Alternative Linke Liste
August 1989
Konstanz
Grundsatzerklärung
Die ALTERNATIVE LINKE LISTE Konstanz (ALL) versteht
sich als kommunalpolitisches Bündnis der Linken
in Konstanz. Mitglieder verschiedener Organisationen
und Initiativen - BWK, DKP, MLPD, VSP, Volksfront gegen
Reaktion Faschismus und Krieg, Antifaschistisches Komitee,
Wohnrauminitiative und Initiative gegen Atomanlagen, sowie
Leute aus autonomen und und feministischen Zusammenhängen
- haben die ALL gebildet, weil im Kampf gegen reaktionäre
Politik und faschistische Formierung Fortschritte nur durch
eine Bündnispolitik erzielt werden können. Sie
muß in der ALL vom Grundsatz ausgehen, daß in
einem solchen Bündnis alle Strömungen der
antikapitalistischen Linken ihre politischen Zielsetzungen
formulieren können. Das ist möglich, weil die
Beteiligten über alle Unterschiede hinweg eint,
daß sie von emanzipa-torischen Standpunkten aus
gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung
wirken.
Die aktuelle politische Lage macht eine bessere und
engere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Strömungen
der linken Opposition in Konstanz dringend nötig.
* Die Interessen der Wirtschaft diktieren in Konstanz
die Kommunalpolitik. Gestützt auf den BürgerInnenblock
aus CDU/FDP/FWG, häufig genug auch auf die SPD und
manchmal sogar auf die FGL, steuert die Stadtverwaltung
des Oberbürgermeisters Eickmeyer einen Kurs, der ganz
auf die Förderung der Profitwirtschaft ausgerichtet ist.
Nutznießer dieser Politik sind in erster Linie Konzerne
und große Unternehmen. Der BürgerInnenblock bietet
ihnen nicht nur den Vorzug traumhaft niedriger
Gewerbesteuersätze. Sie werden von der Stadt
darüber hinaus mit Billigtarifen für Energie,
mit Grundstücken zu Schleuderpreisen, mit
kostengünstiger Infrastuktur subventioniert.
Dazu kommt eine Investitions- und Baupolitik, mit
der die Verantwortlichen in erster Linie das Ziel
verfolgen, die Stadt zum luxussanierten Objekt der
Profitinteressen der Tourismusbranche und der
Geschäftswelt aufzumotzen.
- Die Zeche für diese Politik zahlt die arbeitende
Bevölkerung, also ArbeiterInnen und Angestellte,
Hausfrauen, Erwerbslose, RentnerInnen, SchülerInnen
und StudentInnen. Während dem Kapital
großzügige Geschenke gemacht werden,
erhöhen Gemeinderatsmehrheiten quer durch alle
Fraktionen Jahr um Jahr die Gebühren für
öffentliche Dienstleistungen, auf die die arbeitende
Bevölkerung angewiesen ist. Gleichzeitig
schränken die Verantwortlichen kommunale Leistungen
ein und rationalisieren unter den städtischen
Beschäftigten. In jüngster Zeit werden die
Rufe von Teilender konservativ-liberalen Kräfte
immer lauter, Teile der kommunalen Dienstleistungen
Privatunternehmen zu überlassen und damit offen
den Marktgesetzen zu unterwerfen. Die städtische
Förderung von Spekulation und Luxussanierung
vernichtet preisgünstigen Wohnraum, führt
zu drastischen Mieterhöhungen und macht den bitter
notwendigen Bau von Sozialwohnungen faktisch
unmöglich.
* Diese Politik trifft die arbeitende Bevölkerung
um so härter, als sich ihre Lage in den vergangenen
Jahren vielfach verschlechtert hat. Auf breiter Front
haben die Unternehmer die Arbeitshetze in den Betrieben
erhöht und die Ausbeutung gesteigert. Dieselben
Konzerne und Unternehmen, denen die Stadt Millionengeschenke
macht unter dem Vorwand, das sichere Arbeitsplätze
und Wohlstand, zwingen die Beschäftigten zu immer mehr
Schicht- und Wochenendarbeit. Arbeitsverhältnisse in
Teilzeit, auf Abruf, nur für kurze Zeit werden
geschaffen, von denen viele der Betroffenen nicht leben
können. Die Kehrseite der Medaille ist eine anhaltend
hohe Arbeitslosigkeit auch in Konstanz, trotz glänzender
Konjunktur und satter Gewinne der Wirtschaft. Ergänzt
wird diese Politik des Kapitals durch Regierungsmaßnahmen,
die auf die Beseitigung der Ansprüche der
Lohnabhängigen auf Sozialleistungen und Versicherungen
zielen. Kein Wunder, daß die Armut drastisch zunimmt,
in Konstanz 1 000 Menschen gezwungen sind, den Gang zum
Sozialamt anzutreten.
* Besonders brutale Auswirkungen zeitigt die
konservativ-liberale Politik für Frauen. Sie müssen
häufig die schlechtestbezahlten Jobs verrichten, werden
oft als erste gefeuert und als letzte wieder eingestellt. Von
der zunehmenden Armut sind überdurchschnittlich viele
Frauen betroffen. Solche Verhältnisse - ergänzt
um eine sich von Konservativen bis zu Faschisten spannende
Propaganda, die Frauen biologistisch auf Gebärerin und
Umsorgerin von Mann und Familie reduzieren will - führt
zu einer Vertiefung patriarchalischer Strukturen und
sexistischer Erscheinungen, durch die Frauen zusätzlich
unterdrückt werden.
* Die Unterdrückung der ausländischen
Bevölkerung wird von der Reaktion vertieft. Das
gültige Ausländergesetz enthält ihr
wesentliche Rechte vor und erlaubt nicht einmal die
Teilnahme an Wahlen. Bei den Kommunalwahlen im Herbst
verhindert dieses Zweiklassenwahlrecht, daß 10%
der Konstanzer Bevölkerung ihre politische Meinung
äußern. Gleichzeitig nimmt die Hetze gegen
diesen Teil der Bevölkerung unerträgliche
Ausmaße an. Im Dunstkreis von Konservativen und
Faschisten blühen armselige, rassistische Theorien
von einer angeblich natürlichen Ungleichheit der
Menschen. Sie bilden den ideologischen Hintergrund
für die von Späth bis Schönhuber
geäußerten Drohungen mit zusätzlichen
Repressalien und Schikanen; Drohungen, die die
Bundesregierung mit einem neuen Ausländergesetz
in Paragraphen gießen will. Flüchtlinge,
die gezwungen sind, in die BRD zu kommen, sehen sich
einer immer brutaleren Behandlung ausgesetzt. Heute
schon unter unmenschlichen Bedingungen kaserniert und
mit Arbeitsverbot belegt (oder bald zur Zwangsarbeit
gezwungen), sollen sie nach den Plänen von CDU/CSU
künftig noch schneller abgefertigt und dann
abgeschoben werden - häufig genug in die Arme
ihrer Henker. Die Ausländer- und Asylpolitik der
Stadt Konstanz liegt ganz auf dieser reaktionären
Linie. Die hier kasernierten Flüchtlinge sind
unter menschenunwürdigen Bedingungen auf engstem
Raum zusammengepfercht. Mehrmals wurden sie in den
vergangenen Jahren von einem Tag auf den anderen in
andere Unterkünfte verlegt, ohne daß die
Verantwortlichen sie auch nur unterrichtet hätten.
Sie dürfen die Stadt nicht verlassen, erhalten
Sozialhilfe in "Naturalien" und selbst das
Kochen wird ihnen verwehrt.
* Auch in Konstanz formieren sich faschistische
Gruppierungen. Bei den Europawahlen in diesem Jahr
erzielten sie zusammengenommen erschreckende 9,6%.
Egal wie sie heißen, sie gleichen sich in
ihrem Gedankengut, dessen Kernpunkte Rassismus,
Sexismus, Nationalismus und Militarismus sind. Sie
treten ein für einen starken Staat, der im Dienste
der Profitwirtschaft soziale Ansprüche niedermacht;
sie wollen die Wiederrichtung eines großdeutschen
Reiches, also Krieg gegen die Länder Osteuropas;
Frauen weisen sie die Rolle von Gebärmaschinen
für's Vaterland und Dienerinen von Mann und Familie
zu; ihre "Ausländer raus"-Parolen werden
rassistisch mit mit einer angeblich
"natürlichen" Überlegenheit
des Deutschtums begründet. Um ihre Ziele
durchzusetzen, schrecken sie vor Terror und Totschlag
nicht zurück. Dieses Erstarken faschistischer
Organisationen läßt sich ohne die
konservativ-liberale Politik nicht erklären.
Sie bietet den Faschisten zahlreiche Bezugspunkte,
wie zum Beispiel die Leistungs- und Elitepropaganda,
wonach Leute, die es nicht zu Geld bringen, ein Dreck
sind. Besonders deutlich werden solche Parallelen
zwischen CDU/CSU bei den Positionen zur
Ausländerpolitik, wo die Hetze sich häufig
nur im Tonfall unterscheidet. Der Faschismus steht
für die schrankenlose Durchsetzung der Wolfsgesetze
des Kapitalismus in der Gesellschaft.
Diese Entwicklungen - und viele andere, hier nicht
genannte - machen es dringend nötig, daß
Positionen gestärkt werden, die sich an den
Ansprüchen und Interessen der arbeitenden
Bevölkerung orientieren. Die ALL will mit
ihren Aktivitäten dazu beitragen.
- Sie wendet sich in allen Fragen der Kommunalpolitik
gegen die Förderung der Profitinteressen des
Kapitals und tritt demgegenüber ein für
den Ausbau von sozialen, kulturellen, pädagogischen
und sportlichen Einrichtungen für die arbeitende
Bevölkerung. Sie kämpf t gegen weitere
Gebührenerhöhungen und fordert, daß
kommunale Dienstleistungen für die arbeitende
Bevölkerung zum Nulltarif zur Verfügung
gestellt werden.
- Sie wendet sich gegen die gegenwärtig
betriebene Wohnraumpolitik, die sich hauptsächlich
an den Interessen von Bauindustrie und Spekulanten orientiert.
Sie fordert dagegen eine Wohnraumpolitik, die sich an den
Bedürfnissen von Menschen mit wenig Geld orientiert.
Wohnen ist ein Grundbedürfnis der Menschen - die
Möglichkeit, menschenwürdig zu wohnen, darf
nicht an die Höhe des Einkommens gekoppelt sein.
Deshalb fordert die ALL eine Politik, die billigen
Wohnraum mit menschenwürdigen Mindeststandards
erhält (z.B. durch konsequente Anwendung des
Zweckentfremdungsverbots) und neuen Wohnraum dieser
Art schafft.
- Sie unterstützt den Kampf gegen jede Form
von patriarchalische Unterdrückung, und tritt ein
für eine Kommunalpolitik, die gegen die
gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen wirkt.
Sie fordert ausreichende und billige öffentliche
Einrichtungen, die es Frauen mit Kindern ermöglichen,
berufstätig zu sein, wie Kindergärten und -krippen.
Sie unterstützt die Forderung nach einem von der Stadt
finanzierten, autonom verwalteten Frauenhaus.
- Sie kämpft gegen Rassismus und
AusländerInnenfeindlichkeit und wendet sich gegen
alle die ausländische Bevölkerung diskriminierenden
Gesetze und Verordnungen. Sie tritt für eine Kommunalpolitik
ein, die es Menschen aus dem Ausland so weitgehend wie
möglich gestattet, ihre Ansprüche und Interessen
zu formulieren und durchzusetzen. Sie fordert die
vollständige politische und rechtliche Gleichstellung
von Menschen aus dem Ausland mit Deutschen. Erster Schritt
in diese Richtung ist das Kommunalwahlrecht für die
ausländische Bevölkerung.
- Sie bekämpft die faschistische Formierung und
fördert alle Bestrebungen, faschistische Ideologie
gesellschaftlich zu ächten. Sie tritt faschistischen
Organisationen öffentlich entgegen und nutzt alle
Möglichkeiten, faschistische Ideologie zu isolieren
und anzugreifen. Sie fördert eine antifaschistische
Bündnispolitik auf kommunaler Ebene und fordert eine
Kommunalpolitik, die sich an antifaschistischen
Grundsätzen orientiert. Sie tritt ein für
das Verbot faschistischer Organisationen nach Art.
139 des Grundgesetzes und der entsprechenden
Kontrollratsgesetze der Alliierten.
Um eine Kommunalpolitik zu stärken, die
sich an solchen Grundsätzen orientiert, kandidiert
die ALL bei den Kommunalwahlen am 22. Oktober mit einer
eigenen Liste. Sie betrachtet diese Kandidatur als einen
wichtigen Beitrag zur Stärkung fortschrittlicher
Positionen in Konstanz. Sie vertritt allerdings die
Auffassung, daß die Entscheidung darüber
letztlich nicht im Gemeinderat fällt. Über
Erfolge oder Mißerfolge im Kampf gegen reaktionäre
Politik und faschistische Formierung entscheidet vielmehr,
ob die davon Betroffenen für ihre Interessen aktiv
werden und ihre Ansprüche und Forderungen gegenüber
den Herrschenden formulieren. Dazu beizutragen ist Ziel der
Politik der ALL.
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