Quelle: Neues Nebelhorn 02/94 | |
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"Wurde die bisherige Aufgabe der Sozialhilfe, nämlich die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht, im neuen Asylbewerberleistungsgesetz ausgeklammert?" Zu dieser Frage fühlte sich die Gruppe "Schüler gegen Fremdenhaß" am Überlinger Gymnasium veranlaßt, als sie Mitte Januar an einer Essensübergabe im Flüchtlingsheim Überlingen / Nußdorf teilnahm.
"Mit Schrecken" mußten die SchülerInnen "die schlechte Qualität und die Minimalrationen der Lebensmittel feststellen". Zum Frühstück habe es zum Beispiel nur etwas Brot. 20 g Schmelzkäse, 15 g Butter und 3,5 g Kaffee, alles einzeln abgepackt, pro Person gegeben. Das gelieferte Gemüse sei zum Teil bereits angefault gewesen, Geliefert wird das Essen von einem Stuttgarter Großunternehmen.
In dem Bericht der Gruppe heißt es, kein deutscher Durchschnittsbürger wäre mit solch einer Kost zufrieden zu stellen. "Gleichzeitig wird aber mit dem 'Essenskorbsystem' auch die kulinarische Kultur dieser Menschen außer Acht gelassen. Verwirrt hielt einer der Asylbewerber einen halben Blumenkohl in der Hand, da ihm derartiges Gemüse völlig unbekannt war."
Andere Wirkungen des Gesetzes seien noch drastischer. Durch den Wegfall des Einkaufes fiele der Kontakt zu Mitmenschen beim täglichen Einkauf weg, das monatliche Taschengeld reiche weder für Zeitungen in der eigenen Sprache noch für Telefongespräche in die Heimat.
Bei einem Gespräch mit dem zuständigen Sozialdezernenten Egon Stoll versicherte dieser, daß er sich um die Beseitigung der Mißstände bei der Essenslieferung kümmern wolle. Eine "zufriedenstellende und humane Lösung", so die "Schüler gegen Fremdenhaß", sei das jedoch nicht. fns
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sw, 26.5.00