Update: Die Stadt Engen und die Neonazis
22.07.2007, 18:40, lisa reiner
Antifa
| Engen
Wie verhält sich die Stadt Engen zu der Tatsache, dass die Neonaziszene im Kreis Konstanz dort feste Strukturen aufbaut und sich auch ansonsten ziemlich heimisch zu fühlen scheint?
Während das Hauptamt der Stadt Engen (nicht das Bürgermeisteramt), wie bereits berichtet, im Vorfeld überrascht auf die Nachricht reagierte, dass sich am 30. Juni ca. 50-60 (nach Angaben der "Jungen Nationaldemokraten" (JN) 80) Neonazis bei Engen zu einer "Stützpunkts-Gründungsfeier" der JN treffen würden, und "der Eindruck vermittelt wurde, dass das Thema ernst genommen wird und es der Stadt nicht egal ist, ob sich Engen zu einer Nazi-Hochburg im Hegau und Kreis Konstanz entwickelt", stellt sich im Nachhinein heraus, dass städtischerseits kaum Strategien bestehen, diesem Anwachsen tatsächlich entgegenzutreten. In einem Gespräch einen Tag vor der Nazifeier gab der Pressesprecher und Leiter des Hauptamts, Patrick Staerk, an, dass zwei Stellen für eine solche Feier in Frage kämen: erstens der Grillplatz am Spöck, zweitens eine Hütte bei Anselfing. Während letztere öffentlich zugänglich sei, wäre der Grillplatz am Spöck im Besitz der Stadt, die nicht an Neonazis vermieten würde.
Nachdem die Nazis völlig ungestört an der Zimmerholzer Hütte, ca. 100-200 Meter von den ersten Häusern des Dorfes Zimmerholz entfernt, feiern konnten, Reden gehalten wurden und "zwei Kameraden" "Balladen" zum Besten gaben, stellt sich die Frage, wie es passieren konnte, dass die Zimmerholzer Hütte, ebenfalls im Besitz der Stadt, für diesen Abend an Neonazis vermietet wurde.
Patrick Staerk gab auf erneute Anfrage an, die Hütte werde vom Verkehrsverein verwaltet. Dieser habe sie an einen "angesehenen Engener Bürger" vermietet, der angab, dort eine Geburtstagsparty veranstalten zu wollen. Der Jugendliche, Sohn eines Engener Gewerbetreibenden, sei zuvor "nicht in dieser Richtung aufgefallen." Weder die Stadt noch die Singener Polizei, die an diesem Abend am Spöck und in Anselfing patrouillierte, kamen auf die Idee, diese "Geburtstagsfeier" könne die gesuchte Naziparty sein.
Auch die Zimmerholzer Anwohner haben sich nicht beschwert. Die Hütte liegt allerdings so nah am Dorf, dass Reden, Partylärm und "nationale Balladen" doch durchaus zu hören gewesen sein könnten.
Während Staerk offen Fehler eingesteht und beteuert, in Zukunft besser zu überprüfen, wer da "Geburtstagsfeiern" anmeldet, drängt sich langsam die Frage auf, ob langfristigere und weitergehende Strategien bestehen, dem Anwachsen der Neonaziszene am Ort und der Bildung fester, gut organisierter Nazistrukturen entgegenzuwirken. Auch andere Kommunen in Deutschland und am Bodensee (Friedrichshafen!) haben mit verfehlter Politik, "engagiertem Ignorieren" und Gerede vom "Links- wie Rechtsextremismus", die beide gleich schlimm seien, den Neonazis guten Nährboden geliefert, auf dem feste faschistische Strukturen aufgebaut wurden, wo linke Gegenprojekte kaum mehr arbeiten können und die Nazis sich jetzt frei und großenteils ungestört bewegen können.
Kommentar