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Bleiberechtsregelung jenseits der Schmerzgrenze

17.11.2006, 19:04, Flüchtlingsrats Baden-Württemberg

Asyl | Baden-Württemberg | Flüchtlinge | Abschiebung

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg vom 17.11.2006 zum heutigen Beschluss der Innenministerkonferenz betr. Bleiberecht für Geduldete


Der auf den ersten Blick einigermaßen akzeptabel scheinende Kompromiss der Innenminister droht zum Grab für die Hoffnungen zigtausender Geduldeter zu werden

Die verlangte Aufenthaltsdauer von 6 Jahren für Familien bzw. 8 Jahren für Einzelpersonen, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, wirkt auf den ersten Blick noch einigermaßen akzeptabel, zumal eine einjährige Übergangsfrist für die Arbeitsplatzsuche eingeräumt wird. Fraglich ist, ob für Menschen, die jahrelang künstlich in der Langzeitarbeitslosigkeit gehalten worden sind, diese Frist ausreicht und inwiefern die immer noch gegebene Bevorrechtigung Deutscher und EU-Ausländer nicht ein unüberwindbares Hindernis darstellt. Vor allem die befristeten Duldungen werden potenziell einstellungswillige Arbeitgeber weiterhin abschrecken.

Doch auch das ist nicht der schlimmste Pferdefuß der Regelung.

Unter Punkt 6 werden die Ausschlussgründe erfasst, und hier liegen die wirklich unüberwindbaren Klippen: Alle, die ihre Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert haben oder die keine gültigen Reisepapiere haben, sind von der Regelung ausgeschlossen. Im Klartext heißt das: Flüchtlinge, die ihr verbrieftes Recht auf die Stellung von Asylfolgeanträgen wahrgenommen haben, die sich in den Schutz eines Kirchenasyls begeben haben, oder die sich nach Meinung der Behörden nicht nachhaltig um Reisedokumente bemüht haben, drohen aus dieser Regelung heraus zu fallen. Dies ist vermutlich der größte Teil der jahrelang hier lebenden Geduldeten. Sollte es die Hoffnung der Innenminister sein, Menschen auch nach bis zu 20 Jahren noch abschieben zu können, so ist dies äußerst realitätsfremd. Die Misere müssen vor allem die Kinder der Flüchtlinge ausbaden.

Das Schlimmste befürchtet der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg für Flüchtlinge aus dem Regierungsbezirk Stuttgart. Das Regierungspräsidium Stuttgart ist bereits im Vorgriff auf die zu erwartende Regelung tätig geworden: Es hat Geduldeten, die keine gültigen Reisedokumente besitzen, per Serienbrief, datiert vom 8.11.06, den Entzug der Arbeitsgenehmigung angedroht. Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass ein Ausweisungsgrund vorliege, sollten sie nicht innerhalb von 4 Wochen einen Reisepass vorlegen oder schriftlich darlegen, weshalb ihnen dies unmöglich ist. Das kann nur bedeuten, dass den potenziell von der Bleiberechts-Regelung Begünstigten durch die Hintertür auf Provinzebene jegliche Chance auf einen legalen Aufenthalt genommen werden soll.

Dies ist nicht nur ein außerordentlich zynisches Spiel mit der Hoffnung von Menschen. Es bedeutet auch, dass durch den Entzug der Arbeitserlaubnisse alle derzeit erwerbstätigen Geduldeten in diesem Regierungsbezirk zur Arbeitslosigkeit verdammt werden. Die von einigen Innenministern so gefürchtete „Einwanderung in die Sozialkassen“ wird hier von Behördenseite ohne Not herbeigeführt. Die daraus entstehende finanzielle Belastung wird bewusst in Kauf genommen.

„Von einer dringend erforderlichen Lösung für die geduldeten Menschen sind wir weiterhin meilenweit entfernt“, so Angelika von Loeper vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Damit der Beschluss doch noch alltagstauglich werden kann, fordert der Flüchtlingsrat den Innenminister auf, umgehend einen Abschiebestopp für alle Menschen, die bereits länger als 6 Jahre in Baden-Württemberg leben, zu erlassen. Die Verwaltung muss angewiesen werden, die getroffenen Regelungen großzügig umzusetzen und Aktionen wie die des RP Stuttgart in Zukunft zu unterlassen. Nur so kann die Regelung noch im Sinne der Betroffenen umgesetzt werden.

gez. Helga Groz

Flüchtlingsrat Baden-Württemberg



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