linksrhein@nadir.org Volltextsuche sw, Konstanz 12. Januar 2000 |
Frauen im Schatten der GesellschaftUndokumentiert in Deutschland"Ich bin eine Frau, die in dieses
Land kam, ohne zu wissen, was
mich hier erwartete, da mir zwei
Frauen alles rosarot zeichneten,
wovon ich alles glaubte. Ich verließ
meine Heimat und meine Kinder,
die ich sehr liebe. Angesichts dessen, daß ich soviel Geld investiert
hatte, um hierher nach Deutschland zu kommen, erschreckte mich
die Vorstellung, ärmer zurückzukommen als vorher und ich fiel in
eine Depression, so verängstigt
über das Geschehene. (...)
Als Illegale fühlst du dich wie ein Tier und nicht wie ein menschliches Wesen, weil alle Nutzen aus dem gefallenen Baum ziehen wollen. Mit der Angst, wenn du durch die Straßen läufst und niemandem vertrauen kannst. Illegal hier zu sein, bedeutet keine Hilfe, keinen Schutz und keine Rechte zu haben. Mütter, die Kinder haben und illegal sind, bekommen keine Bildung für ihre Kinder so wie ein Kind sie haben sollte. Personen, die illegal sind, sind Personen und menschliche Wesen, die wie jeder andere Mensch brauchen, daß man ihnen das gibt, was notwendig für sie ist. Der einzige Unterschied ist, keine Papiere zu haben." (Ein Brief von einer Südamerikanerin: Illegal in Deutschland. In: agisra Rundbrief Nr. -21. Dezember 1997, S.8) Immer mehr Menschen sind gezwungen, in dieser Rechtlosigkeit zu leben. Ihnen wird das Aufenthaltsrecht aberkannt oder von vorne herein verweigert. In der Bundesrepublik Deutschland ohne Aufenthaltsrecht zu leben bedeutet, zu den sogenannten Illegalen zu gehören, die wie das Wort schon zeigt eher als Kriminelle stigmatisiert werden. Als Menschen in äußerst prekären Lebenssituationen werden sie dann nicht mehr wahrgenommen. In der Vergangenheit war das Thema unter dem Titel "Illegale in Deutschland" in den Medien leider wieder oft auf reißerische und voyeuristische Art und Weise Thema. Auf politischer Ebene geht es immer stärker um die Bekämpfung der illegalen Zuwanderung, während es legale Zuwanderungsmöglichkeiten ohnehin fast nicht gibt. Auf europäischer Ebene tagen die Innenminister zu dem Thema und überlegen sich neue Restriktionen. Neben der Aufrüstung an den Außengrenzen der EU, den härteren Gesetzen und ausländerpolizeilichen Maßnahmen gibt es aber auch einige gesellschaftliche Kräfte, seien es politische Initiativen, die Kirche, Beratungsstellen, Wohlfahrtsverbände, ÄrztInnen und andere, die sich zu dem Thema Menschen ohne .Aufenthaltsrecht und deren Rechtlosigkeit äußern. Im Juni 1997 riefen antirassistische Initiativen, einige kirchliche und gewerkschaftliche VertreterInnen u. a. motiviert durch die SANS PAPIERS die Kampagne "Kein Mensch ist Illegal" ins Leben. In einigen Städten gibt es Projekte für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen und MigrantInnen ohne Krankenschein, immer mehr Beratungsstellen leisten praktische Unterstützungsarbeit. Vom bischöflichen Ordinariat Berlin wurde eine Handreichung herausgegeben, die dazu auffordert Menschen unabhängig vom Aufenthaltsstatus zu beraten und zu helfen. Sie leitet aus der aktuellen gesellschaftlichen Lage für Flüchtlinge und MigrantInnen viele Forderungen nach Verbesserungen ab. Die Berliner Ärztekammer hat zusammen mit dem Berliner Flüchtlingsrat und PRO ASYL eine Broschüre herausgegeben, in der sie sich sehr differenziert mit dem Problem der mangelnden medizinischen Versorgung für Flüchtlinge und MigrantInnen ohne Aufenthaltsstatus bzw. mit Duldung nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) auseinandersetzt. agisra hat in den letzten Jahren feststellen müssen, daß der Beratungsund Unterstützungsbedarf von Frauen ohne oder mit ungesichertem Aufenthaltsrecht immer größer wird. Dies stellt uns vor Probleme, die wir oft nicht mehr lösen können, denn unser Handlungsspielraum ist unter den gegebenen finanziellen und gesetzlichen Regelungen sehr begrenzt (beispielsweise die Legalisierung, die Wohnungs- und Arbeitssuche etc.) In Frankfurt berät agisra haupt sächlich Frauen aus Lateinamerika und aus Afrika wegen der sprachlichen Kompetenzen. Viele Frauen ohne Aufenthaltsrecht, die zu uns in die Beratung kommen, arbeiten in der Prostitution oder in Haushalten. Daneben kommen viele Frauen, die aufgrund ihres eheabhängigen Aufenthaltsrechts (§ 19 AUsIG) immer in Angst leben, ihren Status zu verlieren, weil sie es in der Ehe nicht mehr aushalten oder ihr Ehepartner sich von ihnen trennt. Aber zunächst einmal einige Hintergründe, die der Entwicklung der zunehmenden Illegalisierung zugrunde liegen.
l. Flucht und Migration von FrauenDer Anteil der Frauen an den ArbeitsmigrantInnen weltweit liegt laut ILO mindestens bei der Hälfte, bei einigen Fluchtbewegungen sind es 90% Frauen und Kinder. Dennoch werden Frauen erst seit wenigen Jahren mehr in den Blick genommen. Nur etwa ein Drittel der in die BRD gelangten Flüchtlinge sind Frauen. Frauen fliehen vor politischer Verfolgung aufgrund ihrer politischen Arbeit, für Frauen geltender repressiver Sozialnormen wie Zwangsverheiratung, sexueller Verstümmelung, Zwangsabtreibung, Sanktionen bei Ehebruch, Verfolgung aufgrund ihres Lesbisch seins, vor unerträglichen patriarchalen gesellschaftlichen Bedingungen für eine alleinstehende Frau mit oder ohne Kinder, Gewalterfahrungen, psychischer und physischer Gewalt, Krieg, Angst. Nicht selten ist das Mittel der Verfolgung sexuelle Gewalt. Besonders deutlich zum Ausdruck kommt diese Form der Gewalt in Bürgerkriegen, in denen die Frauen der gegnerischen Gruppe massenhaft vergewaltigt werden. Frauen verlassen ihren Herkunftsort wegen einer ökonomisch und sozial aussichtslosen Situation, Armut, Hoffnung auf ein besseres Leben, Verantwortung für die Familie/Kinder, weil sie die alleinige Versorger in der Familie sind, fehlender Arbeitsmöglichkeiten. Frauen machen sich auch auf den Weg aus Neugier, Lust auf Veränderung, Abenteuer, Liebe Eheschließung, Studium. Aufgrund struktureller Benachteiligung haben Frauen weniger Zugang zu Bildung und zu materiellen Ressourcen. Sie sind spezifischen Gewaltverhältnissen ausgesetzt. Gelingt es ihnen, in eines der reichen Industrieländer zu gelangen, so sind die Bedingungen auf dem Weg hierher häufig härter als für Männer. Frauen haben weniger Zugang zu den für die Flucht notwendigen materiellen Ressourcen und Kontakten und sie haben i.d.R. die Verantwortung für die Kinder, das erschwert die Flucht. Die Gewalt gegen Frauen im Migrationsprozeß hat viele Facetten. Frauen berichten von sexuellen Übergriffen seitens der Fluchthelfer und Schlepper. Immer wieder müssen Frauen ihren Körper und ihre reproduktiven Fähigkeiten verkaufen, auf einem Arbeitsmarkt, der Frauen auch unter Bedingungen der Legalität meist nur die billigen Arbeitsplätze zuweist. 2. Ausländer- und Asylpolitik in der BRD - zunehmende IllegalisierungAufgrund der immer restriktiveren Ausländer - und Asylpolitik gibt es kaum mehr legale Einwanderungsmöglichkeiten. Die Verschärfung des Asylrechts 1993 mit flankierenden diskriminierenden Sondergesetzen wie dem Asylbewerberleistungsgesetz haben massenhafte Zurückweisungen an den Grenzen zur Folge. In die Bundesrepublik zu gelangen, ist meist nur noch unter großem Risiko und mit i.d.R. kommerzieller Fluchthilfe möglich. Die Drittstaatenregelung hat zu den befürchteten Kettenabschiebungen geführt. Alle umliegenden Staaten der Bundesrepublik sind zu sogenannten sicheren Drittstaaten erklärt worden. Reist ein Flüchtling darüber ein und gelingt es ihm oder ihr nicht, den Fluchtweg zu verschleiern, wird sie in diesen Drittstaat abgeschoben. Von dort aus in den sog. sicheren Viertstaat usw. Bekannt wurde, daß auf diesem Weg der Kettenabschiebung auch immer wieder Menschen verschwunden sind. Die Regelung der sicheren Herkunftsländer bestimmt eine Liste von Ländern, in denen es keine politische Verfolgung gäbe. Gambia, Senegal, Rumänien stehen z.B. auf dieser Liste. Trotz Terrorregimen, Kriegen, Verfolgung und Vernichtung von ganzen Bevölkerungsgruppen in vielen Herkunftsländern, sei es in der Türkei, in Algerien, Pakistan, Afghanistan, gibt es überhaupt nur noch einen bundesweiten Abschiebestopp nach § 54 Ausländergesetz, nämlich für kurdische Flüchtlinge aus dem Irak, die nicht über Bagdad abgeschoben werden dürfen. Auf dem Landweg über Jordanien und Türkei ist es noch nicht möglich, aber nach Informationen von PRO ASYL befindet sich die Bundesregierung bereits in Verhandlungen um ein Durchschiebeabkommen mit der Türkei. (vgl. Faltblatt v. PRO ASYL: ANNE MOLLENHAUER u. KARL KOPP: Kurdische Flüchtlinge aus dem Irak. 1998) Das führt dazu daß immer mehr Menschen ihren Aufenthaltsstatus verlieren oder von vornherein keine Chancen auf ein Aufenthaltsrecht hatten. Zu der Gruppe der Menschen ohne Aufenthaltsrecht zählen auch Personen, die über eine Duldung verfügen. Die Duldung ist nur die Aussetzung der Abschiebung, also ein vorläufiger jederzeit widerrufbarer Abschiebschutz, und bedeutet kein Aufenthaltsrecht (§ 55,56 AusIG). Bürgerkriegsflüchtlinge erhalten meist nur eine Duldung. Leistungen sind nur nach AsylbLG möglich. Vor mehreren Jahren ist noch ein weiteres Papier erfunden worden, nämlich die Grenzübertrittsbescheinigung. Diese Bescheinigung liegt noch unterhalb des Rechtsstatus einer Duldung, ihre Erteilung ist im Gesetz gar nicht vorgesehen, sie wird meist nur für einen sehr kurzen Zeitraum (zwei bis vier Wochen) ausgestellt, o obwohl i.d.R. die Ausreise innerhalb dieser Frist nicht stattfinden kann, weil z.B. keine Paßpapiere vorhanden sind etc. Dieses Papier wird als Identitätspapier verwendet und von den Behörden gegebenenfalls immer wieder verlängert. Leistungen nach AsylbLG sind möglich, (vgl. CORNELIA BÜHRLE, rscj: Rechtlos in Deutschland. S.8ff.) Bei ausreisewilligen Personen, die sich vorher ohne Papier hier aufgehalten haben, sollte wenn möglich eine Grenzübertrittsbescheinigung auf der Ausländerbehörde besorgt werden, damit es bei der Ausreise am Flughafen nicht wegen illegalen Aufenthalts zu unangenehmen Kontrollen und Verhören, Verhängung der Ausweisungsverfügung bis hin zu Inhaftierungen und anschließender Abschiebung kommt. Zusammengefaßt sind folgende Gruppen von Personen von Illegalisierung bedroht oder betroffen:
Einige aktuelle Veränderungen im Ausländer- und AsylrechtDas Ausländergesetz als restriktives Sondergesetz regelt die Begrenzung des Zuzugs von AusländerInnen aus nicht EU-Staaten. Die jüngste Neuregelung trat am l. Januar 1997 in Kraft. Verschärfungen im Ausweisungsrecht für Straftäter beinhalten, daß schon nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren ausgewiesen werden muß (vorher waren es fünf Jahre). Demgegenüber gibt es geringfügige Verbesserungen der rechtmäßig in Deutschland lebenden AusländerInnen:§ 19 AusländergesetzDieser Paragraph bindet das Aufenthaltsrecht ausländischer EhepartnerInnen für vier Jahre an die eheliche Lebensgemeinschaft. Um die vormalige Härtefallregelung nach drei Jahren geltend zu machen, mußten "erhebliche Nachteile" bei einer Rückkehr ins Herkunftsland nachgewiesen werden, ein gewalttätiger Ehemann reichte nicht aus. Ehefrauen sind somit immer vom "goodwill" des Ehemannes abhängig, er kann veranlassen, daß gegen sie aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet werden. Eine Rückkehr ins Herkunftsland kann einen sozialen Abstieg, gesellschaftliche Ausgrenzung, familiäre Probleme und auch materielle Not bedeuten. Die Ende 1997 verabschiedete Neuregelung des § 19 AusIG sieht nur kleine Änderungen vor: Die Vierjahresfrist bleibt weiterhin bestehen. In Fällen "außergewöhnlicher Härte" soll ohne zu erfüllende Fristen ein Aufenthaltsrecht gewährt werden. Eine "außergewöhnliche Härte liegt vor, wenn "wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach Art und Schwere so erhebliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer Rückkehrverpflichtung drohen" (§ 19 AusIG). Zwar werden keine Fristen gesetzt, doch wird die Dauer des Aufenthalts berücksichtigt. In den Hinweisen zu den neuen gesetzlichen Bestimmungen heißt es, daß auch psychische und physische Mißhandlung durch den Ehegatten, Zwangsprostitution. Zwangsabtreibung, Betreuung eines behinderten Kindes und willkürliche und zwangsweise Untersagung jeglichen Kontaktes zu dem Kind bei Rückkehr ins Herkunftsland bei der Entscheidung berücksichtigt werden sollen. Die Aufzählung sei naturgemäß nicht vollständig, heißt es. Sozialhilfebezug kann aber zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis auch beim Härtefall führen. Vor Gericht wird sich in nächster Zeit weisen, welchen Nutzen diese Neuregelung für mißhandelte Frauen haben wird. Ein negatives Urteil ist leider schon zu verzeichnen vom Verwaltungsgericht Augsburg im Fall der Tülay 0., eine Kurdin aus der Türkei. Sie war zwei Jahre und sieben Monate verheiratet und hat zwei Kinder von ihrem türkischen Ex-Mann. Sie lebte völlig isoliert, mußte 10-12 Stunden täglich arbeiten, war Prügel, Körperverletzung, Bedrohung mit Waffen, Essensentzug ausgesetzt. Ihr Mann drohte ihr, die gemeinsame Tochter zu verkaufen, er zerstörte die Wohnung und verweigerte ihr das Nötigste. Die Kriterien für die "außergewöhnliche Härte" seien nicht erfüllt - urteilte das VerwG Augsburg und der Petitionsausschuß des Bayrischen Landtags, da Frau Tülay 0. durch die Gewalterfahrungen weder Siechtum noch bleibende schwere körperliche Schäden aufwies. (Offener Brief des UnterstützerInnenkreises " Bleiberecht für Tülay 0. und ihre Kinder" an das Bayerische Innenministerium vom 27. Mai 1998) Nach einer Stellungnahme des bayrischen Innenstaatssekretärs Hermann Regensburger ist "außergewöhnliche Härte" nur bei dem Verlust eines wichtigen Körpergliedes, Vergewaltigung in der Ehe oder Zwangsabtreibung im Heimatland" gegeben. Frau 0. hat hier sehr viel an Gewalt von ihrem Ehemann erfahren, außerdem besteht bei einer Rückkehr eine sehr große Gefahr für ihr Leben. Als geschiedene Kurdin mit zwei Kindern in der Westtürkei wäre sie mit dem Tode bedroht. Dennoch wird ihr Gesuch abgelehnt. Bayern hat nun schon angefangen, den veränderten Paragraphen 19 mit unmenschlicher Härte auszulegen. Von der jahrelang lautstark erhobenen Forderung einer bundesweiten Initiative nach eigenständigem Aufenthaltsrecht ist leider kaum etwas umgesetzt worden. Genausowenig wird gleichgeschlechtlichen binationalen Paaren oder eheähnlichen Lebensgemeinschaften ein Aufenthaltsrecht garantiert. In wenigen Einzelfällen konnte für lesbische oder schwule Paare eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erkämpft werden. Ein weiterer Personenkreis, der auch massiv diskriminiert wird und rechtlich benachteiligt ist, ist die Gruppe der Transsexuellen. Die Ökumenische Asiengruppe hat auf die Problematik aufmerksam gemacht, daß immer mehr ThailänderInnen (nach der Geschlechtsumwandlung) sich in der schwierigen Lage befinden, von ihren Heimatbehörden keine Paßpapiere mit dem weiblichen Geschlecht ausgestellt bekommen und demnach hier ebenfalls wie gleichgeschlechtliche Paare behandelt werden, sollten sie hier einen Mann heiraten wollen. (DHAPJAN-LANGBEIN: 1996/97, S.63f) Frauen und AsylBei einem derart ausgehöhlten Asylrecht greift eine immanente Kritik aus frauenspezifischer Sicht allein zu kurz. Dennoch halte ich es für wichtig, auf frauenspezifische Aspekte im Zusammenhang mit dem Asylrecht einzugehen, um deutlich zu machen, daß restriktive Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen immer auch zusätzlich diskriminierende Maßnahmen gegenüber Frauen enthalten. Höchstens ein Drittel der hier registrierten Flüchtlinge sind Frauen. Aber nicht nur ihre geringere Anzahl hierzulande führt dazu, daß sie und ihre Belange häufig nicht wahrgenommen werden. Immer noch ist das stereotype Bild des Flüchtlings und damit auch des politisch Verfolgten das eines männlichen Helden. Frauenspezifische Verfolgung und deren AsylrelevanzFrauenspezifische Verfolgung wird in der Bundesrepublik bis auf wenige Ausnahmefälle als nicht asylrelevant gewertet und ihre politischen Arbeit wird meist nicht als solche angesehen und anerkannt. Asylrelevante Verfolgung muß politisch sein und vom Staat ausgehen bzw. diesem zurechenbar sein. Die individuell nachzuweisende Verfolgungsgeschichte ist zudem entscheidend. Nach geltender Rechtssprechung ist eine Verfolgung dann politisch, "wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen." Es gibt ein starres männlich besetztes Verständnis dessen, was politische Aktivität und damit politische Verfolgung ist. Gängige Argumentationslinien gegen eine Asylrelevanz von frauenspezifischer Verfolgung sind unter anderem folgende: Die spezifische Verfolgung von Frauen sei meist weder politisch noch staatlich. Oft ist von "Übergriffen privater Dritter" in Ablehnungsbescheiden die Rede, somit sei die Verfolgung der privaten Sphäre und nicht der Öffentlichen zuzuordnen. Weitere Argumentationen sind, daß die Verfolgung potentiell alle Frauen beträfe, nicht über das allgemein hinnehmbare Maß hinausgehe, nicht schwer genug sei und somit als Kavaliersdelikt gewertet wird. Verfolgung aufgrund des Übertretens nur für Frauen geltender Normen und Regeln wird als die allgemein übliche Praxis eines anderen Staates und dessen Rechtsordnung gebilligt und dürfe nicht von unserem Rechtsverständnis aus beurteilt werden. Frau K. ist Flüchtlingsfrau. Sie war in ihrem Herkunftsland verheiratet und hat -zwei Kinder. Nach jahrelangen Streitereien mit ihrem Ehemann wollte sie sich scheiden lassen. Dies war schwierig, da ihr Ehemann nicht einverstanden war. Noch dazu hätte sie das Sorgerecht für die Kinder verloren. Sie sah sich gezwungen, weiterhin in der Ehe auszuharren. Als sie einen anderen Mann kennenlernte, wurde sie von ihrem Mann bedroht. Nach dem Gesetz drohte ihr bei Ehebruch die Steinigung. Sie floh in die Bundesrepublik. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, weil ihre Verfolgung nicht vom Staat ausging. Bei einer Rückkehr in ihr Heimatland sähe sie ihr Leben in Gefahr, hier bleiben kann sie nur illegalisiert, sofern nicht andere Abschiebungshindernisse für sie geltend gemacht werden können. Frauenspezifische Fluchtgründe sind nach bundesdeutscher Rechtssprechung bis auf wenige Ausnahmen immer noch nicht asylrelevant. Das Verwaltungsgericht Oldenburg gewährte einer Frau aus der Elfenbeinküste wegen der Gefahr der Genitalverstümmelung in ihrem Herkunftsland einen vorläufigen Abschiebeschutz. Die 18 jährige darf bis zur Vollendung ihres 20. Lebensjahres hierbleiben. Laut Auskunft des Instituts für Afrikakunde werde der Eingriff an Frauen bis zum Alter von 20 Jahren vorgenommen, terre des femmes widerspricht dem vehement. Das Urteil ist kritikwürdig, weil es keine mittelbare politische Verfolgung anerkennt. In Magdeburg hatte es bereits im Juni 1996 eine positive Entscheidung diesbezüglich für eine Frau aus der Elfenbeinküste gegeben. (Frankfurter Rundschau vom 28. Mai 1998) 3. Lebensbedingungen ohne AufenthaltsrechtDie Lebenssituationen sind ebenso unterschiedlich, wie die Hintergründe der Migration. Ich werde mich im folgenden verstärkt auf die Situation von Frauen beziehenPsychosoziale SituationDas Leben ohne Papiere mit all den Ängsten, Versorgungsengpässen bis hin zu existentiellen Nöten stellt eine große psychische Belastung dar und erfordert viel Durchhaltevermögen und Kraft. Oft berichten uns Frauen, daß sie dies nur ertragen können, weil sie aus verschiedenen Gründen sehr große Angst vor einer Rückkehr ins Herkunftsland haben. Einige der wenigen Frauen, die sich nach längerer Zeit legalisieren konnten, brauchen therapeutische Hilfe oder Begleitung, um die Jahre des Schattendaseins und Mißtrauens, der Angst, Anspannung, Unsicherheit, und Anstrengung oder auch die Gewalterfahrungen zu verarbeiten. Viele Frauen, die nach Deutschland gekommen sind, um hier Geld zu verdienen, sind bereit, prekäre Lebens- und Arbeitsbedingungen auf sich zu nehmen aus Verantwortung für die Familie im Herkunftsland oder auf der Suche nach besseren Perspektiven für sich selbst. Diese Entscheidung zu treffen erfordert viel Mut, Stärke und auch Risikobereitschaft. Horrende Mieten für häufig heruntergekommene Zimmer, schlechte Bezahlung für harte Arbeit, ständige Angst vor einer Polizeikontrolle und damit Angst vor der Abschiebung. Immer auf der Hut zu sein führt auch dazu, daß oft der Arbeitsplatz oder die Wohnung gewechselt werden müssen. Es gibt keinerlei Stabilität im Leben. Die Angst ist ein ständiger Begleiter. RechtlosigkeitDie elementaren Grundrechte, wie der Schutz der Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Gleichberechtigung, Arbeitsschutzgesetze etc. sind für die Betroffenen nicht einklagbar. Denn wenn sich Personen ohne Aufenthaltsrecht an die Polizei wenden, werden sie aktenkundig und damit ausgewiesen bzw. abgeschoben. Noch dazu werden sie als Täter und nicht als Opfer behandelt, weil sie sich durch den illegalen Aufenthalt und bei Arbeitsaufnahme strafbar gemacht haben, "...wir, die Illegalen, die wir uns nicht auf die Art verteidigen können, wie wir es gerne täten, weil wir keine Rückendeckung haben, durch die Autoritäten und nicht ein einziges Papier, welches wir Illegalen benutzen könnten, damit wir nicht mißbraucht und mißhandelt werden." (Brief einer Südamerikanerin, in agisra Rundbrief Nr. 21, S.8) Immer wieder berichten uns Frauen, daß sie den vereinbarten Lohn für die geleistete Arbeit nicht ausgezahlt bekamen, daß sie Opfer von Gewalttaten wurden, daß sie rassistischen Übergriffen ausgesetzt waren, daß sie gedemütigt und erniedrigend behandelt werden, daß sie erpreßt werden mit ihrem illegalen Status, auch von Übergriffen durch die Polizei berichten sie. Medizinische VersorgungMenschen ohne Aufenthaltsrecht haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Werden sie lebensgefährlich krank und benötigen eine ambulante oder stationäre Behandlung, müßte das Sozialamt die Kosten übernehmen. Das bedeutet allerdings, daß die Daten der Ausländerbehörde übermittelt werden und die Person zur Ausreise aufgefordert bzw. ausgewiesen oder abgeschoben wird. Der § 76 AusIG schreibt leider vor, daß auch Sozial- und Jugendämter "ohne Ersuchen den Ausländerbehörden personenbezogene Daten von Ausländern ... und sonstige Erkenntnisse über Ausländer mitzuteilen haben" (§ 76 AusIG). Im Falle von Krankheit wenden sich Frauen oft erst wenn sie schon sehr krank sind an FreundInnen, Bekannte oder Beratungsstellen. Die Angst entdeckt zu werden, die Arztrechnung nicht bezahlen zu können, nicht behandelt zu werden, den Job zu verlieren, Sprachbarrieren und fehlende Orientierung verhindern immer wieder, daß frühzeitig ÄrztInnen aufgesucht werden. Krankheiten, die leicht zu behandeln wären, enden leider dadurch manchmal mit Krankenhausaufenthalten, Lebensgefahr oder gar tödlich. Viele Arzte rechnen bei Personen ohne Krankenversicherung den Privatsatz ab. Eine Strategie ist, sich mit der Versicherungskarte einer anderen Person behandeln zu lassen. Im Falle einer Zahnbehandlung, Schwangerschaft oder einer schwereren Erkrankung ist dies allerdings zu gefährlich. SchwangerschaftDie Vorsorgeuntersuchungen müssen selbst bezahlt werden, dementsprechend gering fallen sie aus. Im Moment der Geburt oder bei schwerwiegenden Komplikationen muß eine Klinik die Frau stationär aufnehmen und behandeln. Sechs Wochen vor Geburtstermin oder bei Risikoschwangerschaft wird in der Regel nicht mehr auf dem Luftweg abgeschoben, weil kein Pilot wegen Gefahr der Frühgeburt eine hochschwangere Frau mitnehmen würde. Nach der Geburt besteht nur ein sehr kurzfristiger Schutz, sobald Mutter und Kind reisefähig sind, müssen sie das Land verlassen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz hat kürzlich entschieden, daß eine ausländische Mutter in den ersten acht Wochen nach der Geburt grundsätzlich nicht abgeschoben werden darf. Zur Begründung hieß es, jede Mutter habe Anspruch auf Fürsorge. (Az.:7 B 12213/98) Ab dem Zeitpunkt der Abschiebungshindemisse können die Kosten vom Sozialamt übernommen werden. Voraussetzung dafür ist, daß die Frau ihre Identität preisgibt, indem sie ihren Paß vorzeigt. Im Fall einer Frau, die sich aus Angst weigerte, ihren Paß zu zeigen, wurde ihr die Polizei ans Wochenbett geschickt zur Personalienfeststellung. Die Frau hatte am Tag zuvor mit Kaiserschnitt entbunden und war noch sehr geschwächt. Die zwei männlichen Polizisten hatten noch dazu ihre Zimmernachbarin, auch eine Migrantin, die wegen Gefahr der Frühgeburt ruhig liegen sollte, für die "Täterin" gehalten und sie entsprechend scharf angegangen. Beide Frauen waren in Angst und Schrecken versetzt. Der anderen Frau drohte erst recht eine Frühgeburt. Im Moment der namentlichen Meldung der Mutter und des Neugeborenen treten beide aus der Anonymität heraus. Um dies zu vermeiden gab es immer wieder den Versuch von Frauen, unter anderem Namen zu entbinden, was allerdings zu großen Schwierigkeiten führt. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: "Mit geliehener Krankenkassenchipkarte einer anderen Person wird eine Schwangere zur Entbindung aufgenommen. Der standesamtliche Eintrag des Kindes erfolgt unter dem geliehenen Namen und der - auch nicht wirklichen - Nationalität. Folglich muß nun ein gerichtsverwertbarer Nachweis der Mutterschaft geführt werden. Das Kind erhält einen Vormund und wird der Mutter entzogen, die Ausländerbehörde will die Mutter sogar schon vor der Durchführung der Mutterschaftsnachweises abschieben, die Klinik schickt Rechnungen und Gerichte werden die Mutter verklagen. Die Mutter verzweifelt beim Gedanken, ihr Kind gänzlich zu verlieren" (Flüchtlingsrat Berlin, 1998, S.53). In dieser unsicheren Situation ein Kind zu bekommen, ist für viele Frauen eine extreme Belastung: Sie haben Angst, bei der Geburt keine Hilfe zu bekommen, abgewiesen zu werden im Krankenhaus, das Kind nachher nicht richtig versorgen zu können, auch keine angemessene medizinische Versorgung zu bekommen und direkt mit dem neugeborenen Kind abgeschoben zu werden. Viele sind in der belastenden Situation, das Neugeborene gleich abgeben zu müssen, um weiter Geld zu verdienen. Dazu kommt die Angst, daß einem das Kind in der Klinik abgenommen wird. Diese Annahme resultiert m.E. nach aus der ständigen Erfahrung der Rechtlosigkeit, die sich auf den vermeintlichen Verlust der Rechte gegenüber dem Kind überträgt. Aber tatsächlich haben wir auch schon den Fall einer Frau erlebt, die drohte ihr Kind zu verlieren, weil in der Klinik alle davon überzeugt waren, daß sie ihr Kind zur Adoption freigeben wollte. Die Papiere wurden schon fertig gemacht, als die betroffene Frau agisra verzweifelt einschaltete und das folgenschwere Mißverständnis aufgeklärt werden konnte. Viele Frauen bringen ihre Kinder im Krankenhaus allein zur Welt, weil der Vater sich nicht dafür verantwortlich fühlt, oder weil er selbst ohne Aufenthaltsstatus hier ist. AbtreibungAbtreibung ist in der Regel möglich, wenn die Frau selbst bezahlt und sich an den vom Gesetzgeber verlangten Ablauf mit Beratungsgespräch, Dreitagesfrist und Abtreibung bei anderer Ärztin hält. Der Privatsatz für eine Abtreibung liegt derzeit bei circa 540,- DM. Immer wieder nutzen Ärzte die Rechtlosigkeit und Notlage der Frauen aus und kassieren horrende Summen für eine Abtreibung (bis zu 5.000 DM). Auch versuchen Frauen, mit selbst entwickelten Methoden abzutreiben und riskieren dabei manchmal ihr Leben. Eine Frau suchte unsere Beratungsstelle auf, nachdem sie einen Tag zuvor mit zwei Päckchen Pille und fünf Litern Essig versucht hatte abzutreiben. Sie überlebte diese Tortur gerade so. Schul- oder Kindergartenbesuch der KinderIst es für einige noch möglich einen privaten Kindergarten zu finanzieren, so ist es fast unmöglich, den Schulbesuch zu organisieren. In Fällen, in denen die Kinder schon vor Verlust des Aufenthaltsstatus in einer Schule waren, ist die weitere Teilnahme teilweise möglich. Aber eine Schule zu finden, die Kinder ohne Aufenthaltsstatus aufnimmt und sie nicht anzeigt, ist gar aussichtslos. Im Kölner Wanderkirchenasyl der KurdInnen hatte der Schulbesuch zur Folge, daß die Kinder auf dem Schulweg von der Polizei aufgegriffen und festgenommen wurden, weil sie sich in dem Moment nicht mehr in den geschützten Räumen der Kirche aufgehalten hatten. ÜberlebensstrategienDie wichtigste Regel, die auch Kindern immer wieder auferlegt wird, ist, nicht aufzufallen. Das bedeutet: Die Kinder dazu anhalten, daß sie keinen Lärm machen, öffentliche Orte meiden, in keine Diskothek gehen, sich nicht in Stadtvierteln oder Zonen aufhalten, in denen bekanntermaßen viel kontrolliert wird, wie z.B. am Bahnhof. Wenig in der Öffentlichkeit sprechen, damit die fremde Sprache nicht auffällt. immer mit Fahrschein fahren, niemanden trauen und immer eine Geschichte haben, die bei Nachfrage erzählt werden kann. Außerdem ist es wichtig, etwas Geld für den Krankheitsfall zurückzulegen. Auf Dauer ein Leben im Untergrund zu organisieren ist insbesondere mit Kindern sehr schwer. Die Suche nach einem Ehemann zum Heiraten oder aber der Versuch in ein anderes Land zu gehen, in dem die Chancen für ein menschenwürdigeres Leben großer sind, stellen meist die einzigen Auswege dar. 4. Arbeitsbedingungen von Frauen ohne AufenthaltsrechtDie Arbeitsmöglichkeiten für Frauen ohne Papiere sind sehr eingeschränkt, zwei Bereiche möchte ich im folgenden genauer beschreiben.a) Migrantinnen in deutschen HaushaltenImmer mehr Frauen aus der sogenannten Dritten Welt arbeiten als Dienstbotinnen, Kindermädchen, Putz- und Haushaltshilfe und Pflegekräfte in Deutschland. Auf der Suche nach Arbeit ist dies eine der wenigen und gleichfalls gesellschaftlich abgewerteten schlecht bezahlten Möglichkeiten für Migrantinnen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa außerordentlich eingeschränkt, auch Berufausbildungen werden in der Regel hier nicht anerkannt. Viele Frauen kommen in der Hoffnung auf eine Arbeit und Verdienstmöglichkeit und wissen nicht, wie die Situation in Deutschland sein wird, genauso wenig wie sie wissen, was es bedeutet "illegal zu sein". Viele sind froh ersteinmal eine Arbeit in irgendeinem Privathaushalt gefunden zu haben. Eine Frau faßte das, was uns viele Frauen vermitteln, in einem Gespräch mit uns so zusammen: "Auch wenn die Arbeit hart ist und du kaum etwas verdienst, ist es hier immer noch besser als zu Hause. In meinem Land als Hausmädchen zu arbeiten ist die Hölle." Manchmal wünschten wir uns, es gäbe eine alternative Vermittlungsbörse zu fairen Arbeitsbedingungen und angemessener Bezahlung für Leute, die eine Haushaltshilfe suchen. Denn permanent fragen uns Frauen, ob wir ihnen nicht eine Arbeit vermitteln könnten. Auch sind dies immer wieder Frauen, die aus der Prostitution aussteigen möchten oder gar nicht erst dort anfangen wollen, aber sich aufgrund des fehlenden Aufenthaltsstatus und hoher Schulden gezwungen sehen, als Prostituierte (weiter) zu arbeiten. Denn die potentiellen Verdienstmöglichkeiten sind im Haushalt um ein Vielfaches geringer. Es gibt Frauen, die froh sind, diese Migrationsstrategie gewählt zu haben und wieder andere, die zugrunde gehen. Dies hängt auch sehr stark davon ab, wie sehr sie hier ausgebeutet werden und wie sehr sie bei ihrer Entscheidung zur Migration von falschen Erwartungen ausgingen, also wie sehr sie getäuscht wurden über das was sie hier erwartet. Ich denke, wir sind uns einig, gegen die Ausbeutungsstrukturen zu kämpfen, die Frage ist nur wie und mit welchen Strategien. Eine Frage ohne eindeutige Antworten. Verurteilen wir diese Arbeit im Haushalt grundsätzlich, würden wir die Verdienst- und Existenzmöglichkeiten und Migrationswege von vielen Frauen in Fragen stellen. Eine Strafverfolgung der Ausbeuter befürworten wir - eine Kriminalisierung des gesamten Umfeldes eingeschlossen der Frauen lehnen wir ab. Leider ist beides allzu schnell miteinander verflochten. Frau A. arbeitete als Hausangestellte in einer Diplomatenfamilie. Jahrelang war sie jeden Tag 16 Stunden für den kompletten Haushalt der Familie und die Kinderbetreuung zuständig ohne einen angemessenen Lohn. Immer mußte sie verfügbar sein, wurde isoliert von der Außenwelt und vom Hausherrn sexuell mißbraucht. Ihn rechtlich zu belangen, wäre wegen der Immunität aufgrund seines Diplomatenstatus sehr schwer gewesen. Sie flüchtete aus dieser Familie und schlägt sich seither ohne Aufenthaltsstatus mit unregelmäßigen kleinen Jobs durchs Leben, immer in der Angst, entdeckt zu werden. Solange sie bei der Familie lebte und arbeitete, hatte sie einen Aufenthaltsstatus als Hausangestellte der Diplomatenfamilie, die diese aus dem Herkunftsland mit hierherbringen dürfen. Auch Mädchen und junge Frauen mit einem Status als Aupair erleben nicht selten schlechte Behandlung und extreme Arbeitsbelastung bis hin zu sexueller Gewalt. Sie trifft dasselbe Schicksal, illegalisiert zu werden, sollten sie ihre Familie verlassen oder aber länger hierbleiben wollen als ein Jahr. Einige Migrantinnen arbeiten von vornherein ohne Möglichkeiten der Arbeitserlaubnis in Haushalten, als Pflegekräfte, in der Landwirtschaft, in der Gastronomie oder in der Prostitution. Sie sind damit rechtlos und ungeschützt. b) Zur Situation illegalisierter SexarbeiterinnenAls Migrantin und noch dazu ohne Arbeitserlaubnis sind die Arbeitsund Verdienstmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Die Prostitution gilt als ein potentiell lukrativer Arbeitsbereich. Der schnelle und gute Verdienst bewahrheitet sich bei oftmals gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen nur für wenige. Das große Geschäft machen Bordellbetreiber, Zuhälter, VermittlerInnen und andere. Darüberhinaus profitieren die über ein Million Freier, die täglich die sexuellen Dienstleistungen von Prostituierten in Anspruch nehmen, von einem immer billigeren Angebot. Prostitution wird immer noch vielfach mit Frauenhandel, Zwangsverhältnissen, Zuhälterei gleichgesetzt. Unbestritten gibt es diese Menschenrechtsverletzungen an Frauen. Dagegen versuchen wir auch von agisra aus seit Beginn unserer Arbeit vorzugehen. Daneben gibt es aber viele Frauen, die sich bewußt für diese Form der Arbeitsmigration entscheiden. Auf Grund der weltweiten ökonomischen Ungleichheit soll diese selbstbewußte Entscheidung nicht mit Freiwilligkeit verwechselt werden. Meiner Meinung nach ist es schwer, eine eindeutige Grenze zwischen Frauenhandel und sogenannter freiwilliger Prostitution zu ziehen. Neben den verschiedenen Faktoren, die die Arbeitsbedingungen von ausländischen Sexarbeiterinnen prekär gestalten, möchte ich mich auf den Aspekt der Illegalisierung und damit Kriminalisierung und seiner Auswirkungen konzentrieren. Die Prostitution ist ein Arbeitsbereich, in dem potentiell schnell und viel Geld zu verdienen ist. Diese Hoffnung erfüllt sich allerdings für viele Frauen nicht. In der Frankfurter Bordellprostitution arbeiten ca. 1.500 Frauen, 95% sind Migrantinnen, vor allem aus Lateinamerika, Asien und Afrika. Viele der Frauen reisen als Touristinnen ein, i.d.R. verfügen sie über ein Dreimonatsvisum. Die Erwerbstätigkeit ist ihnen jedoch nicht gestattet, d.h. sie arbeiten illegal. Häufig müssen sie eine Vermittlungsgebühr zwischen 3.000 und 30.000 $ an FrauenhändlerInnen oder ZuhälterInnen zahlen, um überhaupt hierherzugelangen oder hier zu arbeiten. Der Preis bestimmt sich auch danach, ob ein Touristenvisum erforderlich ist oder nicht. Die Motivation der Frauen, hier zu leben und zu arbeiten, ist sehr unterschiedlich. Viele Frauen wollen nur für eine bestimmte Zeit hier arbeiten, um ihre ökonomische Situation im Herkunftsland zu verbessern, andere hoffen, sich hier z.B. über eine Ehe ein besseres Leben aufzubauen. Häufig ist die Verantwortung für die Familie, insbesondere die Kinder eine der Triebfedern für die Migration von Frauen. Viele Frauen sind alleinerziehende Mütter, d.h. die Väter haben sich jeglicher Verantwortung und finanziellen Versorgung entzogen. Über die Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten im Sexgewerbe hierzulande sind viele Frauen schlecht oder gar nicht informiert, auch wenn ihnen vor der Einreise bekannt war, daß sie hier als Prostituierte arbeiten würden. Horrende Ausgaben relativieren sehr schnell die vermeintlich hohen Einnahmen: Die Zimmermiete von 250,- bis 280,- DM täglich im Bordell (oft nur für 12 Stunden) bei Preisen für Geschlechtsverkehr von 30,bis 50,- DM, die Übernachtung außerhalb, die abzutragenden Schulden für die Vermittlung, Kosten für ÄrztInnen- oder RechtsanwältInnen, Trinkgelder für den Bordellbetreiber, Kleidung, Essen etc.. Daß Bordellbetreiber, diverse Rechtanwälte, sogenannte VermittlerInnen u.a. die großen Gewinne abschöpfen, steht in enger Verbindung mit dem rechtlosen Status vieler Frauen. In vielen Bordellen gilt die Regel, daß vor Arbeitsbeginn eine Paßkopie von einer Anwaltskanzlei vorzulegen ist mit Vermerk, daß die Kanzlei als anwaltliche Vertretung mit den ausländer- und aufenthaltsrechtliche Angelegenheiten beauftragt ist. Diese monatlich zu erneuernde Paßkopie lassen sich die entsprechenden Anwälte teuer bezahlen. Die herrschende Doppelmoral und damit einhergehende gesellschaftliche Diskriminierung, die NichtAnerkennung der Prostitution als Beruf wie auch die Vertreibungspolitik durch Sperrgebietsverordnungen trifft alle SexarbeiterInnen. Bei vielen ausländischen SexarbeiterInnen tritt der illegale Status als ein die Situation verschärfendes Moment hinzu. Da Frauen aus Nicht EU-Staaten Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse verwehrt werden, sind sie auf eine spezifische Art zusätzlich erpreß- und ausbeutbar. Illegalisiert hier zu arbeiten, heißt unter enormem Druck zu stehen, in ständiger Angst vor einer Polizeikontrolle bzw. Razzia. Bei einer Polizeikontrolle erfolgt für Prostituierte häufig eine diskriminierende Behandlung, alles wird durchsucht bis hin zur Leibesvisitation, das Geld wird beschlagnahmt, die Frau erkennungsdienstlich behandelt und danach ausgewiesen oder abgeschoben. Bestehen noch unbezahlte Schulden durch die hohe Vermittlungsgebühr, ist es besonders dramatisch. Immer wieder erzählen Frauen von Übergriffen durch Polizei, Bordellbetreiber und Freier. Polizisten in Zivil entwenden ihnen die Einnahmen und zwingen sie zu sexuellen Handlungen mit der Drohung der Paßkontrolle. Bei Übergriffen von Freiern ist kaum Hilfe von Seiten des Bordellbetreibers zu erwarten. Wenn überhaupt ein Alarmknopf im Zimmer vorhanden ist, heißt dies noch lange nicht, daß auch jemand im Notfall darauf reagiert. Entscheidend ist, daß sich die Frauen auf den Fluren organisieren und aufeinander achten. Solange Prostitution nicht als Beruf anerkannt wird und ausländische SexarbeiterInnen eine Aufenthaltsund Arbeitserlaubnis erhalten, werden Gewaltverhältnisse und Ausbeutunesstrukturen beeünstiet. 5. PerspektivenDie immer restriktivere Politik gegen Flüchtlinge und MigrantInnen trägt wesentlich zu der beschriebenen Situation bei und fördert Gewaltverhältnisse im Migrationsprozeß. Gäbe es Möglichkeiten, hier legal einzuwandern und zu arbeiten, könnte die Notwendigkeit zur Flucht oder auch das Bedürfnis, die Lebenssituation zu verbessern, nicht mehr derart ausgenutzt werden. Sich dementgegen für eine emanzipatorische Politik einzusetzen, heißt für das Recht der Frauen auf die Kontrolle über ihr Leben und ihren Körper, für ihr Recht zu reisen und zu migrieren, zu kämpfen. Es ist notwendig, Strategien zu entwickeln, gegen die Wurzeln der Gewalt an Frauen in der Migration vorzugehen, nämlich die ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die Umweltzerstörung, die rassistischen und sexistischen Strukturen und die restriktive Ausländer- und Asylpolitik auf nationaler wie auf europäische Ebene anzugehen. Gleichzeitig ist es wichtig, sich für Schutz und konkrete Hilfeleistungen für Frauen in Not einzusetzen und bestehende Netzwerke und Beratungseinrichtungen zur Unterstützung der Frauen auf- und auszubauen und bekannter zu machen. Zu der Politik der kleinen Schritte gehört, im einzelnen für Mindeststandards zu kämpfen.
Literatur:
Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen (Hrsg.): Bericht über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland, Dezember 1997 AGNES CALDO RANZINGER / HELMA LUTZ / MARISSA PABLO (1996): Das "DH' ‚-Phänomen. In Frauen in der Einen Welt, a.a.O. CORNELIA BÜHRLE: Rechtlos in Deutschland. Herausgegeben vom Erzbischöflichen Ordinariat Berlin, Nov. 1997 SRINAPA DHAPJAN-LANGBEIN: Endlich als Frau anerkannt zu werden - zur Situation thailändischer Transsexueller in Frankfurt. In: Ökumenische Asiengruppe e.V. Frankfurt: Arbeitsbericht 1996/97, S.61-64 Ein Brief von einer Südamerikanerin: Illegal in Deutschland. In: agisra Rundbrief Nr. 21. Dez. 1997, S.8 Flüchtlingsrat Berlin, Ärztekammer Berlin, PRO ASYL (Hrsg.): Gefesselte Medizin. Ärztliches Handeln abhängig von Aufenthaltsrechten? Eine Handreichung. Berlin 1998 Frauen in der Einen Welt, Zeitschrift für interkulturelle Frauenalltagsforschung: Dienstmädchen, Nürnberg, Heft 2/1996 BEHSHID NAJAFI / JUDITH ROSNER: Frauen im Schatten der Gesellschaft. Zwischen Ausbeutung und Abschiebung. In: taz Beilage vom Dezember 1997 von "Kein Mensch ist illegal" Offener Brief des UnterstützerInnenkreises "Bleiberecht für Tülay 0. und ihre Kinder" an das Bayerische Inneneministerium vom 27. Mai 1998 PRO ASYL-Faltblatt: ANNE MOLLENHAUER u. KARL Kopp: Kurdische Flüchtlinge aus dem Irak. 1998 PRO ASYL: Presseerklärung vom 15. Juni 1998: SPD-Länder und CDU/CSU wollen Leistungsgesetz nochmals verschärfen. JUDITH ROSNER: "Nur nicht auffallen. " Illegalisierung fördert Ausbeutung und Gewalt. In: agisra Rundbrief Nr. 18 / Januar 1997, S. 5-8 SUSANNE SCHULTZ: Wiederkehr der Dienstbotengesellschaft. In: Solidarische Welt, Zeitschrift der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. Berlin, Nr. 160, Dezember 1997, Seiten 5-7 Judith Rosner/agisra |