der Steuerflucht.

Der vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe als Kläger auftretende Hermann Burbaum, Sprecher der Volksbank Raesfeld, bezeichnet den 11. September 2001 als Wendepunkt für das deutsche Bankgeheimnis.

Inzwischen ist bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) eine zentrale Stelle eingerichtet worden, bei der auf Knopfdruck die Stammdaten aller Konten und Depots bei Banken abgerufen werden können. Dazu gehören der Name des Kontoinhabers, der Bevollmächtigten sowie die Daten von Einrichtung und Löschung.

Jede ermittelnde Behörde soll Einsicht erhalten

Solange die Bankenaufsicht dies tut, um die Kreditinstitute und zweifelhafte Zahlungsströme zu kontrollieren, gebe es keine Einwände, so Widmaier.

Vom 1. April kommenden Jahres an aber soll das Bafin nur noch die technische Plattform für den Konteneinblick bieten. Auftraggeber kann jede ermittelnde Behörde sein, also das Finanzamt, die Polizei, Sozial- oder Arbeitsämter.

Beispielsweise könnten auf diese Weise Konten von Vätern aufgespürt werden, die keinen Unterhalt zahlen, oder von Empfängern von staatlichen Zuwendungen, die noch andere Finanzierungsquellen besitzen. Auch Ungereimtheiten bei Kapitaleinkünften könnten Finanzämter über das neue Gesetz auf die Spur kommen.
"Gesetze nicht mit Rechtsstreit vereinbar"

In Schwierigkeiten könnte dadurch auch die Berufsgruppe der Notare kommen, die Treuhandkonten für ihre Mandanten verwalten und deren Schweigepflicht ausgehöhlt wird.

Rechtsanwalt Gunter Widmaier, der an der Universität München Strafrecht lehrt, hält die neuen Gesetze aus drei Gründen für nicht vereinbar mit dem Rechtsstaat.

Erstens solle von Kontoabfragen weder die Bank noch der Kunde etwas erfahren, nicht einmal nachträglich. Zweitens seien Abfragen nicht an „nennenswerte tatsächliche Vorbedingungen“ geknüpft. Drittens fehle die Kontrolle durch Richter oder Staatsanwälte. „Jeder Sachbearbeiter kann künftig auf den Knopf drücken und alle Konten abfragen“, fürchtet der Anwalt.

Als möglichen Filter gegen den Missbrauch könnte er sich eine Zustimmung durch ein Sozial- oder Finanzgericht vorstellen. Widmaier rechnet damit, dass die Verfassungsrichter der Beschwerde des Klägers stattgeben werden. „Das könnte eine bedeutende Grundsatzentscheidung werden“, meinte der Anwalt.
Bankgeheimnis ausgehöhlt

Bei der verbreiteten Furcht vor der Aushöhlung des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes stellt sich die Frage, warum nur eine kleine Volksbank aus Westfalen dagegen aufbegehrt und die mächtigen Verbände der Kreditwirtschaft dazu schweigen.

Nach Einschätzung von Burbaum haben die Verbände aus politischem Kalkül Abstand von einer Beschwerde genommen. Sie hätten sich öffentlich nicht gerne gegen die berechtigte Verfolgung von Geldwäsche stellen wollen.

Er selbst habe mit seinem Verband Kontakt aufgenommen, sei aber auf wenig Gegenliebe gestoßen. Allerdings unterstützen viele Lobbyisten die Verfassungsbeschwerde.

So sagte Stefan Marotzke vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband: „Von dem Bankgeheimnis, das ja auch bisher schon durchlöchert war wie ein Schweizer Käse, bleibt dann nichts mehr übrig.“ Auch aus Kostenerwägungen heraus ist es günstiger, eine kleine Bank vorzuschicken.

Die Beschwerde kostet nichts, wohl aber die angeforderten Gutachten und die Arbeit der Anwälte. Neben der Volksbank Raesfeld tritt Notar Peter Bohnenkamp aus Borken als Beschwerdeführer auf. Beide sehen es als ihr Ziel an, den „bedenklichen Schritten in Richtung zu einem Überwachungsstaat Einhalt zu gebieten“. ,


Kommentar