linksrhein
linksrhein@nadir.org

Volltextsuche

linksrhein-Homepage

nadir

cm, Konstanz 13. Juli 99

Warum eine linke Kandidatur?

Die Grünen sind eine Partei, deren hauptsächliche soziale Basis Leute bilden, für die soziale Probleme - Einkommen, Arbeitslosigkeit, Steuer- und Gebührenausplünderung etc. -nicht von vorrangigem Interesse ist. Das ist auch kein Wunder. Sie werden mehrheitlich gewählt von akademisch gebildeten Leuten, für die materielle Probleme nicht an erster Stelle stehen. Deshalb die Konzentration ihrer Kritik auf den ökologismus, eine Kritik, die den Kapitalismus nicht hauptseitig vom Standpunkt der Produzenten kritisiert, die in den Betrieben den Mehrwert schaffen müssen, sondern vom Standpunkt von „Leitenden" aus, die den Kapitalisten Verschwendung, Unfähigkeit etc. vorwerfen.

Zweifellos gibt es Berührungspunkte, die Bündnisse mit grünen Kräften an verschiedenen Punkten möglich und nötig machen. Kandidaturen zu bürgerlichen Parlamenten und Gemeinderäten dienen jedoch (von uns aus gesehen) anderen Zielen.

In Wahlkämpfen wird die praktizierte Politik der Bürgerlichen zur Diskussion gestellt und werden Vorschläge gemacht, wie es weitergehen soll. Es herrscht (das mag beklagt werden, ist aber Tatsache) eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit. Für die politischen Kräfte, die die bürgerliche Politik bekämpfen, schafft das doppelt die Notwendigkeit in den Wahlkampf einzugreifen. Die Orientierung im kommenden Wahlkampf muß unseres Erachtens darin bestehen, die programmatischen Forderungen und Vorstellungen all derer klar zu formulieren, die eine Kommunalpolitik angreifen, die an den Interessen von Konzernen und Geschäftswelt ausgerichtet ist und für die vielfältigen sozialen Ansprüche der arbeitenden Bevölkerung, besonders von Leuten mit wenig Geld eintreten. Eine solche Kandidatur muß ihren Hauptstoß gegen die faschistischen und reaktionären Kräfte richten. Sie macht dabei Sinn nur, wenn wir die Positionen, die uns von den Grünen unterscheiden, deutlich vertreten. Wir sind nicht gegen die Grünen (sofern sie nicht gegen Werktätigeninteressen verstoßen), wir stehen für andere soziale Interessen als sie. Die Formulierung solcher Interessen kann in letzter Konsequenz nur auf antikapitalistischer Grundlage geschehen. Der Grund dafür: Die Verhältnisse, in denen das Kapital (und seine politischen Sachwalter) und die Werktätigen zueinander stehen, haben diverse Leute, deren Positionen wir uns verpflichtet fühlen, als antagonistisch bezeichnet. Dieses Eingreifen kann außerdem nur auf antifaschistischer Grundlage geschehen - angesichts der beunruhigenden faschistischen Sammlung und der Förderung dieser Sammlung durch die Stadt. Es muß schließlich geschehen auf Grundlage von Forderungen für die entrechteten ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter, die als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.

Eine solche Schwerpunktsetzung ist mit der FGL nicht zu machen, schon gar nicht, wenn Einzelne von uns auf ihrer Liste kandidieren würden. Für sie ist eine solche Orientierung gegen die Konzerne zu „monokausal" (W. Allweiss). Wir plädieren deshalb für eine Kandidatur all jener die der Meinung sind, daß eine andere Politik in Konstanz, die soziale Ansprüche der Werktätigen nur gegen Konzern- und Wirtschaftsinteressen zu machen ist. Eine solche Politik muß sich hauptsächlich gegen die reaktionäre und faschistische Formierung richten, sie darf nicht bei der Benennung von Übeln stehen bleiben, sondern muß versuchen, deren Ursachen aufzuzeigen. Obwohl wir im antifaschistischen Kampf eine antikapitalistische Orientierung vertreten, respektieren wir andere, antifaschistische Strömungen und sind der Meinung, daß ihnen gegenüber eine Bündnispolitik entfaltet werden muß. Wir schlagen deshalb konkret vor, an FGL und SPD heranzutreten mit dem Vorschlag, sich über gemeinsame antifaschistische Aktionen im Wahlkampf zu einigen.

Bei Wahlen mitmachen?

Um die Möglichkeiten eines solchen Eingreifens in der heutigen Situation optimal auszuschöpfen sollte es in eine Kandidatur, möglichst eine Bündniskandidatur münden, zu der sich die Kräfte des Widerstands zusammenfinden: Autonome, AnarchistInnen, Feministinnen, KommunistInnen, SozialistInnen. Nicht, daß wir der Illusion nachhingen, die Durchsetzung unserer Forderungen könne nach der Formel - Je mehr linke Gemeinderatsmitglieder, desto besser die soziale Lage" gelöst werden. Für eine Beteiligung sprechen jedoch verschiedene pragmatische Bei Wahlen mitmachen?Argumente:

- Wahlergebnisse geben Aufschluß über die politischen Verhältnisse. Das ist wichtig für die Entwicklung unserer Politik.

- Gemeinderatsmitglieder, die sich nicht dem "Konsens der Demokraten" gegen die Bevölkerungsmehrheit verpflichtet fühlen, können über den Zugang zu internen, schwer oder nicht öffentlich zugänglichen Dokumenten, Vorlagen, etc. gezielt für die sozialen Bewegungen arbeiten.

- Linke Gemeinderatsmitglieder, die nicht der Fraktionsdisziplin oder einer Parteibasis verpflichtet sind, können durch ihre Arbeit im Gemeinderat zur Stärkung der Forderungen und Ansprüche sozialer Bewegungen beitragen.

Zur FGL-Politik

April 1989: Die FGL beschließt ihre Kommunalwahl-Kandidatur.

April 1989: Auf einer FGL-Veranstaltung hält FGL-Stadtrat Allweiss eine Bündnis-Kandidatur nicht für möglich. Die Antikapitalistischen Erklärungsmuster der AL seien ihm zu monokausal. Er macht das "Industriesystem" für gesellschaftliche Probleme verantwortlich. Ausdrücklich betont Allweiss, daß die Grünen Gebührenerhöhungen in verschiedenen Bereichen (z.B. Wasser) aus ökologischen Gründen für sinnvoll hält.

Oktober 1988: Gegenüber dem Nebelhorn äußert ein FGL-Sprecher, die Erhöhung von Wasser-, Müllgebühren sowie der Eintrittspreise bei den städtischen Bädern lehne die FGL nicht grundsätzlich ab.

Oktober 1988: Die FGL fordert, die Uni-Parkplätze "zu bewirtschaften". 40 DM pro Monat sollen diejenigen zahlen, die ihr Auto dort abstellen wollen. Ausgenommen soll nur werden, wer "nicht oder nur schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln" fahren könne. Eine solche "unpopuläre Maßnahme" sei wirksames Mittel zu Einschränkung des Individualverkehrs.

Oktober 1988: Demonstration gegen die Wohnungsnot. Obwohl das Problem seit Jahren immer schlimmer wird, die FGL über den Gemeinderat keine schlechten Möglichkeiten hätte, es zu artikulieren, herrscht weitgehend Funkstille. Häufig ist den FGLern bei Debatten zum Thema die Frage, wieviel Bäume gefällt werden müßten, wenn gebaut würde, wichtiger als soziale Aspekte.

Mai 1988: Bei Verhandlungen zwischen AL und FGL, die erst nach langem Hin und Her und vor allem nachdem die FGL ihre Kandidatur schon beschlossen hatte auf Drängen der AL zustandekamen, wird keine Einigung über die Behandlung sozialer Interessen von Leuten mit wenig Geld erzielt. Die FGL vertritt beharrlich den pädagogischen Nutzen von Gebührenerhöhungen.

Mai/Juni 1988: OB-Wahlkampf der FGL hat das Ziel, "tiefe Einbrüche ins bürgerliche Lager zu erzielen. Antifaschismus, Ausländerrechte, soziale Ansprüche der Werktätigen spielen keine oder nur eine untergeordnete Rolle.

Bei der öffentlichen Kandidatenvorstellung spricht ein NPD-Faschist. Das Antifa-Komitee hatte die anderen Kandidaten aufgefordert, sich nicht an der Veranstaltung zu beteiligen. Die FGL-Kandidatin ignoriert dies. Die vielfachen Aufforderungen, sich am Antifa-Komitee und am antifaschistischen Kampf zu beteiligen, ignoriert die FGL bis heute.

Januar 1988: Die FGL stimmt den neuen Pflegesätzen im Krankenhaus zu, die zwischen Spitalstiftung, AOK und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen ausgehandelt wurden. Steigerung 4,7%. Das Verhandlungsergebnis umfaßt auch: Bettenabbau, Senkung der Verweildauer, Personalabbau.

Januar 1988: Die FGL stimmt dem Abbau von 30 Betten in den städtischen Krankenanstalten zu.

August 1987: Die FGL stellt eine Studie vor, wie die Busverbindungen zu optimieren wären. Wie das bürgerliche Lager geht sie von der Prämisse aus, der öffentliche Nahverkehr dürfe die Stadt nicht mehr kosten. Der FGL ist die damit verbundene Mehrarbeit für Busfahren kein Wort wert. Die Forderung nach Einstellung von mehr Personal, zusätzlichen Pausen etc., um die Nachtarbeit für die Beschäftigten erträglicher zu machen, fehlen. Einzelne Stadträte der FGL stimmen der Erhöhung der Buspreise zu.