Tuttlingen, 14. April 1989:
NPD-DVU-Veranstaltung zur Europawahl
Reorganisation das faschistischen Lagers - Wahlbündnis von
NPD und DVU
NPD und DVU haben sich im Frühjahr 1987 zusammengefunden. Im Rahmen der
Reorganisation des faschistischen Lagers haben sie eine enge Zusammenarbeit vereinbart, die
sowohl eine finanzielle und organisatorische Unterstützung wie auch wahltaktische
Absprachen beinhaltet. Ergebnis dieser Absprachen war der Verzicht der NPD auf eine Kandidatur
bei den Europawahlen. Stattdessen trat die Deutsche Volksunion - Liste D an.
Am 14.4.89 will die NPD-DVU eine Veranstaltung zur Europawahl in Tuttlingen durchführen. Tuttlingen ist
bekannt als eine Hochburg der NPD-Faschisten und zugleich Wohnsitz ihres Bundesvorsitzenden Martin
Mußgnug. Dieser betreibt dort eine Anwaltskanzlei.
Antifaschistinnen blockieren Zugang zur Veranstaltung
Martin Mußgenug und Gerhard Frey, der Vorsitzende der DVU, sollen am Abend des 14.4. als Hauptredner
dieser Veranstaltung auftreten. Zu der Veranstaltung in der Festhalle in Tuttlingen haben sich nicht nur ca. 500 - 600
Zuhörerinnen eingefunden, sondern auch 150 AntifaschistInnen. Diese versuchen den Zugang zur Festhalle zu
blockieren, um weitere Zuhörerinnen am Zutritt zur Festhalle zu hindern. Die Polizei versucht, einen Weg durch
die Antifaschistinnen zu bahnen. Dabei kommt es zu kleineren Schiebereien. Die von den Antifaschistinnen gebildete
Kette hält jedoch stand, so daß einzelne Leute am Zutritt zu der Veranstaltung gehindert werden
können.
Rangelei vor der Festhalle
Einer der am Zutritt gehinderten Faschisten schreit plötzlich lautstark, von einem Antifaschisten getreten
worden zu sein. Nachdem auch die Polizei dem zunächst keine Beachtung schenkt, versucht sie nach 10 Minuten
mit 8 -10 Beamten, den von dem Faschisten Beschuldigten festzunehmen. Dies scheitert jedoch am gemeinsamen
Widerstand der Antifaschistinnen.
Folge: Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Körperverletzung
Die Rangelei vor der Festhalle hat Folgen. Manfred Vollack, NPD-Mitglied und gleichzeitig stellvertretender
Kreisvorsitzender des Schwarzwald-Baar-Kreises, erhebt Strafanzeige gegen Unbekannt wegen
Körperverletzung. Er bekennt standhaft gegenüber der Polizei: Der Antifaschist habe ihn brutal
geschlagen und bewußt getroffen. Er sei als stellvertretender Vorsitzender bei diesen Personen bekannt.
Im Laufe des Ermittlungsverfahrens legt er ein ärztliches Attest vor, nach dem er angeblich 10 Tage wegen
dieses Fußtritts stationär im Krankenhaus behandelt wurde. Als Zeugen für den angeblichen
Fußtritt benennt Vollack 3 weitere Faschisten, einer davon ist Mike Pfeiffer. Er ist Vorsitzender des NPD-
Kreisverbandes Konstanz und am fraglichen Abend Ordner bei der Veranstaltung in Tuttlingen. Er will Stefan 0. als
denjenigen erkannt haben, der Vollack den angeblichen Fußtritt verpasst hat.
Polizei bahnt NPD- und DVU-Chefs den Zutritt zur Veranstaltung
Pfeiffers Einlassungen sind jedoch weniger in Bezug auf die konkreten Ereignisse an dem Abend interessant. Sie
werfen vielmehr ein Schlaglicht auf die regionale Zusammenarbeit der Faschisten.
Pfeiffer sagt nämlich aus, Vollack vom Konstanzer OB-Wahlkampf her zu kennen. Zum anderen wird die
gedeihliche Zusammenarbeit von Polizei und Faschisten aus deren Sicht recht gut charakterisiert: Er (Pfeiffer) habe
sich in der Nähe der Polizeikräfte aufgehalten, da seine Aufgabe darin bestanden habe, die
Einlaßkontrollen durchzuführen, d.h., den Einlaßkräften zu sagen, wer in die Halle gehen
kann und wer nicht.
Wie die Polizei eingesetzt wird, um antifaschistischen Widerstand gegen das Abhalten faschistischer
Hetzveranstaltungen zu brechen, dafür waren die Ereignisse dieses Abends ein Paradebeispiel: Ca. 80 Beamte
bilden eine Gasse zwischen der Kanzlei von Mußgnug und der Stadthalle. Trotzdem gelangen Mußgnug,
Frey und Konsorten nur mit Mühe an den Veranstaltungsort.
Alleine wären sie nie in die Halle gekomrnen, sie wären von den DemonstrantInnen daran
gehindert worden.
1000.-DM für einen angablichen Fußtritt
Besagter Herr Mußgnug ist auch Rechtsbeistand von Vollack, womit sich das Bild abrundet.
Gegen Stefan wird ein Strafbefehl in Höhe von DM 1000,- erlassen, weil er angeblich eine
gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs, nämlich
Springerstiefeln mit Stahlkappen, begangen hat.
Er legt Widerspruch gegen diesen Straf befehl ein. Zwei Prozeßtermine, bei denen zur Sache verhandelt
werden sollte, sind bis heute geplatzt. Voraussichtlicher Prozeßbeginn ist der Herbst 1990.
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