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cm, Konstanz 04. 08. 99

Kommunen und Trikont

Die kommunale Selbstverwaltung, die in Art.28, Abs.2 GG definiert wird, beschränkt die Gemeinden auf die Erledigung der Angelegenheiten ihres örtlichen Wirkungskreises. Gleichwohl ist auch nach herrschender Auffassung unter bestimmten Bedingungen ein Engagement der Gemeinden im Ausland möglich. So stellt der Arbeitskreis III. "Kommunale Angelegenheiten" der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien der Bundesländer fest; "Grundvoraussetzungen einer zulässigen kommunalen Arbeit ist..., daß sie auf lokaler Ebene geschieht, mithin Gemeinden oder vergleichbare Institutionen im Ausland zum Partner hat und sich auf Gegenstände bezieht, die nach deutschem Rechtsverständnis Angelegenheiten der Gemeinden sind."

Internationale Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene kann in folgender Form stattfinden:

  • Finanzielle Hilfen
  • Bereitstellung von Sachmitteln
  • Entsenden von Fachkräften
  • Ausbilden von Vertreterinnen und Vertretern der Partnergemeinden

Sinnvoll ist eine Städte- und Projektpartnerschaft nur dann, wenn mit ihr Länder unterstützt werden, die in einem nationalen Befreiungskampf ihre einheimische Kompradorenbourgeoisien aus dem Land gejagt haben.

Finanzielle Hilfe ist zur freien Verfügung an die jeweiligen Vertretungsorgane zu geben. Es müssen Projekte gefördert werden, die in den nationalen bzw. regionalen Entwicklungsplan integriert sind; solche, die der Überlebens- und Existenzsicherung dienen und anstreben, die Bedürfnisse vor Ort zu befriedigen.

Zentrales Kriterium einer sinnvollen internationalen Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene ist für uns jedoch, inwieweit sie zu einer internationalistischen Bewußtseinsbildung beiträgt und somit eine Mentalität aufbricht, die angesichts jahrhundertelanger Ausbeutung und neokolonialen Wirtschaftsverhaltens der imperialistischen Metropolen das Gewissen mit Spenden beruhigt.

Internationalismus heißt für uns zu erkennen, daß es notwendig ist:

  • den Widerstand gegen die Befriedungs- und Integrationspolitik in der imperialistischen Metropole BRD zu entwickeln
  • die Unterstützung der Befreiungsbewegungen im Trikont hier zu organisieren.

In diesem Rahmen erfüllen für uns Städtepartnerschaft, Projektpartnerschaft bzw. Projektarbeit sowie der solidarische Handel mit "Kolonialwaren", das heißt im wesentlichen mit Agrarexporten aus fortschrittlichen Ländern die Funktion, die Ausplünderung der Länder im Trikont aufzuzeigen und anzuprangern, sowie den organisatorischen und strukturellen Aufbau der fortschrittlichen Kräfte im Trikont materiell zu stärken.

Den Kommunen fällt neben Städte- und Projektpartnerschaften in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, die örtlichen Solidaritätsgruppen in ihrer Informationsarbeit zu unterstützen. Der Aufbau und Betrieb von Informationszentren für Entwicklungs- und Menschenrechtsfragen ist zu gewährleisten. Die lokalen Kultur- und Bildungseinrichtungen wie zum Beispiel Schulen, Museen und Bibliotheken sind bei bildungspolitischen Projekten zu fördern.

Die Stadt Konstanz und ihre "Hilfe für die Dritte Welt"

Die Stadt Konstanz hat von den oben genannten Möglichkeiten/Notwendigkeiten, zum Abbau ungerechter politischer und ökonomischer Strukturen beizutragen, bis heute keinen Gebrauch gemacht. Sie nimmt die von der Bundes- und Landesregierung betriebene imperialistische Politik kommentarlos hin und erklärt sich für nicht zuständig. Zweimal - 1987 und 1988 - wurde ein Antrag auf Städte- und Projektepartnerschaft mit Nueva Guinea in Nicaragua in Gemeinderat und Ausschüssen abgelehnt.

Der erstmals im Verwaltungsrat 1989 eingerichtete Haushaltstitel "Hilfen für die Dritte Welt" in Höhe von DM 20.000 kann nicht anders als ein Ausweichmanöver und eine Alibiübung verstanden werden. Ausweichmanöver insoweit, als es galt, eine ohnehin minimale Unterstützung für ein Projekt im von der bürgerlichen Gemeinderatsmehrheit ungeliebten Nicaragua zu verhindern. Alibiübung deshalb, weil bei DM 20.000 - das sind 0,8 Promille des Gesamthaushalts - wohl nicht ernsthaft von einer "Hilfe für die Dritte Welt" gesprochen werden kann.

Die Ansiedlung der fachlichen Zuständigkeit für die Vergabe dieser Haushaltsmittel beim Personalamt und die Tatsache, daß bis heute keine Vergaberichtlinien für diesen Haushaltstitel definiert wurden, belegt des weiteren, daß von Seiten der derzeit im Gemeinderat vertretenen Fraktionen kein Gewicht auf eine sinnvolle Verwendung dieser Mittel gelegt wird.

Die ALL fordert deshalb eine massive Aufstockung des Haushaltstitels "Hilfen für die Dritte Welt". Er ist umzubenennen in "Internationalismus-Fond".

Die Verwaltung der Mittel muß in die Hand eines neu zu bildenden Dritte-Welt-Forums übergehen, dem VertreterInnen des Gemeinderats, von Dritte-Welt-Solidaritätsgruppen sowie von Gewerkschaften angehören. Das Forum erstattet dem Gemeinderat jährlich Bericht über seine Arbeit und die Verwendung der von der Stadt zur Verfügung gestellten Mittel.

Das Beispiel Südafrika

Seit dem - aufgrund des öffentlichen Drucks erfolgten - Rückzug vieler US- und anderer Firmen aus dem Südafrikageschäft, ist die BRD 1988 zum größten Handelspartner Südafrikas aufgestiegen. Mit ca. 5 Milliarden Dollar Umsatzvolumen (ca. 8,8 Milliarden DM) lag sie damit vor allen anderen westlichen Industrieländern. Gegenüber dem Vorjahr betrug die Zuwachsrate 1988 38 %.

Das Engagement der westdeutschen Kapitalisten konzentriert sich besonders in drei Branchen: Automobilindustrie, Elektrotechnik und Chemische Industrie. Firmen wie Daimler-Benz, VW, BMW, Siemens, AEG, Bayer und Hoechst zählen neben anderen zu den größten Profiteuren im Südafrikageschäft. Auch auf dem Rüstungssektor wird Südafrika massiv von westdeutschen Firmen beliefert - trotz des 1977 verhängten Rüstungsembargos der Vereinten Nationen. Daimler- Benz als größter europäischer Rüstungskonzern steht stellvertretend für zahlreiche Firmen, die Waffen oder Waffenteile sowie Ausrüstungsgüter für Polizei- und Militärapparat liefern. Derzeit rüstet Daimler-Benz über AEG-Telefunken die südafrikanische Armee und Marine mit Großelektronik aus; auch das südafrikanische Luft- und Seeüberwachungssystem "Advokaat-Radar" wurde - unter Leitung von AEG - von Siemens, MAN und AEG hergestellt.

Ähnlich wie bei den Firmen haben sich auch die bundesdeutschen Banken in den letzten Jahren verstärkt im Südafrikageschäft betätigt, wobei ihnen auch hier der Rückzug vor allem US-, kanadischer und niederländischer Banken zugute kam. Seit zehn Jahren liegen sie bei der Beschaffung von Kapital für den Rassistenstaat neben Schweizer Banken mit an der Spitze. Von den beinahe 50 nachweislich am Geschäft mit Südafrika beteiligten Banken sind die bedeutendsten:

Dresdner Bank, Deutsche Bank, Commerzbank, BHF-Bank (Berliner Handels- und Frankfurter Bank), Bayerische Vereinsbank und andere, darunter auch Landesbanken und Girozentralen.

Banken vergeben Anleihen und Kredite, sie wickeln die Außenhandelsfinanzierung für Firmen ab und sind mit den Unternehmen auch durch Aktienbesitz, Depotstimmrecht und personelle Verflechtungen eng verknüpft. Zur "Finanzgruppe" der Deutschen Bank z.B. zählt u.a. der Daimler-Benz Konzern, bei dem die Deutsche Bank über 50% aller Stimmen hält - mit entsprechendem Einfluß. Auch die Banken untereinander sind eng verflochten, auf nationaler wie internationaler Ebene. Deshalb ist praktisch jedes bundesdeutsche Kreditinstitut in irgendeiner Form am Südafrikageschäft beteiligt.

Stadt- und Kreissparkassen beteiligen sich zwar nicht direkt an Krediten und Anleihen für Südafrika, handeln aber mit südafrikanischem Gold und Wertpapieren. Außerdem sind die örtlichen Sparkassen zu regionalen Sparkassen- und Giroverbänden zusammengeschlossen, die Kontakte zu Südafrika unterhalten. Die Sparkasse Konstanz gehört der Badischen Kommunalen Landesbank- Girozentrale an - diese ist, wie eine Untersuchung der UNO belegt, nachweislich am Südafrikageschäft beteiligt.

Wir fordern, daß auch auf kommunaler Ebene eine Politik entwickelt wird, die das Regime in Südafrika schwächt und sich solidarisch zeigt mit den Forderungen des schwarzen Widerstands. Sowohl die unabhängigen Gewerkschaften als auch insgesamt zahlreiche VertreterInnen der Opposition sowie die UNO fordern seit Jahren die Verhängung von umfassenden und bindenden Sanktionen gegen Südafrika. Die Bundesregierung weigert sich nach wie vor strikt, wirksame Boykottmaßnahmen zu ergreifen. Die ALL verlangt demgegenüber auch von der Stadt, die Boykottforderungen in eine praktische Politik umzusetzen.

Forderungen an die Stadt:

Die Stadt Konstanz soll den Geschäftsverkehr mit allen Banken und Firmen abbrechen, die ins Südafrikageschäft verstrickt sind.

  • Boykott aller in Südafrika hergestellten Produkte!
  • Wir fordern außerdem OB und GemeinderatsvertrerInnen auf, die Praktiken der folgenden Firmen öffentlich zu diskreditieren, die in Konstanz mit zu den größten Arbeitgebern gehören: AEG- Telefunken, CGK (Siemens), Byk Gulden, Degussa, Alusuisse, Deutsch- Schweizerische Früchteverwertung. Byk Gulden und Degussa, die Tochterfirmen in Südafrika unterhalten, arbeiten nachweislich (auch) auf militärischem Gebiet mit Südafrika zusammen.
  • Die Sparkasse Konstanz soll jeglichen Geschäftsverkehr mit Südafrika abbrechen.
  • Desgleichen soll sie den Geschäftsverkehr zu allen Banken und Firmen abbrechen, die im Südafrikageschäft tätig sind.
  • Kein Handel mit südafrikanischem Gold oder Wertpapieren!
  • Keine Beschaffung, Vermittlung und kein Verkauf von Anleihen aus Südafrika!
  • Der OB und die GemeinderatsvertreterInnen, die im Verwaltungsrat der Sparkasse sitzen, sollen sich mit allem Nachdruck und unter Einsatz aller Möglichkeiten dafür einsetzen, daß der Verband Badische Kommunale Landesbank-Girozentrale, in dem sie Mitglied sind, alle Wirtschaftsbeziehungen zu Südafrika abbricht.

Die Resolution der Vereinten Nationen beinhaltet nicht nur den Abbruch aller wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen, sondern auch aller wissenschaftlich-kulturellen Beziehungen zu Südafrika. In der Vergangenheit wurde gegen diesen Beschluß von Lehrenden an der Uni Konstanz verschiedentlich verstoßen. Dabei wurden sie in ihrem Vorhaben, eine Gastprofessur o.a. an einer südafrikanischen Universität abzuhalten, weder vom Land Baden-Württemberg als Dienstherr, noch vom Rektor der Uni oder den jeweiligen Fakultäten, die einem derartigen Ansinnen mehrheitlich zustimmen müssen, behindert.

Auch wenn die Stadt Konstanz nicht die Dienstaufsicht über die Beschäftigten an der Uni hat, fordern wir dennoch von den VertreterInnen der Kommune, öffentlich zu solchen Vorgängen Stellung zu nehmen und dagegen zu protestieren. Wir fordern die Ächtung und Isolierung des rassistischen Regimes in Südafrika, nicht dessen Aufwertung und Verharmlosung durch Entsenden von Lehrenden an südafrikanische Universitäten. Auch hier muß gelten:

  • Abbruch aller Beziehungen zu Südafrika! Apartheid ist nicht reformierbar!