Quelle: Morgengrauen Juli 2000 | |
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Seit Mitte Mai diesen Jahres setzen sich Flüchtlinge im Landkreis Konstanz (Baden-Württemberg) wieder verstärkt gegen Arbeitsverbot, menschenunwürdige Unterbringung, Freßpakete und die Residenzpflicht zur Wehr. So formulierten in Singen Flüchtlinge einen Forderungskatalog und organisierten einen Freßpaketboykott sowie einen Hungerstreik, den 20 Menschen für insgesamt neun Tage aufrecht erhalten konnten. Mit einem Marsch auf das Singener Rathaus, mit Flugblättern, Plakaten, Pressearbeit und mehreren Mahnwachen in der Singener und Konstanzer Innenstadt haben sie ihre Proteste in die Öffentlichkeit getragen. Auch in anderen Lagern im Landkreis haben sich Flüchtlinge geweigert, die Freßpakete anzunehmen.
Landrat Hämmerle, der schon 1993 - damals noch als Verwaltungsdirektor - seinen Ehrgeiz daran gesetzt hatte, das Asylbewerberleistungsgesetz im Kreis Konstanz noch vor Erlaß eines Ausführungsgesetzes umzusetzen, blieb seinem Ruf treu: Hungerstreik und Paketboykott wurden mit Repressionen gegen die Protestierenden beantwortet: Mit Polizeipräsenz bei den Paketvergaben, mit Androhung von Abschiebung oder Verlegung, mit "Taschengeld"-Entzug für die Hungerstreikenden, mit zögerlicher Herausgabe der Krankenscheine und mit Hausverbot für UnterstützerInnen sollte der Widerstand gebrochen werden.
Beim Versuch, die Proteste zu kriminalisieren und die Flüchtlinge zu spalten, konstruierte das Landratsamt "Rädelsführer" und "Aufwiegler". Sozialdezernentin Auchter behauptete sogar, daß BewohnerInnen der Sammelunterkünfte zum Teil auch mit Gewalt gezwungen worden seien, sich den Protesten anzuschließen - als wären nicht die menschenunwürdigen Lebensbedingungen, denen Flüchtlinge ausgesetzt sind, die Auslöser für die Proteste.
Sowohl der Hungerstreik als auch der Freßpaketboykott sind mittlerweile eingestellt. Außer kosmetischen Verbesserungen - z.B. soll die 15 DM Gebühr für die Erlaubnis, den Landkreis zu verlassen, "überdacht" werden - wurde nichts erreicht. Das Landratsamt hält auch an den Freßpaketen fest, die in den angrenzenden Landkreisen schon längst durch Gutscheinsysteme abgelöst wurden.
Immerhin ist es gelungen, in der Öffentlichkeit eine breite Diskussion um die Lebenssituation von Flüchtlingen im Landkreis Konstanz auszulösen und auch auf der nächsten Kreistagssitzung wird das Thema angesprochen werden.
Der Protest geht weiter. Unterschriftenliste, Faxkampagne, Spendenaufruf sowie eine aktuelle Pressedoku können unter http://www.linksrhein.de/archiv/c/index.htm abgerufen werden.
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