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Unser Genosse Venedey ist im Alter von 85 Jahren am Mittwoch abend verstorben

02.09.2005, 15:25, D. Frankfurter

Antifa | Konstanz | Venedey

Unser Genosse Venedey ist im Alter von 85 Jahren am Mittwoch abend verstorben. Hierzu der Artikel im Südkurier von Freitag den 2.09.2005


02.09.2005 05:00
Der letzte Enkel des Revolutionärs

Alt-Stadtrat Michael Venedey 85-jährig gestorben -Mit ihm zog die PDS 1999 in den Gemeinderat ein

Michael Venedey, bis vor wenigen Monaten noch "Alterspräsident" des Gemeinderats, ist am Mittwochabend 85-jährig gestorben.

Seine Wahl in den Gemeinderat im Herbst 1999 galt als kleine kommunalpolitische Sensation: Erstmals zog mit dem damals schon 79-jährigen Michael Venedey ein Kandidat der PDS/Linke Liste in das Gremium ein. Knapp drei Jahre später schied Venedey krankheitsbedingt aus, doch 2004 wurde er mit 4504 Stimmen erneut gewählt. Im Januar diesen Jahres übergab er das Mandat an die Nachrückerin Vera Hemm. Vorgestern Abend ist Michael Venedey 85-jährig nach längerer Krankheit in seiner Konstanzer Wohnung gestorben.

Die Chance, die sich dem Kämpfer für Entrechtete und Minderheiten nach seiner Wahl 1999 bot, nämlich den bürgerlichen Mehrheiten öffentlichkeitswirksam den Spiegel vorzuhalten, sie auf dem Feld etwa der Sozialpolitik hart anzupacken, nutzte Venedey damals nur selten. Zwar war Michael Venedey entschieden ein Mann der politischen Linken, doch sein konziliantes, menschenfreundliches Wesen verbat ihm scharfe Attacken auf das vor ihm sitzende Gegenüber. Letztlich war die Konstanzer Kommunalpolitik auch nicht die wahre politische Heimat des Weltbürgers, mehrjährigen Leiters der pazifistischen Berliner "Friedenskoordination", Enkel des berühmten radikaldemokratischen Revolutionärs Jakob Venedey (1805-1871) und scharfen USA-Kritikers Michael Venedey. Zuletzt hielt Venedey im hiesigen Ratssaal ein scharfes Plädoyer gegen den Irak-Krieg, geißelte die neoliberale Marktwirtschaft und appellierte an die Kraft der Basisdemokratie.

Als sich der ehemalige Lungenfacharzt im Januar diesen Jahres endgültig aus dem Konstanzer Ratssaal zurückzog, applaudierten alle Ratsfraktionen dem "Alterspräsidenten". Gerührt entgegnete der von einer schweren Krebsoperation Gezeichnete damals, er habe die Atmosphäre der Toleranz und den gegenseitigen Respekt im Rat sehr geschätzt. Er nannte diese Atmosphäre einen "Rest der badischen liberalen Gesinnung", der seine Vorfahren verpflichtet waren.

Michael Venedeys Großvater Jakob war Teilnehmer des Hambacher Fests von 1832, das demokratische Grundrechte und den Bruch der Fürstenherrschaft forderte. Jakob Venedey lebte danach lange im Pariser Exil und heiratete in zweiter Ehe Henriette Obermüller, eine der Vorkämpferinnen der badischen Frauenemanzipation. Michaels Vater Martin war für den Wahlkreis Konstanz linksliberaler Landtagsabgeordneter. Er lehnte öffentlich entschieden den Beginn des Ersten Weltkriegs ab. Michaels Bruder Hans war Konstanzer SPD-Stadtrat und wurde 1933 inhaftiert. Ein weiterer Bruder, Hermann, legte im Januar 1933 mit Hitlers Amtsantritt demonstrativ das Lehramt nieder und emigrierte in die Schweiz. Michael Venedey machte in Konstanz Abitur, bedrängt von Denunziationen und Durchsuchungen der elterlichen Wohnung. Nach Kriegsdienst und Medizinstudium war Michael Venedey kurze Zeit Protokollchef der neuen pfälzischen Regierung. Später arbeitete er in der Südschweiz, dann - inzwischen verheiratet und dreifacher Familienvater - als Lungenfacharzt in Heilbronn und ab 1973 in Berlin.

Neben seiner bedeutenden Grafiksammlung pflegte Michael Venedey die historische Familienüberlieferung: Liebevoll bewahrte er Nachlassstücke und Schriften seiner Vorfahren und machte sie der historischen Forschung zugänglich. In der Heimat seiner Familie, dort, wo die von ihm hochgehaltene 1848er-Revolution kriegerisch wurde, ist der liebenswürdige Pazifist, zuletzt fürsorglich gepflegt von seiner Lebensgefährtin Ruth Fehr, nun gestorben.

Tobias Engelsing

Südkurier 2.9.05


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