linksrhein@nadir.org cm, Konstanz 03. 08. 99 |
Politische, kulturelle und soziale Gleichstellung aller ArbeitsimmigrantInnen und FlüchtlingeGut 10% der in Konstanz lebenden Menschen besitzen keinen deutschen Paß. Sie sind wie alle 4,5 Mio. in der BRD lebenden AusländerInnen durch hunderte von Paragraphen und Verwaltungsbestimmungen, insbesondere aber durch das Ausländergesetz von den hier Herrschenden in politischer, sozialer und rechtlicher Hinsicht zu Menschen zweiter Klasse abgestempelt. Bei den KonstanzerInnen ohne deutschen Paß handelt es sich vor allem um ArbeitsimmigrantInnen aus Italien, Spanien, Jugoslawien und der Türkei/Kurdistan, die in den letzten Jahrzehnten von bundesdeutschen Unternehmen angeworben wurden und um deren meist hier geborenen Nachkommen. Desweiteren leben hier Flüchtlinge, die aufgrund von Hunger, Krieg und politischer Unterdrückung in ihrer Heimat gezwungen waren, in die BRD zu flüchten. Zur Lage der ArbeitsimmigrantInnenDie herrschende Ausländergesetzgebung schreibt fest, daß die ArbeitsimmigrantInnen nur solange in der BRD eine Daseinsberechtigung haben, wie sie den Profitinteressen des Kapitals dienen. Ihr Aufenthalt wird von der Verfügbarkeit ihrer Arbeitskraft abhängig gemacht. Die meisten von ihnen besitzen deshalb keinen gesicherten Aufenthaltsstatus und sind somit im Fall von Erwerbslosigkeit, oder wenn sie auf Sozialhilfe angewiesen sind, ständig von Ausweisung bedroht. Politische Rechte werden ihnen vorenthalten: Das Recht auf Vereinigungsund Versammlungsfreiheit ist für AusländerInnen erheblich eingeschränkt. Sie haben kein Recht, Parteien zu bilden. Das allgemeine Wahlrecht wird ihnen sowohl auf Kommunal-, als auch auf Landes- und Bundesebene verweigert. Die kulturellen und sozialen Ansprüche der hier lebenden ArbeitsimmigrantInnen werden von Staats wegen mit Füßen getreten. Ihre Entrechtung hat System: Sie erfüllt die Funktion, die arbeitende Klasse zu spalten und so eine gemeinsame Interessenvertretung der Lohnabhängigen zu verhindern. Sie ist somit auch eine Grundlage für die Herausbildung von ausländerfeindlichen und rassistischen Vorurteilen. Einbürgerung - billiges AblenkungsmanöverDie von konservativ-reaktionärer Seite propagierte Alternative: Fortdauer der Entrechtung oder Einbürgerung, verbunden mit der Aufgabe der eigenen Staatsbürgerschaft, ist in diesem Zusammenhang ein billiges Ablenkungsmanöver, um weiterhin einen bedeutenden Teil der lohnabhängigen Klasse Rechte vorzuenthalten. Die deutsche Staatsbürgerschaft sollen schließlich nur junge, unvernutzte "Arbeitskräfte" erhalten, nicht etwa ältere Menschen, deren Lebenskraft durch das BRD-Kapital zerschlissen wurde. Es gibt jedoch auch aus anderen Gründen keine Alternative zur völligen politischen, kulturellen und sozialen Gleichstellung aller Arbeitsimmigrantinnen mit Deutschen. Mit ihrer gegenwärtig betriebenen revanchistischen Aussiedler-Kampagne zielen die Herrschenden nicht nur darauf, die Gesellschaften Osteuropas sturmreif für das (westdeutsche) Kapital zu schießen. Die relative Privilegierung der Aus- und UmsiedlerInnen schafft auch ein Klima des Neides und der Mißgunst unter den Betroffenen, das jedes solidarische Verhalten verhindert. Die unterschiedliche rechtliche Stellung von Flüchtlingen, ArbeitsimmigrantInnen, AussiedlerInnen und armen Deutschen sowie die von staatlicher Seite immer wieder betriebene Hetze gegen den am meisten entrechteten Teil dieser lohnabhängigen Menschen, nämlich den Flüchtlingen und ArbeitsimmigrantInnen, soll alle Betroffenen an der Erkenntnis hindern, daß sowohl bei der Privilegierung als auch bei der Entrechtung einzelner Teile der lohnabhängigen Klasse immer das Profitinteresse des Kapitals im Vordergrund steht: das Interesse an billigen, und sich keiner Zumutung des Kapitals widersetzenden Arbeitskräften. Das Recht der in der BRD lebenden Menschen, über ihre sozialen, politischen und kulturellen Angelegenheiten selbst zu bestimmen, darf nicht an die deutsche "Volkszugehörigkeit" geknüpft sein. Wer Menschrechte vom Deutschtum abhängig macht, leistet rassistischer und faschistischer Propaganda Vorschub. ArbeitsimmigrantInnen in KonstanzDie Entrechtung von Staats wegen setzt in Konstanz die Ausländerbehörde durch. Obwohl ein Großteil der ArbeitsimmigrantInnen bereits seit vielen Jahren in Konstanz lebt, besitzen die meisten bis heute keinen gesicherten Aufenthaltsstatus. Ihre soziale Lage ist dadurch gekennzeichnet, daß sie zumeist schwere, schmutzige und die am schlechtesten bezahlten Tätigkeiten verrichten müssen. Sie werden bei Entlassungen als erste gefeuert und als letzte wieder eingestellt. Deutsche haben Vorrang bei der Arbeitsvermittlung. Kein Wunder, daß auch im Arbeitsamtsbezirk Konstanz weitaus mehr ArbeitsimmigrantInnen von Erwerbslosigkeit betroffen sind, als Deutsche. ArbeitsimmigrantInnen steht nicht nur erheblich weniger Wohnraum zur Verfügung als den Deutschen, sie bezahlen auch die höchsten Mieten für den am schlechtesten ausgestatteten Wohnraum. Schon 1979 kommt eine Studie des Sozial- und Jugendamts Konstanz zu dem Ergebnis, "daß Ausländer hinsichtlich der Wohnversorgung gegenüber den Deutschen erheblich benachteiligt sind". Die Situation hat sich bis heute noch verschärft, da in den letzten Jahren eine Sanierungspolitik gegen die armen BewohnerInnen der Stadt und zugunsten der Geschäftswelt und der Hauseigentümer vorangetrieben wurde. In den öffentlichen Einrichtungen dieser Stadt, ihren Behörden, den Kindergärten, aber auch den Schulen wird bis heute kaum berücksichtigt, daß in Konstanz viele Menschen mit einer anderen Kultur und einer eigenen Sprache leben. Die ArbeitsimmigrantInnen sind auch in diesem Punkt in Konstanz politisch entmündigt. Obwohl sie Steuern und städtische Gebühren entrichten, die Arbeitslosen- und Rentenversicherung maßgeblich mitfinanzieren und von sämtlichen staatlichen Entscheidungen mitbetroffen sind, werden ihnen politische Rechte vorenthalten. Den in kommunalen Angelegenheiten zuständigen Konstanzer Gemeinderat dürfen sie nicht mitwählen. Statt dessen hat der Konstanzer Gemeinderat einen Ausländerbeirat geschaffen, dem allerdings keine Initiativ- und Entscheidungsrechte eingeräumt werden. Als Unterausschuß des Spital- und Jugendausschusses hat er kein Antragsrecht im Gemeinderat. Auch seine Besetzung mit acht Gemeinderatsmitgliedern, dem OB oder seinem Stellvertreter, sowie acht AusländerInnen garantiert, "daß der deutsche Standpunkt in den Beratungen direkt sichtbar wird". Der Ausländerbeirat täuscht Mitwirkungsmöglichkeiten der in Konstanz lebenden ArbeitsimmigrantInnen nur vor. Er ist ein Alibi für die politisch Verantwortlichen in Konstanz, um den AusländerInnen volle Mitsprache- und Mitbestimmungsmöglichkeiten über ihre Angelegenheiten vorzuenthalten. Zur Lage der FlüchtlingeNur wenige der weltweit vor Hunger, Krieg und politischer Unterdrückung fliehenden Menschen erreichen die BRD. Haben sie jedoch alte Barrieren überwunden die die BRD errichtet hat um die Opfer ihrer imperialistischer Politik am Überschreiten ihrer Grenzen zu hindern, und stellen sie einen Asylantrag, werden sie einer brutalen und menschenfeindlichen Abschreckungspolitik unterworfen:
Die Diskussion um die teilweise Aufhebung des gegen die Flüchtlinge verhängten Arbeitsverbots im landwirtschaftlichen, gastronomischen und sozialen Bereich, die jetzt vom baden- württembergischen Innenministerium begonnen wurde, zeigt deutlich, um was es bei all diesen gegen Flüchtlinge gerichteten Maßnahmen geht. An Teilen der lohnabhängigen Klasse wird das vorexerziert, was allen droht, wenn wir nicht rechtzeitig Widerstand dagegen entwickeln:
Flüchtlinge in KonstanzBis heute haben die politisch Verantwortlichen in Konstanz der an den Flüchtlingen vollstreckten Abschreckungspolitik keinen Widerstand entgegengesetzt. Die Flüchtlinge sind aus ihrer Sicht in erster Linie ein unerwünschter Kostenfaktor, und so werden sie auch von der Stadt behandelt. In Konstanz wurden sämtliche "von oben" verordneten Abschreckungsmaßnahmen bis ins Detail vollzogen. Es verwundert deshalb nicht, daß sich die Stadt der zwangsweisen Vertreibung der in Konstanz lebenden Flüchtlinge und deren "Austausch" mit SpätaussiedlerInnen nicht widersetzt hat. Es ging der Stadt immer darum, die Anzahl der unterzubringenden Flüchtlinge durch einen möglichst günstigen Berechnungsschlüssel niedrig zu halten. Kennzeichnend für die Haltung der Stadt gegenüber den Flüchtlingen ist auch, daß sie während des Zeitraums, in dem die Flüchtlinge im Meßhotel und der Jägerkaserne untergebracht waren, keine Maßnahmen ergriffen hat, um die Wohnbedingungen der Flüchtlinge zu verbessern. Renovierungsarbeiten wurden erst dann vorgenommen, als die Vertreibung der Flüchtlinge und die Unterbringung von Aus- und UmsiedlerInnen sich abzeichnete. Um den Anspruch auf menschenwürdige Lebensbedingungen für ArbeiterInnen, Erwerbslose, SozialhilfeempfängerInnen, SchülerInnen, StudentInnen, Hausfrauen und arme RenterInnen zu verwirklichen, ist es notwendig, auch auf kommunaler Ebene sämtliche Chancen zu nutzen, die Lebensbedingungen von ArbeitsimmigrantInnen und Flüchtlingen zu verbessern und damit einer Spaltung der lohnabhängigen Menschen entgegenzuarbeiten. Die ALL fordert Zur Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen:
Zur Verbesserung der kulturellen Lebensbedingungen:
Zur Verbesserung der rechtlichen Situation:
Zur Verbesserung der politischen Situation:
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