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Konstanz
25. August 99

Die Alternative Linke Liste Konstanz hat sich aufgelöst

Im Sommer 1984 hat sich die Alternative Liste als Bündnis linker Organisationen md Einzelpersonen zu den damaligen Kommunalwahlen gegründet. Die AL wollte all diejenigen ansprechen, ""die sich nicht dem Aufschwung der Unternehmerprofite, sondern den sozialen Interessen von Arbeitern, Angestellten, Ausländern, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern verpflichtet fühlen"". Die AL ""setzt sich zum Ziel, in allen Fragen der Kommunalpolitik die Ansprüche dieser Leute zu vertreten und durchzusetzen"". (aus dem Gründungsaufruf 1984)

Mit 1,48% der Stimmen kam die AL nicht in den Gemeinderat. In den nächsten Jahren haben die Leute der AL zu den Themen Antifaschismus, Ausländerpolitik, Flüchtlinge, kommunale Finanzen, Gebührenpolitik, Wintex/Cimex (kommunale Kriegsübung) sowie internationalistischen Themen gearbeitet. 1988 hat die AL an der Oberbügermeisterwahl teilgenommen und 1,6% der Stimren erreicht.

1989 hat sich die AL zu einem breiteren Bündnis erweitert und für die Kommunalwahl die Alternative Linke Liste gebildet. "Die ALL versteht sich als kommunalpolitisches Bündnis der Linken in Konstanz. Mitglieder verschiedener Organisationen und Initiativen - BWK, DKP, MLPD, VSP, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg , Antifafaschistisches Komitee , Wohnrauminitiative und Initiative für die sorfortige Stillegung aller Atomanlagen sowie Leute aus autonomen und feministischen Zusammenhängen - haben die ALL gebildet, weil im Kampf gegen reaktionäre Politik und faschistische Formierung Fortschritte nur durch ein Bündnis erzielt werden können. Sie muß in der ALL vom Grundsatz ausgehen, daß in einem solchen Bündnis alle Strömungen der antikapitalistischen Linken ihre politischen Zielsetzungen formulieren können. Das ist möglich, weil die Beteiligten über alle Unterschiede hinweg eint, daß sie vom emanzipatorischen Standpunkten aus gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung wirken." (aus der ALL-Grundsatzerklärung 1989)

Mit 2,08% der Stimmen hat die ALL damals einen Sitz im Gemeinderat knapp verfehlt. Dieses Scheitern hat lähmend gewirkt.
  • Der Ansatz der ALL, dem Widerstand ein Dach zu geben, ihn zusammenzufügen und den verschiedenen Initiativen ein Zusammenwirken auch auf kommunalparlamentarischer Ebene zu ermöglichen, erfüllte sich nicht. Ein Erfolg bei der Wahl hätte einen Bezugspunkt für die weitere kommunalpolitische Auseindersetzung bedeutet. Stattdessen trat Resignation ein.
  • Hinzu kammen Auflösungserscheinungen in verschiedenen Strömungen, die die ALL mitgetragen haben. So hat zum Beispiel die Ablösung des Realsozialismus in Osteuropa die bekannten Auswirkungen auf linke Organisationen in der BRD gehabt.
  • Und natürlich hat die Wiedervereinigung die Krise der Linken weiter befördert. Die Opposition gegen Großdeutschland ist weit(er) gekommen.

Die ALL hat 1990 den Widerstand gegen das 4.Reich in Konstanz mitgetragen. Das war die letzte Aktivität der ALL, bei der sie als "geschlossenes" Bündnis aufgetreten ist. Danach fand im wesentlichen eine Mitarbeit von ALL-Leuten in Initiativen wie dem AK Asyl statt oder in kurzfristigen Bündnissen wie dem gegen den REP-Parteitag im Oktober 1992. Im Frühjahr 1993 hat die ALL die antifaschistische Gemeinderatsinitiative zusammen mit der FGL und SPD in den Gemeinderat eingebracht.

Trotzdem war nicht zu übersehen, daß die kontinuierliche (kommunal)polititsche Arbeit abgebrochen ist. Und das hatte Auswirkungen, als im Sommer 1993 die Diskussion über die Kandidatur zur Kommunalwahl 1994 begonnen wurde. Wir haben inhaltliche Positionen erarbeitet und unsere Einschätzungen und Befürchtungen früherer Jahre bestätigt gefunden: so zum Beispiel zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Ausländer- und Flüchtlingspolitik und zur faschistischen Formierung.

Wir mußten aber feststellen, daß die personelle Basis, diese Politik auch gegebenenfalls im Gemeinderat vertreten zu wollen, zu schmal war. Deshalb haben wir beschlossen, nicht zur Kommunalwahl im Juni 1994 anzutreten. Dies betrachten wir als Niederlage des kommunalpolitischen Bündnisses der Konstanzer Linken.

""Über Erfolge oder Mißerfolge im Kampf gegen reaktionäre Politik und faschistische Fromierung entscheidet (vielmehr), ob die Betroffenen für ihre Interessen aktiv werden und ihre Ansprüche und Forderungen gegenüber den Herschenden formulieren."" (aus der ALL Grundsatzerklärung 1989).

Dieser Widerstand so ist nicht eingetreten. Gescheitert ist der Ansatz, Stellvertreterpolitik für Betroffene zu machen. Wir stellen fest, daß eine große Zahl von Menschen resigniert hat (z.B. Nichtwähler) und ein nicht unbeachtlicher Teil verhetzt wurde. Dieser fordert oder akzeptiert, daß (ihre) Probleme auf Kosten anderer "gelöst" werden.

Neben der Resignation gibt es aber ein Engagement linker Leute zu Einzelthemen nach wie vor. Eine Vereinzelung im politischen Widerstand ist aber nicht zu übersehen. Aber wir sehen diese Niederlage nicht als generelles Scheitern des Bündnis-Konzeptes. Wir halten die Zusammenarbeit der antikapitalistischen Linken vor allem auf kommunaler Ebene nach wie vor für wichtig. Nur die ALL war das nicht mehr und kann dieses Bündnis nicht mehr sein. Das Konzept "Linke Opposition bündeln" muß - wenn gewollt - neu diskutiert werden.

Was weiter?

Manche Leute versuchen, in der PDS einen neuen Ansatz für linke Politik in Konstanz aufzubauen.

Manche überlegen, zu Schwerpunktthemen, in neuen oder bestehenden Projekten aktiv zu werden.

Manche wollen einen Diskussionszusammenhang schaffen, der zu den auch hier aufgeworfenen Fragen tätig wird.

Die ALL hat sich aufgelöst. Ein verbliebenes Guthaben an Beiträgen und Spenden wird vollständig im Sinne unserer vergangenen Arbeit für ein Flüchtlingsprojekt, die Infokneipe sowie Projekte in Kurdistan und Cuba gespendet.

ALL-Plenum am 5. Oktober 1994