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letzte Änderung: 02/03/06 07:02

Medien

Rotes Kreuz verklagt Rote Hilfe

02.03.2006, 07:02, nadir

Das Deutsche Rote Kreuz verklagt die Rote Hilfe wegen angeblicher „Zeichenverletzung“ auf Ordnungsgeld und Schadensersatz. nadir soll eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, ebenso wie die Projekte 'Bündnis für Freilassung', 'Castor-Nix-Da Kampagne' und 'daslinkeforum'.


Als Auslöser nimmt die juristische Vertretung des DRK wieder einmal das
Symbol der autonomen Demonstrations-SanitäterInnen. Sie wirft der Roten
Hilfe vor, die Broschüre „Ruhig Blut“ über ihre Internetseite anzubieten
und öffentlich zugänglich zu machen. „Ruhig Blut“ ist ein
empfehlenswertes, aufschlussreiches Heft zu Selbstschutz und Erste Hilfe
bei Demonstrationen und Aktionen und enthält auch einige Rechtstipps.
Auf der Vorderseite ist das Symbol der Demo-Sanis abgebildet.

Neben der Roten Hilfe wird auch nadir e.V. von der Anwaltskanzlei des
DRK, Latham&Watkins, aufgefordert eine Unterlassungs- und
Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, ebenso wie die Projekte
Bündnis für Freilassung, Castor-Nix-Da Kampagne und daslinkeforum.

In einem Gespräch erklärte ein Vertreter von nadir: „Das Demosanizeichen
ist für uns in erster Linie ein in historischer Kontinuität benutztes
Differenzierungsmerkmal, das Demosanis von Rotkreuzsanis unterscheidet.
Es ist deshalb inhärent so gestaltet, damit klar erkennbar - selbst in
stressigen Demonstrationssituationen, mit Schmerzen und Tränengas in den
Augen - Hilfe bei genau den Demosanis, die für solche Situationen
organisiert sind, zu bekommen. Vertrauensvoll, anonym und unkompliziert.
Bemerkenswert daran ist, dass das DRK nicht nur das unmittelbare Zeichen
als sein Eigentum ansieht und beispielsweise Computerspieleherstellern
verbieten will, dieses Symbol in Spielegraphiken zu verwenden, sondern
in geradezu imperialer Manier andere Symbole als eigen erklärt.“

Klar ist, dass die Demo-SanitäterInnen daran interessiert sind, als
solche erkannt zu werden und eben nicht mit dem DRK verwechselt zu
werden. Da die MitarbeiterInnen des DRK in den 80ern nicht auf
demospezifische Anforderungen (CS/CN-Gas, Knüppel, Hundebisse, …)
eingestellt waren und zum anderen regelmäßig Namen sowie Informationen
über Verletzte DemonstrantInnen an die Polizei weitergeben. In einem
offenen Brief an Rettungsorganisationen, Bi´s und andere Demonstranten
von 1983 stellen sich die autonomen Sanitätergruppen folgendermaßen vor:
„Wir verstehen uns allerdings nicht als alternatives Rotes Kreuz,
sondern in erster Linie als Demonstranten. Wir sind deshalb parteilich,
nicht politisch neutral.“ Ebenso deutlich betonen sie den Unterschied
ihres Erkennungszeichen zu jenem des DRK: „Als Kennzeichnung verwenden
wir zwei gekreuzte rote Balken, deren Senkrechter in einer geballten
Faust endet.“

Die Aufforderungen zu Unterlassungserklärungen und die Klagen seitens
des Roten Kreuzes sind nicht neu. Es gab bereits mehrere Prozesse wegen
vermeintlichen Missbrauchs des Rot-Kreuz-Emblems, die alle mit
Freispruch oder Einstellung endeten. So wurden 1982 beispielsweise 10
Mitglieder der Berliner Sanigruppe mit Bußgeldern belangt. Es kam
daraufhin zu Prozessen, in denen das Gericht eine bewusste Anlehnung an
das Rote Kreuz Zeichen zwar gegeben sah, um “in den Wirren einer
Auseinandersetzung zwischen Störern und der Polizei als eine zu
medizinischen Hilfeleistungen bereite Person erkennbar zu sein.“
Allerdings lag nach Ansicht des damaligen Amtsgerichtes Tiergarten dabei
kein „Etikettenschwindel“ vor. Eine Verwechslungsrelevanz bestünde nicht.

Auch der Rechtsanwalt der nun verklagten Roten Hilfe geht in seiner
Klageerwiderung davon aus, dass es sich nicht um ein
verwechslungsfähiges Zeichen handle. Zudem hebt er hervor, dass die
geballte Faust kein Symbol der Gewalt sei, „sondern das Zeichen der linken,
emanzipatorischen Arbeiterbewegung seit dem späten 19. Jahrhundert und
weltweit auch ein Zeichen der neuen sozialen Bewegungen seit den 1970er
Jahren, als solches ein Symbol für die Forderung nach Gleichheit im
Recht und Gerechtigkeit […]“

Laut einem Sprecher der Roten Hilfe will man vor Gericht aber auch auf
einen anderen interessanten Aspekt eingehen. So berufe sich das DRK nach
wie vor auf die ihm im Zusammenhang mit der Gleichschaltung im
Nationalsozialismus 1937 gewährten Gerichtskostenfreiheit. Wohingegen
die Beklagten als „überparteiliche Rechtshilfeorganisation der
Arbeiterbewegung noch im Prozess der Machtübergabe an die
Nationalsozialisten verboten verfolgt, zerschlagen“ wurde, so der
Vergleich des Sprechers. „Das DRK versucht sich als Opfer bzw. als
Refugium aufrechter HumanistInnen darzustellen oder verschwieg seine
Rolle und die führender Repräsentanten einfach. So wurden schon vor der
Gleichschaltung Lobreden auf Adolf Hitler geschwungen und JüdInnen aus
dem DRK ausgegrenzt.“


Die Verhandlung ist für den 8. März um 10:10 Uhr im Landgericht Hamburg
angesetzt. (Saal B.335 (833), Sievekingplatz 1, Aktenzeichen 315 O 794/05)

Die betroffenen Projekte freuen sich natürlich über zahlreiche
solidarische UnterstützerInnen.