Neue linke Wochenzeitung in der Schweiz in gründung
10.12.2006, 17:40, vielleser
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Von der linken Zeitungskrise und der Debatte um die schwindende Bedeutung gedruckter Nachrichten unbeeindruckt, organisiert sich derzeit in der Deutschschweiz eine neue linke Wochenzeitung. Ein Blatt von und für die »widerständige Linke« – eine Eigenbezeichnung, die als deutliche Abgrenzung gegen die gar zu arg angepasste Linke verstanden werden kann. Unter dem Namen »antidot« wird das neue Projekt ab März 2007 wöchentlich erscheinen.
Die Vorgeschichte zu diesem konzeptionell ein wenig an der deutschen »jungle world« orientierten Versuch ist lang. Seit 1981 erscheint wöchentlich die »WochenZeitung« WOZ als überregionale linke Zeitung der Deutschschweiz. In der Zwischenzeit hat das Blatt eine Entwicklung wie die deutsche »taz« hinter sich: Gegründet in den 80ern als Gegenöffentlichkeitsprojekt, wurde man zusehends zur linksliberalen Zweitzeitung, die ihre Auflage einfach nicht steigern kann. Das bedeutet vor allem ökonomische Probleme. So hat die WOZ eine Auflage von weit unter 15 000 Exemplaren und der aus Anzeigen erwirtschaftete Betrag ist wie auch bei anderen linken Printmedien-Projekten relativ gering. Herausgeberin der WOZ ist die Genossenschaft infolink, der alle WOZ-Mitarbeiter angehören.
Gleichzeitig gab es in der Schweiz mit dem 1945 gegründeten »vorwärts« noch die Zeitung der Partei der Arbeit (PdA). Die mittlerweile dogmatisch-post-kommunistische Partei sitzt im Nationalrat und auch in kommunalen Parlamenten.
Im Herbst 2005 hatten die »vorwärts«-Macher, unterstützt von anderen, einen Schritt zur Öffnung der Zeitung hin zur außerparlamentarischen Linken gemacht, der sich vor allem aus den gemeinsamen Erfahrungen aus den seit mehreren Jahren stattfindenden Mobilisierungen gegen das World Economic Forum (WEF) in Davos speiste. Dieses Experiment wurde im Frühjahr 2006 von einer knappen Mehrheit der Trägerschaft des »vorwärts« gestoppt – und die Zeitung wieder enger an die PdA angebunden. Die Redaktion wurde schließlich – allerdings im gegenseitigen Einvernehmen – gekündigt. Diese Entwicklung stieß in der undogmatischen Linken, die gerade ein offeneres Verhältnis zum »vorwärts« entwickelte, auf Unverständnis und scharfe Kritik.
Unter dem Titel »zwischenberichte« sind seit Sommer nun bereits drei Nullnummern einer Zeitung aus den Bewegungen für die Bewegungen erschienen. Auch ein Trägerverein wurde inzwischen gegründet. Die ersten Ausgaben sind noch etwas dünn und stark vom Glauben an die Wirksamkeit von Gegenöffentlichkeit getragen. Diskussionsbeiträge, was die neue widerständige Linke sei und was sie politisch – im Unterschied zu anderen linken Strömungen – wollen könnte, fehlen bislang. Eine Plattform der Auseinandersetzung für emanzipative Bewegungen in der Schweiz, wie es auf der website heißt, sind die »zwischenberichte« noch nicht. Aber das kann ja noch werden.
Ökonomisch scheinen Redaktion und Trägerverein optimistisch zu sein: Gerade werden gut bezahlte Redakteursstellen ausgelobt.
www.antidot.ch, www.vorwaerts.ch
Quelle: Neues Deutschland vom 8.12. 2006
http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=101701&IDC=41
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