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10 000 gegen Sozialraub

08.11.2004, 13:39, junge welt

Arbeitskampf | Hartz IV | Agenda 2010 | Sozialabbau | Nürnberg | Arbeitsamt | Demo | Arbeitsmarktreform

»Hartz IV« und »Agenda 2010« im Visier: Eindrucksvoller Protest vor der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Massives Polizeiaufgebot und Einschüchterungsversuche



10 000 gegen Sozialraub

»Hartz IV« und »Agenda 2010« im Visier: Eindrucksvoller Protest vor der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Massives Polizeiaufgebot und Einschüchterungsversuche

Wut, Empörung, Entsetzen – das empfinden die rund 10 000 Demonstranten, die am Sonnabend in Nürnberg unter dem Motto »Gemeinsam gegen Sozialraub, Agenda 2010 und Hartz IV« protestiert haben. Wut, weil die Menschen gezwungen werden, zu Minilöhnen zu arbeiten. Empörung, weil sich gleichzeitig Reiche bereichern und Konzern Steuergeschenke bekommen. Entsetzen, weil mittlerweile bekannt wurde, daß ein Viertel der jetzigen Arbeitslosenhilfebezieher ab Januar 2005 kein Geld mehr bekommen werden. Zu der Demonstrationen waren Menschen aus rund 30 Städten mit Bussen und Bahnen gekommen. Aufgerufen hatten 90 Organisationen, darunter die PDS, ATTAC, die Wahlalternative, verschiedene antifaschistische und anarchistische Gruppierungen, mehrere türkische Organisationen sowie Pax Christi. Zahlreich waren auch Gewerkschafter und Ortsverbände vertreten, obwohl die Absage der DGB-Gewerkschaftsvorstände, die Demonstration zu unterstützen, für Verstimmung gesorgt hatte.

Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot, zog die Demonstration von der Lorenz-Kirche in der Nürnberger Innenstadt am SPD-Haus vorbei durch die Südstadt, in der viele Ausländer, Arbeiter und Arme wohnen, hinaus zum häßlichen Betonklotz der Bundesagentur für Arbeit. Allerdings durfte man nicht, wie von den Veranstaltern vom Nürnberger Sozialforum gewünscht, vor dem Hauptportal der BA protestieren. Die Zentrale war weiträumig abgesperrt und von mehreren Hundertschaften Bereitschaftspolizei und schwer bewaffneter Unterstützungskommandos bewacht. Schon vorher hatte die Polizei für Verstimmung gesorgt, denn Busse waren penibel kontrolliert und damit die Demonstranten am rechtzeitigen Erscheinen gehindert worden. Auch angeblich zu lange Transparentstangen wurden auf rüde Weise konfisziert.

Die von der Polizei befürchteten Ausschreitungen des »schwarzen Blocks« blieben jedoch aus, die Demonstration lief in friedlicher und gut gelaunter Stimmung ab, obwohl das Thema keine gute Laune machen konnte. Sven Rösler vom Sozialforum Nürnberg benannte »Hartz IV« als klaren Sozialraub und stellte den Zusammenhang zu den jetzigen Diskussionen um Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerung bei Karstadt, Opel oder VW her. Kurt Haymann von ATTAC Deutschland benannte »Alternativen zur neoliberalen Globalisierung«, Wilfried Moryson, Vertrauensmann bei Opel Bochum, berichtete über die aktuelle Situation, während Frank Jäger (Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen) aus Sicht der Betroffenen zeigte, was Armut durch die »Agenda 2010« für Millionen bedeutet. Orhan Akman (ver.di München) schilderte die Lage von Arbeitsmigranten und betonte insbesondere die Notwendigkeit international solidarischer Gegenwehr. Insgesamt bewerteten die Veranstalter die Beteiligung als vollen Erfolg. Sie zeige eindrucksvoll das Funktionieren des Konzepts eines Sozialen Forums, das im Politikbetrieb hierzulande noch wenig praktizierte werde.

Auf dem Nachhauseweg äußerte eine Angestellte von Karstadt, daß sie »Hartz IV« gut findet, weil »endlich die Drückeberger von der Straße wegkommen«. Wut, Empörung, Entsetzen? Offensichtlich ist noch viel politische Arbeit zu leisten.


Corell Wex

junge welt, 8.11.04



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