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sw, Konstanz 14. Juli 99

Pressemitteilung der Karawanegruppe zum Flüchtlings-Fest auf der Marktstätte am 9.7.1999

Bunt gings am Freitag, 9.7.99 auf der Konstanzer Marktstätte zu. Am Nachmittag fand dort das Kulturfest der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen statt. Wohl mehrere hundert Menschen sahen an diesem Nachmittag ein buntes Programm aus persischen Tänzen, die im Iran selbst verboten sind, kurdischer Musik, Gitarren- und Gesangsbeträgen, sowie einigen Reden. Sehr beeindruckt war das Publikum von einem kurzen, aber prägnanten Theaterstück, das vier Frauen extra für dieses Kulturfest eingeprobt hatte: Aufgegriffen wurden darin einige der gängigen Vorurteile, die über Flüchtlinge und ihre Fluchtmotive leider viel zu oft zu hören sind. Erschreckend vertraut klang denn auch Manchem und Mancher die frei erfundene Rede eines Politikers in den Ohren, die sich aus nichts anderem zusammensetzte als Stammtischparolen. Und schliesslich waren es die kurdischen Musiker, die kräftig in die Saiten griffen, um zu verhindern, dass etwa Langeweile auf der Marktstätte aufkäme.

In einer kurzen Ansprache erinnerte Sunny, ein Vertreter der afrikanischen Menschenrechtsorganisation The Voice, an die ureigensten Gründe, aus denen heraus sich im letzten Jahr die Karawane gegründet hat. Angesichts massiver Einschnitte in die Rechte von Asylsuchenden in Deutschland, angesichts der wachsenden Gefahr in deren Herkunftsländern, die durch europäische Waffenexporte und rücksichtslose Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen ständig steigt, und nicht zuletzt angesichts des fortschreitenden Einzugs von populistischen Sprüchen in Stellungnahmen von PolitikerInne zu solchen Themen war es höchste Zeit, sich zur Wehr zu setzen und sich zu artikulieren. "Wir haben keine Wahl, aber wir haben eine Stimme" und "Das Boot ist voll und ganz gegen Rassismus" hiess es dann im Sommer 1998, als sich rund 40 Menschen von Bremen aus auf die Reise durch Deutschland machten, um in 44 deutschen Städten mit Aktionen auf die zunehmende Schikanierung von Flüchtlingen und MigrantInnen durch die deutschen Behörden und den Kahlschlag in der Asylgesetzgebung aufmerksam zu machen.

Nicht, dass sich diese Situation mit dem Übergang der Regierungsmacht an die rot-grüne Koalition merklich verbessert hätte: Deshalb zog auch in diesem Jahr wieder eine Gruppe als Mini-Karawane durch deutsche Städte. Anlässlich des Kulturfestes am Freitag waren ausser Sunny aus Wolfsburg noch zwei Vertreter des Internationalen Menschenrechtsvereins (IMRV) Bremen in Konstanz zu Gast, um sich hier über Abschiebungen und die Situation von Flüchtlingen in Konstanz zu informieren und die Zusammenarbeit der Karawanegruppen zu stärken.

Wie dringend notwendig koordinierte und entschiedene Arbeit gegen die deutsche Abschiebepolitik ist, zeigt die Situation der kurdischen Familie T. aus Radolfzell, die von Frau T. am Abend bei einem Gespräch vorgebracht wurde. Frau T. und ihre beiden Kinder haben alle eine Duldung. Herr T., der Vater, befindet sich zur Zeit im viermonatigen Strafvollzug in Konstanz. Herr T. hat sich nach deutscher Gesetzgebung strafbar gemacht, weil er eine Publikation der PKK in Deutschland verkauft hatte. Aufgrund dieser Straffälligkeit muss er nun damit rechnen, in die Türkei abgeschoben werden. Als offener und den türkischen Behörden bekannter PKK-Anhänger ist er aber dort mit Sicherheit in allergrösster Gefahr. Anders ausgerückt wird also Herrn T. genau der Grund, aus dem er aus der Türkei nach Deutschland geflohen ist, und der ihm unbedingt politisches Asyl gewähren müsste, hier juristisch als Abschiebegrund zur Last gelegt - ein absolut menschenverachtender Widerspruch. Was Herrn T. im Falle einer Abschiebung in der Türkei erwarten könnte, zeigen etwa die Schicksale zweier seiner Cousins, die von türkischen Militärs und faschistischen Gruppierungen in der Türkei ermordet wurden.

Trotzdem begnügen sich die deutschen Behörden mit der Versicherung seitens des türkischen Konsulats, dass für Herrn T. im Falle seiner Abschiebung keinerlei Gefahren bestehen. Wie schon so oft zuvor machen sich so die deutschen Behörden zu Handlangern der türkischen Repressionspolitik. Am 15. Juli wird über Herrn T.s Abschiebung entschieden werden. Die Karawane fordert, dass diese Abschiebung auf keinen Fall durchgeführt werden darf. Sie fordert dazu auf, sich an der Faxkampagne der Karawane und des IMRV zu beteiligen (alle Unterlagen und Informationen finden sich auf der Homepage des IMRV: http://www.humanrights.de).