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Zwischenkundgebung auf dem CSD Südwest 2005

28.07.2005, 23:33, CSD am See / CSD Südwest Konstanz

Gender | Konstanz | CSD

Gemeinsam vorgetragene Rede von Anke und Stefan, Vorstandsmitglieder des CSD Südwest


Herzliche Willkommen liebe Schwule,
Liebe Lesben, liebe Transsexuelle
Liebe Bisexuelle, liebe Heterosexuelle,

ja auch Sie dort hinten, in der letzten Reihe möchten wir recht herzlich zum CSD Südwest , zum CSD am See hier in Konstanz begrüßen.

Herzlich willkommen. Heute, am 16 Juli wollen wir gemeinsam für Gayrechtigkeit demonstrieren.

Gayrechtigkeit – Liebe an allen Ufern ist das Motto der heutigen Parade hier in Konstanz. Nach mehr als 13 Jahren haben wir uns zusammengetan, für den gesamten Bodenseeraum, nein für den gesamten Südwesten Deutschlands, für Teile der Schweiz und Österreichs für Akzeptanz zu kämpfen.

Damals waren es nur 50 Personen, die hier an der Marktstätte für die Rechte der Minderheiten, der Homo- und Bisexuellen gekämpft haben, die sich öffentlich gezeigt haben, entgegen der möglichen Widerstände und Probleme, die sie am nächsten Tag auf der Arbeit, zuhause oder sonst wo in der Öffentlichkeit fürchten, überstehen und lösen mussten.

Heute ist die Gesellschaft offener denn je. Wir haben ein Lebenspartnerschaftsgesetz, welches die Rechte der Lesben und Schwule schützt, welches die Liebe zwischen Gleichgeschlechtlichen erstmals akzeptiert, welches uns allen den Respekt entgegenbringt, den wir seit 1969 in New York versucht haben zu erreichen.

Gesetzlich können wir aufgrund der Arbeit des LSVD, der mutigen Politiker und Organisationen auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken. Aber was ist mit der Akzeptanz, dem Respekt, den wir hier in der Provinz, hier am Bodensee, hier in Konstanz tagtäglich erfahren ?

Liebe an allen Ufern wird leider in Konstanz und in vielen anderen Landkreisen von Baden- Württemberg noch immer unterschiedlich behandelt. Ja während die heterosexuellen Paare im feierlichen Rahmen des Standesamtes ihr Liebe unter dem staatlichen Siegel beurkunden lassen können, ist es Schwulen und Lesben nur beim Landratsamt, im Büro bei Herrn Keller oder im Besprechungszimmer des Personalrats möglich.
Na ist es nicht wirklich schön, dass Mann und Frau direkt nach der Eintragung der Verpartnerung seinen Gewerbeschein an Ort und Stelle anmelden können? Wer braucht schon einen feierlichen Rahmen um seine Liebe des Lebens öffentlich kund zu tun, ein Fürsorgeversprechen einzugehen ?

Wir fordern von Konstanz, von den anderen Landkreisen der Region, dass die Verpartnerungen in den Standesämtern eingetragen werden. Dies ist ein erster, deutlicher Schritt, zu zeigen, dass Liebenden ohne Unterschied der gleiche Respekt entgegengebracht wird, unabhängig der sexuellen Orientierung.

Ja was in Stuttgart funktioniert, kann doch auch in einer Stadt wie Konstanz funktionieren.

Und es geht hier beim CSD in Konstanz um mehr, nicht nur um die Frage des Respekts. Wir müssen deutlich zeigen, dass es uns hier in der Provinz gibt.

Nicht nur in Großstädten, deren Offenheit und Toleranz so häufig auch in der Presse zitiert werden und deren bunten CSD Paraden immer wieder in den Medien mit aufreizenden Bildern dargestellt werden, sondern in jedem Dorf, jeder noch so kleinen Gemeinde gibt es Menschen, die gleichgeschlechtlich lieben.

Wir fordern den Staat dazu auf, die Gesetze so umzusetzen, dass eine Gleichbehandlung überall möglich wird. Wir fordern im Rahmen des Antidiskriminierungsgesetzes, die Benachteiligung im Arbeits- und Zivilleben aufgrund von Unterschieden des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung und des Alters zu verringern.

Stefan, wir dürfen hier aber nicht vergessen, die Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität zu minimieren.

Wir fordern die Anerkennung als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft. Wir fordern alle Parteien, welche ja heute hier großteils vertreten sind, auf, Lebensgemeinschaften zu unterstützen, die für Kinder oder pflegebedürftige Menschen Verantwortung übernehmen möchten.
Wir fordern ein Adoptionsrecht, bei dem allein das Wohl des Kindes im Mittelpunkt steht und nicht die sexuelle Orientierung und Lebensweise der Adoptiveltern.

Auch wird heute noch immer der Liebe zweier Menschen bürokratische Hindernisse in den Weg gestellt. Wir fordern die politisch Agierenden auf Kommunal-, Landes- und EU-Ebene dazu auf, sich für die Zuzugsmöglichkeit des ausländischen Partners oder der ausländischen Partnerin binationaler Partnerschaften einzusetzen.

Wir fordern von den politischen Parteien, sich für eine umfassende Reform des Transsexuellengesetzes einzusetzen, damit transgender und transsexuelle Menschen das Recht bekommen, ihre Lebensweise selbst zu bestimmen.

Dabei ist die Neufassung des Transsexuellengesetzes in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Transgender- Gruppen gemäß der Entwurfsfassung des Jahres 2000 zu diskutieren.

Wir fordern, eine Verringerung der Anzahl der notwendigen Gutachten für die Vornamensänderung. Die Voraussetzungen, wonach das Transsexuellengesetz greift sind veraltet und sind entsprechend zu ändern. Wir fordern, dass Transsexuelle das Recht, aber nicht die Pflicht haben sollen, sich derart schweren Operationen zu unterziehen, wenn sie eine Personenstandsänderung erhalten wollen. Die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen für die Kostenübernahme der Krankenkassen sind klar zu definieren.

Wir fordern den Staat dazu auf, auch intersexuellen Menschen das Menschenrecht auf Unversehrtheit nicht länger zu verweigern.

Direkt nach der Geburt werden Menschen mit “uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen” einem der konstruierten Geschlechter “Mann” oder “Frau” angepasst. So muss im Ausweis eine eindeutige Geschlechtsbezeichnung vermerkt werden, medizinische Operationen und Hormongaben sollen physisch und psychisch ein eindeutiges Geschlecht herstellen.

Die gewalttätigen Eingriffe führen häufig zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen der Kinder.

Die betroffenen Menschen müssen in entsprechendem Alter selbst und selbstbestimmt darüber entscheiden können, ob und welcher Operation sie sich unterziehen wollen. In Ausweisen und amtlichen Dokument ist die Geschlechterbezeichnung zu streichen oder zumindest eine dritte Bezeichnung (“Zwitter” oder “Anderes”) einzuführen, deren Wahl den Menschen freigestellt wird.

Bildung und Erziehung sind Schlüssel zu einer offenen Gesellschaft. Durch toleranzfördernde Unterrichtseinheiten und Lehrbücher kann dies in der Praxis umgesetzt werden.

Im Zuge der inhaltlichen Neuerarbeitung der Lehrpläne fordern wir die Aufnahme einer modernen, aufgeklärten und toleranten Sexualpädagogik in den Lehrplänen der Schulen.

Homosexualität und Bisexualität werden noch immer weitestgehend totgeschwiegen, oder nur als Randerscheinung im Bereich der Sexualerziehung erwähnt.

Gleichgeschlechtliche Liebe darf nicht nur ein Thema für den Biologieunterricht sein. Auch in Fächern wie Deutsch, Politik-/Sozialkunde und Geschichte müssen Schülerinnen und Schüler über Lesben und Schwule informiert werden. Dabei geht es beispielsweise um Aufklärung zur Verfolgung Homo-sexueller während der NS Zeit, aber auch um ihre Beiträge im kulturellen und politischen Leben. Eine qualifizierte Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte ist dabei unabdingbare Voraussetzung.

Wir fordern, dass die Landesregierung sich für Weiterbildungsangebote für Lehrer einsetzt, welche Vorurteile gegenüber verschiedenartigen Menschen abzubauen versuchen, sexuelle Aufklärungsarbeit leisten und nicht zuletzt ein offenes, tolerantes Miteinander bereits bei Kindern und Jugendlichen – den Erwachsenen von morgen – fördern.

Wir fordern eine deutliche Unterstützung von Aufklärungsprojekten an Schulen durch das Kultusministerium.

Wir fordern die Kommunen und das Land auf, nicht bei den Minoritäten und Schwächsten zu sparen und allen eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Durch die Kürzungen in den kommunalen Haushalten sind viele Projekte und Vereine bedroht.

Wir fordern mehr staatlich geförderte Offensiven und Programme gegen Hassverbrechen zum Nachteil gesellschaftlicher Minderheiten, keine Kürzungen bei der Förderung lesbisch-schwuler Projekte, noch eine Kürzung finanzieller Zuschüsse an Gruppen, Vereine, Initiativen, Selbsthilfeorganisationen etc..

Wir fordern die Solidarisierung mit integrativen Projekten lesbisch schwuler Träger.

Wir fordern den Ausbau der Gesundheitsprävention, insbesondere bei sexuell übertragbaren Krankheiten wie Aids, Hepatitis, Syphilis etc. einschließlich kostenloser Prophylaxemaßnahmen sowie der Krebsvorsorge bei Frauen (insbesondere Brustkrebsprophylaxe). Wir fordern das Landratsamt Konstanz auf, die anonyme, kostenfreie HIV-Beratung und –Testung wieder in Konstanz zu ermöglichen und die Verlegung auf die Mettnau rückgängig zu machen.

Wir fordern von allen Parteien sich dafür einzusetzen, dass die Situation von Schwulen, Lesben und Transsexuellen bei den staatlichen Programmen zur Gewaltprävention und Opferhilfe berücksichtigt wird.

Verunglimpfungen von Menschen, die nicht in das "normal"-Raster der Gesellschaft passen, sind nach wie vor an der Tagesordnung. Lesben, Schwule, Transsexuelle, Migranten/-innen und Menschen mit Behinderung sind dabei besonders betroffen.

Wir fordern von Jedem, sich dem Erstarken der radikalen Gruppierungen zu widersetzen und jeder Art antidemokratischen Verhaltens energisch entgegen zu treten.

Wir fordern ein verschärftes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden bei hassmotivierten Gewalttaten und den stärkeren Ausbau des Täter-Opfer-Ausgleichs.

Wir fordern die Sicherung der Arbeit von Gewaltpräventionsgruppen und Unterstützung sozialpädagogischer Projekte zur Prophylaxe von Gewaltverbrechen.

Wir fordern von der Bundesregierung, sich auf Europaebene mit den rund 80 Staaten auseinanderzusetzen, die noch immer Lesben und Schwule offen diskriminieren und strafrechtlich verfolgen. Dort sind Lesben, Schwule, Bisexuelle und insbesondere Transgender massiven Übergriffen ausgesetzt - bis hin zu Folter und Mord.

Wir fordern die Umsetzung der EU-Richtlinie gegen Diskriminierung in deutsches Recht und die Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der „sexuellen Identität“.

Wir fordern Akzeptanz und Respekt, statt Toleranz und Gleichgültigkeit. – - Dies für Jeden und für Jede, egal wo auf der Welt.

Lasst uns nun also gemeinsam für Gayrechtigkeit – für Liebe an allen Ufern auftretend, zum Stadtgarten weiterziehen. Dort findet unsere große Abschlusskundgebung mit Stars wie Villaine, Donato, Edina Pop und Stephen Folkers statt.

Wir werden Euch dort aber natürlich auch nicht die regionalen Gruppen vorenthalten und so werden auch unsere Lucky Ladies und die LesBiSchwulen Chöre, die Wehnüsse und die Queerflöten, Karma.Connect und Nemo u.v.a. auftreten. Für Speisen und Getränke ist genauso gesorgt, wie für Infomaterialien und interessante Regenbogenartikel.

Lasst uns also alle, und das schließt Sie als Heterosexuellen dort hinten in der letzten Reihe ebenso ein, wie Euch Schwule und Lesben hier vorn bei mir, zum Stadtgarten ziehen und danach im Konzil feiern.

Unsere Ordner und vielen Helfer werden Euch den Weg zum Stadtgarten durch die dort hinten befindliche Unterführung weisen.

- Wagen oder Dykes sollten sich jetzt in Bewegung setzen !-




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