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woi, Konstanz 7.10.99
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Die Verschwörung der Frauen
Noch nie hat das Thema der Frauen
"Frauenpolitik" in den Wahlprogrammen der Parteien einen so hohen
Stellenwert eingenommen, wie im Kommunalwahlkampf '89. Leicht war es für
die Frauen trotzdem nicht, ihre Forderungen in die Programme zu
bringen.
Von Julika Funk
Frauenpolitik scheint angesagt zu sein. Zumindest legen sich die etablierten
Parteien derzeit mächtig ins Zeug. Erst kürzlich forderte
Ministerpräsident Lothar Späth eine Umorientierung der Frauen- und
Familienpolitik in der CDU. Laut Südkurier vom 4. September hört sich
das Fazit konservativ - liberaler Kurskorrektur so an: "Ohne die
zwei Millionen Frauen, die derzeit aus der Familie in ihren Beruf
zurückkehren wollten, sind nach Ansicht von Späth die
Arbeitsmarktprobleme nicht zu lösen" Hier in Konstanz tritt
momentan die Junge Union mit einem frauenfreundlichen Programm auf, das aber
über das Herumdoktern an den Symptomen der Frauendiskriminierung nicht
hinauskommt. Vermeintliche Frauenfreundlichkeit soll die Wogen des
Geschlechterkampfes glätten. Unsere Gesellschaft kann es sich nämlich
wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch nicht mehr leisten, die wertvolle
Arbeitskraft der Frau (möglichst in Familie und Beruf gleichzeitig) gering
zu achten. Solcher funktionaler Einbindung in ein patriarchales System versucht
die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (AsF) zu antworten:
"Wir wollen keine Politik über Frauen hinweg, sondern von und
mit Frauen" heißt es im Kommunalwahlprogramm der SPD. Ein
solcher Satz könnte weitreichende Konsequenzen für die Autonomie von
Frauen haben, muß es aber nicht. Gerne präsentiert sich die SPD als
Frauenpartei. Umrahmt mit Sprüchen wie "Rot ist in, Frau
Nachbarin!" berichtete kürzlich der Pressedienst der SPD
über Frauenaktionen in der Partei und gab Zahlen bekannt, die
bestätigen, daß in der SPD mehr Frauen Mitglied sind als in allen
anderen Bundestagsparteien zusammen. Und der Trend hält an: verstärkt
treten Frauen neu ein. Dasselbe gilt für Konstanz: Die erst im März
'89 offiziell gegründete ASF verzeichnet einen Mitgliederboom.
"Inzwischen arbeiten über 30 Frauen aktiv mit"
berichtet die ASF-Sprecherin Anne Villing. Außerdem kann die Konstanzer
SPD mit ihrer Kandidatlnnenliste mit Helga Jauss-Meyer an der Spitze, Brigitte
Reiser von den Jusos auf Platz 3 und Maria Theresia Jung von der AsF auf Platz 5
für die bevorstehenden Gemeinderatswahlen mit einem Rekord aufwarten:
Sie hat das Quotierungssoll von 40% übererfüllt. 50 Prozent der
Kandidierenden sind Frauen, die Plätze sind nach dem
"Reißverschlußsystem" vergeben. "Von den 20
Kandidatinnen werden wahrscheinlich nur ein bis zwei neu in den Gemeinderat
kommen" - so schätzt Anne Villing die Chancen ein. Der
Chefredakteur des Südkuriers hat allerdings schon angekündigt, der
Wähler werde das Bild schon korrigieren. Womit er wohl recht hat, denn
Kumulieren und Panaschieren erlauben es, gezielt Frauen zu übergehen. Aber
auch Frauen könnten sich ihre Kandidatinnen aus den verschiedenen Listen
zusammensuchen.
Die Freie Grüne Liste, ebenfalls mit einer Frau, Bärbel
Köhler, die letztes Jahr schon für das Amt der
Oberbürgermeisterin kandidierte, an der Spitze, hat diesmal auf einen
Quotierungsbeschluß verzichtet, nach dem Motto: "Was die SPD erst
beschließen muß, ist bei uns selbstverständlich." Auf
ihrer Liste sind aber nur 40% Frauen. Auch ist im grünen Wahlprogramm immer
noch von dEM Konstanzer BürgER die Rede.
"Selbstverständlichkeiten" wie das Mitbedenken weiblicher
grammatikalischer Formen sind auch bei der FGL keine.
Mit der Devise "Viele Frauen ins Rathaus" versucht
die AsF Frauen für die Politik zu mobilisieren. Allerdings gestaltete sich
die Suche nach potentiellen Gemeinderätinnen schwierig, wie Anne Villing
einräumt. Ihrer Meinung nach gibt es für die Zurückhaltung von
Frauen im politischen Bereich Gründe die unmittelbar mit der patriarchalen
Prägung der Gesellschaft zusammenhängen. "Wie schaffe ich das
überhaupt?" war die Antwort vieler Frauen die sich politisch
engagieren wollen, aber schon durch Kindererziehung überlastet sind.
Beatrix Freitag-Keller, Geschäftsführerin der FGL und Kandidatin auf
Platz 6, beleuchtet das Problem von einer anderen Seite: "Die
meisten politisch aktiven Männer kriegen doch von ihren Frauen den
Rücken freigehalten." Andere Frauen entscheiden sich
bewußt gegen ein Engagement im männlich strukturierten politischen
Raum. Anne Villing selbst kandidiert nicht. "Der Politikbereich ist
einfach zu männlich. In der Erfüllung von Formalem gehen die
inhaltlichen Forderungen verloren" faßt sie ihre Bedenken
zusammen. Damit spricht sie ein Dilemma an, das der Frauenbewegung immer wieder
zu schaffen macht: wenn Frauen nicht in die politischen Entscheidungsgremien
gehen - egal aus welchen Gründen - sind ihre Interessen dort auch nicht
repräsentiert. Aber Masse und Geschlecht alleine garantieren noch keine
Frauenpolitik im Interesse von Frauen. Forderungen, die von autonomen
Frauengruppen in der Frauenbewegung formuliert wurden und werden, kommen in den
oberen Gefilden der politischen Gremien in stark verwässertem Zustand an.
Auch den hiesigen Kommunalwahlprogrammen ist der Kompromiß anzumerken.
Obwohl die AsF innerhalb der SPD relativ stark ist, gilt auch hier: Politik
für Frauen ist erlaubt, Politik gegen Männerherrschaft aber
stößt auf Widerstand. Das Landes-AsF-Motto: "Wer die
menschliche Gesellschaft will, muß die männliche
überwinden" kam erst nach einer kontroversen Diskussion wieder
ins Programm. Das Frauenprogramm der FGL - von einer dafür beauftragten
Gruppe von Frauen erarbeitet - war Anlaß heftiger Auseinandersetzungen.
Nach wochenlangen Diskussionen stand eigentlich nur noch die stilistische
Überarbeitung durch den Vorstand an. Danach entdeckte Beatrix Freitag-
Keller, daß das Programm inhaltlich abgeschwächt worden war. Klaus
Oettinger, Stadtrat der FGL selbst maßgeblich an der Überarbeitung
beteiligt, beteuerte, er habe keine ideologischen, sondern nur stilistische
Bedenken gegen die ursprüngliche Fassung gehabt, nannte aber die Rohfassung
trotzdem ein "Produkt blauäugiger feministischer Einfalt".
Gesinnungstüchtigkeit sei nicht gefragt, die FGL wolle die Wahl gewinnen,
war laut Freitag-Keller ein häufiges Argument. Inzwischen ist sie
überzeugt: "Die linken Männer, egal ob Grüne, SPD
oder ALL, lassen sich nicht die Butter vom Brot streichen." Und das
betrifft in erster Linie nicht nur Machtkämpfe, sondern auch manifeste
inhaltliche und grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten. Die FGL konnte
sich nicht auf die von den Frauen vorgeschlagene Position zum § 218
einigen, so daß nun zwei gegensätzliche Positionen im Programm
stehen. Die von der Mehrheit vertretene Frauenposition wendet sich gegen die
restriktivere Anwendung des Paragraphen und fordert das Selbstbestimmungsrecht
für Frauen. In Konstanz speziell soll das Beratungsangebot verbessert
werden. - Ein Vertreter der Gegenposition ist Werner Allweiss, Stadtrat der FGL
seit 1980 und Kandidat auf Platz 2, für die zu den grünen
Grundsätzen gehört, "das Leben in allen Bereichen zu
schützen, auch das ungeborene" . Bei ihm finden sich Sätze
wie: "Mit jedem Schwangerschaftsabbruch wird gewaltsam ungeborenes
Leben beendet."
Die Alternative Linke Liste nimmt den § 218 zum Anlaß, um die
Querverbindungen von patriarchalem, kapitalistischen und imperialistischen
System aufzuzeigen. "Verschärfung des § 218 in der BRD -
Zwangssterilisation in den Ländern des Trikont: zwei Seiten einer
Medaille." Die ALL bietet die bei weitem ausführlichste und
tiefgreifendste Analyse der Unterdrückung der Frau. Aber auch ihrem
Programm ist die Diskussion um den Stellenwert der Patriarchatsanalyse
anzumerken: "Patriarchale Strukturen unterdrücken Frauen
zusätzlich zur 'normalen' alltäglichen kapitalistischen
Ausbeutung" heißt es im Vorspann. Die autonome Frauenbewegung
hält dagegen patriarchale Strukturen für so wesentlich und zentral,
daß sie den Erfolg von "Frauenpolitik" gering einschätzt,
solang keine tiefgreifenden gesellschaftlichen Strukturveränderungen und
Bewußtseinsprozesse stattfinden. Auch die ALL hat Probleme damit, so wie
die SPD und FGL eine Quotierung für die städtische Verwaltung zu
fordern "Eigentlich ist das eine reformistische Forderung. Das
heißt ja noch nicht, daß die Gesellschaft wirklich humaner
wird" gibt Anke Schwede, Kandidatin der ALL zu bedenken.
"Andererseits müsse an der jetzigen Läge der Frauen etwas
geändert werden." Ein solcher erster Schritt sind die
Forderungen von SPD, FGL und ALL nach mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten,
nach bevorzugter Einstellung von Frauen, nach besseren Hilfseinrichtungen
für Frauen in Not. Das Dilemma der Frauenpolitik spiegelt sich auch in den
Positionen der Parteien zu der in Sachen "Frau" wohl wichtigsten
Entscheidung des Gemeinderats der letzten Jahre: Die Einrichtung der Stelle
einer Frauenbeauftragten, die nunmehr seit zwei Jahren in Konstanz existiert.
Die AsF, die sich damals massiv für die Einrichtung dieser Stelle
einsetzte, fordert im aktuellen Programm die Erweiterung der Stelle.
Tatsächlich aber ist die Zusammenarbeit von Frauenbeauftragter und
Frauengruppen problematisch. Ihre Möglichkeiten, etwas zu erreichen,
werden unterschiedlich eingeschätzt. Ein Konflikt wie erst kürzlich um
die Anzahl der fehlenden Kindergartenplätze in Konstanz zwischen
Frauenbeauftragter und Stadtverwaltung scheint vorprogrammiert.
Die ALL sieht die Stelle als Alibifunktion. Direkte und strukturelle Gewalt,
die Frauen ständig bedroht, ist ein wichtiger Themenkomplex aller
Frauenprogramme. Ausführlich beschäftigt sich das Programm der FGL mit
der strukturellen Gewalt, die sich in den Medien, in der Öffentlichkeit, in
der Sprache äußert und "den Nährboden für die
Fortsetzung direkter und indirekter Gewalt gegen Frauen" bildet.
Sie fordert ähnlich wie die SPD und die ALL ein Nachttaxi für Frauen
zum Bustarif, bessere Straßenbeleuchtung, bessere Sicherung der
Parkhäuser. Die Gesellschaft, angefangen hier in Konstanz, muß
für die Lösung des Problems Männergewalt zuständig sein,
denn: "Schutzmaßnahmen, wie sie jede Frau ergreift - vom
Zuhausebleiben bis zur mitgeführten Spraydose - können nur immer
wieder die herrschende Ideologie festschreiben, wonach...es nur in
Einzelfällen Probleme gibt - die dann die Frau lösen muß und
nicht der Mann." (FGL). Die dringenste Forderung der Frauengruppen
aus dem linken Spektrum wird in der nächsten Zeit die nach einem Frauenhaus
für Konstanz sein, und zwar nach einem autonom verwalteten. Das bisher
einzige, das Haus Nazareth, aufgrund dessen die CDU den Bedarf eines weiteren
immer wieder in Frage stellt, ist eine katholische Einrichtung, deren Ziel vor
allem die Rückführung der mißhandelten Frauen in die Familien
ist. Zu einer autonomen Konzeption, auf die sich linke Frauengruppen geeinigt
haben, gehört auch die Freiheit der Frau, die Entscheidung über ihr
zukünftiges Leben selbst zu treffen.
Nur von der ALL wird explizit die Neubesetzung der Stelle des Chefarztes der
Konstanzer Frauenklinik als demnächst anstehende städtische
Entscheidung angesprochen. Nachdem es mit dem Bisherigen massive Probleme gab
und sich sogar ein Arbeitskreis von Patientinnen gegründet hatte,
könnte die Stadt diesmal betroffenen Frauen ein Mitspracherecht
einräumen!?
In vielen Bereichen und konkreten Forderungen gibt es eine Solidarität
von Frauen über Parteigrenzen hinweg. AsF, Grüne Frauen und Frauen von
der ALL planen eine gemeinsame Plakatwand unter dem Motto "Frauen
wählen Frauen". Diese Devise, sollte sie überhaupt irgendeinen
Erfolg zeitigen, ist kein Garant für eine feministische Politik, aber eines
ist offensichtlich: mit Männern ist keine (Frauen-)Politik zu machen.
Die "Republikaner" und die Frau
Für die "Republikaner" spielen die Interessen von Frauen
offensichtlich keine Rolle. Im Bundesparteiprogramm finden Frauen ohne Familie,
ohne Mann und Kind, keine Erwähnung. Unter der Uberschrift "Frau und
Familie" wird zunächst pflichtgemäß die Gleichberechtigung
der Geschlechter gefordert. Konkret heißt das für die Reps aber eine
"Gleichwertigkeit" der Geschlechter, die "trotz der
Wesensunterschiede" von Mann und Frau gelte. Mit diesem Wesensunterschied
ist das uralte patriarchale Frauenbild der Frau als Naturwesen gegenüber
dem Mann als Kulturwesen gemeint: "Es ist jedoch insbesondere der
Frau gegeben, durch Wärme und Hingabe ein Klima der Geborgenheit zu
schaffen, in welchem Familie und Kinder gedeihen können. Hier liegt die
besondere und von keinem 'Hausmann' oder Kollektiv erfüllbare Berufung der
Frau." Mit einer solchen heuchlerischen Hochachtung der Frau als
Mutter sollen Frauen wieder verfügbar gemacht werden für die
unbezahlte Reproduktionsarbeit in der Familie oder die schlecht bezahlte
Erwerbsarbeit. Die Doppelbelastung berufstätiger Frauen ist bei den Reps
wieder auf das private und individuelle Problem der einzelnen Frau reduziert.
Sie führt zu psychischen Problemen, für die es angeblich nur eine
"natürliche" Lösung gibt. Berufstätige Frauen kommen in
diesem neofaschistischen Weltbild nur als Psychisch-Geschädigte vor:
"Diejenige, welche sich gleichzeitig in Ehe, Familie und Beruf zu
bewähren sucht, leidet oft an dieser Mehrfachbelastung und
Selbstüberforderung. Sie fühlt sich ebenso unerfüllt - was oft zu
psychischen Schäden führt - wie diejenige, die im Beruf alleinige
Befriedigung sucht." Aber auch nationalistische und rassistische
Motive gibt es für eine derartige "Frauenpolitik":
"Ohne Familien mit Kindern und Heim ist ohnehin der Bestand und das
Gedeihen des deutschen Volkes gefährdet." Kein Wunder,
daß bisher mehr als doppelt soviel Männer als Frauen die
"Republikaner gewählt haben!
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