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cm, Konstanz 22. 10. 99
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Folgen der Kriminalisierung des Antifaschistischen
Komitees:
Spaltung
und
Entsolidarisierung
Frühjahr 1987: Breites Bündnis gegen Nazis
Seit dem Frühjahr 1987 arbeiteten DGB.VVN, DKP, Jusos, Autonome, Volksfront, Unorganisierte und hin und wieder
auch die SPD, kirchliche Gruppen und SchülerInnenvertretungen im Antifa-Komitee zusammen. Es gab grob
ausgedrückt drei Grundsätze, auf deren Grundlage das Komitee arbeitete:
- Antifaschismus ist Antikapitalismus.
- Die Forderung nach Verbot aller faschistischen Parteien und Organisationen nach Artikel 139 GG.
- Das Ziel: Keinen Fußbreit den Faschisten.
30. Januar 1988:1000 Menschen demonstrieren gegen NPD
Dieses Bündnis rief für den 30. Januar 1988 unter dem Emblem einer Faust und zersplitternden Glases und der
Aussage "Faschos raus, aber Zack - Keinen Fußbreit den Faschisten - Das Auftreten der NPD in Konstanz kann
verhindert werden" zu einer Demonstration auf, an der sich über 1000 Menschen beteiligten. In einer Rede des
Komitees rief ein Mitglied des DGB-Ortskartell dazu auf, Wahlkampfplakate der NPD im Landtagswahlkampf abzuhängen.
Die Autonomen konnten im Bündnis durchsetzen, eine eigene Kundgebungsrede zu halten. In dieser wurde vor allem die
Rolle der Polizei angegriffen:
"...wir wissen, daß er (der Staat) bereits jetzt faschistoide mittel anwendet, die aufrüstung der bullen
mit immer besseren und brutaleren waffen, die immer grössere überwachung mit hilfe computergestützter
systeme, der faschismus von heute bedeutet nicht mehr die übernahme des innenministeriums durch rechtsextreme gruppen,
sondern die übernähme rechtsextremer positionen in die politik des innenministeriums. nicht umsonst sahen sich viele
oberpfälzer bürgerInnen und bürger bei knüppelorgien der bullen an bilder aus dem 3. reich erinnert und
schrieen dem sondereinsatzkommando die worte entgegen: ss, sa, sek!". "
Während des Redebeitrages versuchten Polizeibeamte bis zu den verdeckten RednerInnen vorzudringen, dies scheiterte
allerdings am Widerstand der umstehenden DemonstrantInnen. Die Kundgebung war am frühen Nachmittag zu Ende.
Als am späten Abend Faschisten in Kneipen Leute bedrohten, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen ihnen und
AntifaschistInnen, in deren Verlauf zwei Fahrzeuge von Faschisten beschädigt wurden. Drei Antifaschisten wurden in dieser
Nacht auf dem Heimweg von der Polizei abgegriffen und vorübergehend festgenommen.
Polizeiliche Ermittlungen mit Spätfolgen
Die DGB-Kreisvorsitzende Giesela Reitzammer-Meyer, Anmelderin der Demo und regelmäßige Vertreterin des
DGB im Antifa-Komitee wurde nach dieser Demo bei der Polizei vorgeladen. Im Komitee betrachtet sie die Vorladung als eine
"persönliche Sache" und nahm den Termin wahr, trotz starker Bedenken im Komitee, "Mit Rücksicht
auf die Kollegen der Gewerkschaft der Polizei (GdP)", war damals schon ihre Begründung. Was bei dem
Gespräch verhandelt wurde, konnten wir nie genau erfahren. Klar ist, daß Giesela Reitzammer-Meyer einem enormen
Druck der GdP und der Konservativen im DGB ausgesetzt war.
Schon vor der Polizeivorladung war klar, daß gegen den DGB-Redner ein Ermittlungsverfahren wegen "Aufruf zu
Straftaten" eingeleitet wurde und die Kriminalpolizei wegen der Sachbeschädigungen an den zwei Fahrzeugen
ermittelte. Diese Ermittlungen konzentrierten sich auf ein Komitee-Mitglied aus dem autonomen Spektrum, das in der Nacht
festgenommen wurde. Die Ermittlungen gegen den DGB-Redner werden allerdings wenig später eingestellt, während
wegen der Sachbeschädigung ein Strafbefehl ergeht. Noch versichern alle Gruppierungen im Komitee ihre Solidarität
mit allen Aktionsformen, die den Grundsatz "Keinen Fußbreit den Faschisten" durchsetzen.
Wir schildern diesen Sachverhalt so ausführlich, weil dieser Kriminalisierungsfall 10 Monate später zur Spaltung
des Komitees beigetragen hat.
Ziel der 'Kollegen' von der Polizei:
Spaltung und Isolierung des Komitees
Nach dem Austritt des DGB aus dem Komitee im Oktober 88 erklärt Gisela Reitzammer-Meyer nämlich
gegenüber der Kommunalpresse: "Diese Form des Kampfes (angebliche Sachbeschädigungen) lehnen wir strikt
ab". Sie betreibt damit eine Vorverurteilung ihres bisherigen Bündnispartners. Dieser wird im Februar 1990 vom
Amtsgericht Konstanz von dem Vorwurf der Sachbeschädigung freigesprochen. Trotzdem hat die Polizei ein wesentliches
Ziel ihrer Kriminalisierung erreicht: Spaltung des antifaschistischen Bündnises und öffentliche Isolierung des
Widerstandes.
Die Polizei braucht nicht einmal selbst aktiv zu werden: Der DGB übernimmt beide Aufgaben.
DQB und SPD übernehmen Isolierung und Hetze gegen AntifaschistInnen
Die Bemühungen der Polizei diese Ziele zu erreichen, laufen viel verdeckter ab. Sie übt Druck über die
GdP aus und bemüht sich die Stimmung über die Kommunalpresse anzuheizen. Daß DGB und SPD vor dem
innerorganisatorischen Druck gekuscht haben, dokumentiert die Aussage von Helmut Mors, einem SPD-Vertreter im Komitee. Das
folgende Zitat stammt aus einem Interview nach dem Austritt aus dem Komitee im Oktober 88 mit dem Regionalmagazin
"Neues Nebelhorn" und bezieht sich auf die Kundgebungsrede der Autonomen auf der Demonstration am 30. Januar 88:
"... Sie haben dort ihr ganz persönliches verquorrenes Weltbild ausgebreitet und auch noch die Polizei massiv beleidigt,
obwohl es kein Fehlverhalten der Polizisten gab. Was die Kollegen, die ja meistens in der Gewerkschaft der Polizei organisiert sind,
dann zum Anlaß genommen haben, massiv Druck auf den DGB auszuüben. Ich kann doch nicht sagen: 'Polizist ist
Polizist' und mich daran erinnern, daß ich vor zwei Jahren in Wackersdorf eins in die Fresse bekommen habe. Daß die,
wenn sie beleidigt werden, sauer reagieren, vielleicht auch überreagieren, ist verständlich...". Was Mors aus dem
Wortschatz der "Kollegen" unkritisch übernimmt, nämlich Kritik von AntifaschistInnen an der Rolle der
Polizei bei ihren Einsätzen gegen diese als "massive Beleidigung" zu bezeichnen, setzt die Polizei später
auch bei der Kriminalisierung wieder um. Mehrere Verfahren und eine zweitinstanzliche Verurteilung (bis Redaktionsschluß)
wegen dem Straftatbeständ "Beleidigung" wären ohne solche Äußerungen nur schwerlich
möglich.
"Idiotische Diskussionen"
Noch vor dem Austritt versuchten DGB, SPD und Jusos die Junge Union (JU) ins Bündnis zu integrieren, um den
innerorganisatorischen Druck etwas abzuschwächen. Aufgrund der Tatsache, daß es nachweislich viele
Querverbindungen, unter anderem eine Doppelmitgliedschaft in JU und NPD, zwischen der JU und den Faschisten im Landkreis
gibt, war dies im Komitee nicht durchzusetzen. Die inhaltliche Auseinandersetzung darüber, ob eine Organisation, die selbst
Faschisten in ihren Reihen duldet, in einem Antifa-Bündnis etwas zu suchen hat, bezeichnet Gisela Reitzammer-Meyer nach
dem Austritt als eine "idiotische Diskussion".
Die Kommunalpresse:
Der 'antifaschistische' Revierleiter
Während des OB-Wahlkampfes im Sommer 88 startet dann auch der bürgerliche Südkurier, der bis dahin
die Faschisten ignoriert hat, seine Hetze gegen das Komitee. Nach einer friedlichen Blockade gegen einen Wahlkampfstand der NPD
ist beispielsweise zu lesen: "Und wer den Informationsstand in der Hussenstraße zu übersehen drohte, wurde
zeitweise von Mitgliedern des Antifaschistischen Komitees Konstanz lautstark darauf gestoßen. So laut und heftig, daß
die Polizei einschritt und sowohl Transparent, als auch Megaphon beschlagnahmte... Nach wie vor hat Polizei-Revierleiter Theo
Tillmann seine Probleme mit dem Lärm von politischen Nebenkriegsschauplätzen: 'Ich versteh das einfach nicht.
Wenn die jungen Linken gegen die NPD sind, sollen sie doch nicht soviel Reklame für diese Partei machen'."
Revierleiter Tillmann, der in der Kommunalpresse als wahrer Antifaschist dargestellt wird, begrüßte am Rande eines
Informationstandes der NPD eine Woche danach den Ex-NPD-Stadtrat Eyermann freudig per Handschlag mit dessen Vornamen
"Walter".
Polizeiliche "Notwehr": 100 AntifaschistInnen mit Knüppeln und Reizgas
vertrieben
Die letzte gemeinsame Aktion unter dem Konsens "Keinen Fußbreit..." ist die von der Stadt organisierte
Vorstellung aller OB-KandidatInnen am 3. Juni 88 im Konzilgebäude. Besprochenes Ziel im Komitee: Die Veranstaltung, auf
der auch der NPD-Kandidat Bohland sprechen soll, von Anfang an zu verhindern. Durch einen brutalen Polizeieinsatz zu Beginn der
Veranstaltung wird eine Gruppe von ca. 80 bis 100 AntifaschistInnen mit Knüppeln und Reizgas aus dem Saal getrieben. Die
Proteste gehen dennoch welter, als Bohland zu Wort kommen will. Der Veranstaltungsleiter der Stadt, Sozialbürgermeister
Hansen (CDU) wollte daraufhin den Saal erneut räumen lassen, doch die Polizeieinsatzleitung winkte ab. Sie war zu diesem
Zeitpunkt bereits auf Schadensbegrenzung bedacht. Denn nur selten hatte sie in Konstanz eine solche Knüppelorgie einer so
breiten und größtenteils entsetzten Öffentlichkeit vorgeführt. Der Konstanzer Einsatzleiter Paul Scholz half
sich dann auch mit unwahren Behauptungen in der Kommunalpresse, um das Image der Polizei einigermaßen zu retten. Nur in
"persönlichen Notwehrsituationen" hätten Beamte Reizgas eingesetzt. Eine solche Situation spielte sich
beispielsweise vor dem Gebäude ab, als nach dem Knüppeleinsatz ein völlig unbedrängter Polizist aus
zwei bis drei Metern Entfernung mit Reizgas gegen sitzende und liegende DemonstrantInnen sprühte.
Trotz der Schwierigkeiten der Polizei, einen solchen Einsatz an die Öffentlichkeit zu verkaufen, wächst das
Bündnis nicht wieder enger zusammen. Im Gegenteil: Die relativ großen Symphatien für die Aktion in der
Öffentlichkeit, hindern SPD und DGB nicht daran, an dem Grundsatz, Faschistenauftritte zu verhindern, Kritik zu üben.
Selbst der Tenor "Festgenommene sind selber schuld" ist deutlich wahrzunehmen.
DGB g/bt Druck der GdP nach und verläßt das Komitee
In der Folgezeit unternimmt die GdP die letzten Schritte zur organisatorischen Spaltung des Antifa-Bündnisses. Auf
Landesebene wird die GdP beim DGB vorstellig. Giesela Reitzammer-Meyer wird nach Stuttgart zum DGB Landesvorstand zitiert.
Auf einer der folgenden DGB-Ortskartell-Sitzungen schlägt sie den Austritt aus dem Komitee vor. Ohne Diskussion wird dort
dem Vorschlag gefolgt. Die Zustimmung erfolgt auch durch ein DKP-Mitglied im Ortskartell, das ebenfalls im Bündnis
mitarbeitete. Giesela Reitzammer-Meyer bekräftigt zwar, daß der Entschluß nicht durch den Druck der GdP
zustande kam, doch aus dem Kommentar des Ortsvorsitzenden der GdP Felgenhauer wird deutlich mit welchem Engagement die
Polizisten bei der Sache waren. Felgenhauer spricht im Südkurier im Oktober 88 von einem "internen Problem",
welches durch ein "Einlenken des DGB" nun auch intern gelöst werden könnte. Der DGB verabschiedet
sich im Oktober 88 nicht nur aus dem Komitee, sondern definiert seine Positionen im antifaschistischen Widerstand neu. Dabei
werden Positionen, wie beispielsweise, Faschisten keine öffentlichen Auftritte zu ermöglichen, oder das Antifaschismus
auch Antikapitalismus heißt, über Bord geworfen. Von einem Staat, der zunehmend Positionen der Faschisten
übernimmt, wird eine Kurskorrektur nach rechts auch von einer staatstragenden Gewerkschatsinstitution wie dem DGB
verlangt. Der Druck über die GdP ist dabei nur Mittel zum Zweck.
Antifaschismus im DGB beschränkt sich auf "Visionen"
Ein ganzes Jahr ist der DGB überhaupt nicht bereit, zum Thema "Antifaschismus" Stellung zu beziehen,
geschweige denn aktiv zu werden.
Im Oktober 89 verabschiedet die Delegiertenkonferenz des Kreis-DGB dann eine sogenannte Bodensee-Erklärung. In
dieser werden kämpfende AntifaschistInnen mehr angegriffen als die Faschisten selbst: "... Es reicht nicht aus, in
Sprechchören 'Nazis raus!' zu fordern und Versammlungen zu stören und zu verhindern ... Überreaktionen bergen
die Gefahr, den Rechtsextremisten Symphatisanten zuzutreiben und ihre Feindbilder zu bestätigen ...". Das Problem
wird deutlich: Antifaschistische Grundsätze sind dem DGB weniger wichtig, als eine konfliktfreie Gewerkschaftsarbeit.
Dafür wird sogar in Kauf genommen, daß Leute, mit denen die Gewerkschaft bisher antifaschistisch erfolgreich
arbeitete, isoliert, kriminalisiert und in der Konsequenz auch in den Knast gesteckt werden. Das geht soweit, daß die Hetze
sich kaum von der der Polizei oder der Kommunalpresse unterscheidet. Der DGB zeigt in der Erklärung aber auch auf, welche
Konzepte er der Faschisierung entgegenstellen will: " ...Wir setzen dem dumpfen Geschrei nach einem ausländerfreien
Deutschland die Vision von einem multikulturellen Staatsgefüge entgegen, in dem jede und jeder selbstbestimmt und
glücklich leben kann."
DGB schwelgt zu faschistischen Überfällen
In den Wochen, in der die Bodensee-Erklärung entsteht, überfallen die Faschisten das Jugendzentrum in
Ravensburg, prügeln überall in der Region AusländerInnen und Punks krankenhausreif und wird ein
Brandanschlag auf ein AsylbewerberInnenwohnheim bei Radolfzell verübt. Der DGB schweigt dazu, genauso wie die SPD,
die Jusos und die örtlichen Grünen.
Der Tod von Conny Wissmann und die Menschenwürde der Konstanzer
Polizisten
Einen Monat später meldet sich auch Kollege Felgenhauer wieder zu Wort. Anläßlich einer Demonstrantion
am 20. November 89 zum Tod der Göttinger Antifaschistin Conny Wissmann, an der die Sprechchorparole "Deutsche
Polizisten, morden für Faschisten" gerufen wurde, empört sich Einsatzleiter Felgenhauer in der Kommunalpresse:
"Das ist das Übelste, was wir je gehört haben ... die machen die beste Werbung für die Republikaner... bei
weitem ist es nicht so, wie öfters zu hören ist, daß die Polizei auf die rechte Seite abfährt...". Die
Polizei nutzt außerdem die Gelegenheit, um die Unwahrheit zu verbreiten, daß es noch niemals zu Auseinandersetzung
zwischen den AntifaschistInnen und der Polizei gekommen sei und dies sei selbstverständlich auf die "besonnene
Einsatzleitung" zurückzuführen. Ihren Dienstauftrag bei der Demonstration definiert sie so: "Wir sind
verpflichtet, Demonstrationen gleich welcher Richtung zu schützen". Zu diesem Zeitpunkt ist die 24-jährige
Conny Wissmann gerade wenige Tage beerdigt und die Polizei ermittelt gegen sechs Antifaschisten wegen Beamtenbeleidigung
aufgrund der Parole. Felgenhauer: "Menschenwürde ist schließlich gleich hoch einzustufen wie das
Demonstrationsrecht". Sein Zynismus verschleiert nicht, daß ihm das Leben eines/r AntifaschistIn einen Dreck wert ist.
Dies ist zugleich der Höhepunkt der Gesinnungskriminalisierung und der Hetze in der Lokalpresse.
Auswirkungen des DGB-Austritts
Organisatorisch war der Ausstieg des DGB und die chronische Abstinenz von SPD, Jusos und Grünen für das
Bündnis zu verkraften. Diese sogenannten Massenorganisationen haben ohnehin niemals die Masse der antifaschistischen
Aktivitäten getragen. Schlimmer war, daß die Lokalpresse nun noch hemungsloser hetzen konnte, als wenn es auch
gegen den DGB gegangen wäre. In der Folgezeit schrieb sie beispielsweise nicht mehr über "das Komitee",
sondern über "eine Gruppe, die sich antifaschistisches Komitee nennt".
Der unter Druck geratene DGB, welcher Aktionsformen und inhaltlich Positionen korrigiert hat, beschränkt sich nun
darauf, das Komitee anzugreifen. Viele Menschen, die sich bisher an Aktionen beteiligt haben, greifen die Kritik des DGB und der
SPD auf und beteiligen sich nicht mehr am antifaschistischen Widerstand. Und das ist das Fatale: DGB und SPD haben keine eigene
Perspektive des antifaschistischen Kampfes über die Kritik am bestehenden hinaus entwickelt. So haben sich diese Menschen
allgemein vom Antifaschismus distanziert, ohne deswegen faschistische Positionen gut zu heißen. Viele fanden sich
plötzlich in einer Konfrontation mit der Polizei, hatten Angst, wollten das alles nicht. Und wenn wir gesagt haben: "Das
ist kein Zufall, wer kämpft, kann dem nicht aus dem Weg gehen", ging ihnen dies zuweit.
Doch keine andere Perspektive zu bieten, werfen wir den bürgerlichen Linken vor. Wer mehr Energie dafür
aufbringt, sich vom Widerstand gegen Faschisten abzugrenzen als von ihnen selbst, darf sich nicht wundern, wenn diese erstarken -
da helfen auch keine Visionen von glücklich lebenden Menschen.
Entsolidarlslerung
Das Komitee sucht immer wieder Öffentlichkeit zu der Kriminalisierung der aktiven AntifaschistInnen. Die zunehmende
Übernahme faschistischer Positionen in die herrschende Politik und die daraus resultierenden Angriffe der Staatsgewalt auf
den antifaschistischen Widerstand haben dazu geführt, daß die Rolle der Polizei in den Vordergrund unserer
Informationsarbeit gerückt ist. Wir haben die Konfrontation mit der Polizei nie gesucht, sie wurde uns aufgedrängt. Wo
immer wir Widerstand gegen Faschismus leisten wollten, hat sich die Polizei eingemischt, auf uns eingeschlagen und Strafverfahren
gegen uns eingeleitet. Doch wir mußten und wollten auch eine Öffentlichkeit zu den Prügeln, den Strafverfahren
und dem Tod von Conny Wissmann herstellen.
Auf einer Demonstration anläßlich der ersten Gemeinderatssitzung mit zwei neu gewählten Abgeordneten
der Republikaner ist dies auch Thema des zentralen Redebeitrages. Für viele Menschen, die sich dem antifaschistischen
Widerstand nahe fühlen, geht die Kritik offensichtlich zu weit. Durch in der Kommunalpresse tief betroffene
"Schutzmänner", sich empörende Lokalredakteure und Angriffe von SPD und DGB gegenüber dem
Komitee findet eine beängstigende Entsolidarisierung statt. In einem Brief an das Komitee aus Juso-Kreisen heißt es:
"Schon seit einiger Zeit verfolge ich Ihre Aktionen gegen den "faschistischen Terror" und Ihre Flugblattaktionen.
Bei einem solchen Durcheinander von Behauptungen, Unterstellungen und Unwahrheiten, kann ich nicht länger schweigen,
zudem, was Sie der Polizei unterstellen. Von Ihren Beschuldigungen und Verleumdungen ist ja neben dem äußerst
geringen Teil der Wahrheit ein überverhältnismäßig großer Teil einfach nicht wahr. (...) Hören
Sie auf mit ihrem Geschmiere und ihrer bewußten Fehlinformation, benutzen Sie Mittel der Demokratie, um gegen den
Faschismus zu kämpfen, führen Sie kein Scheingefecht gegen die Faschisten, um das Gewaltmonopol und die reale
Existenz der Polizei in Frage zu stellen. Ist dies in Zukunft nicht der Fall, so sind wir Gegner, obwohl wir für die gleiche
Sache kämpfen. (...) Und ich vergehe bald vor Mitleid, wenn Sie als Vorkämpfer gegen die Polizei den Heldentod
sterben ... Schmeißen Sie nie wieder die Polizei und die Faschisten in einen Topf!!!"
Menschen die noch vor eineinhalb Jahren auf der Straße waren, bringen den Informationen des Komitees große
Skepsis entgegen, nehmen Prozesse höchstens zur Kenntnis und ziehen sich vom aktiven Widerstand zurück. Das geht
soweit, daß 32 Festnahmen der Polizei bei einer friedlichen Protestaktion anläßlich des Hungerstreikes der
politischen Gefangenen in Spanien beim Kohl-Gonzales-Treffen im März in Konstanz von nahezu allen Organisationen und
Einzelpersonen außerhalb des Komitees ignoriert wurden. Eine politische Massenfestnahme, wie es sie seit der Nazi-
Herrschaft in Konstanz nicht mehr gegeben hat, wird als Alltag aufgenommen - verdrängte Realität. Mit jedem
Strafverfahren gegen ArrtifaschistInnen wächst nicht der Widerstand, sondern wird diese Realität alltäglicher.
Hätte das Komitee in diesem Zusammenhang von Faschisierung gesprochen, viele Kommentare wären lapidar mit
"typisch überzeichnet" ausgefallen. Es ist nicht der antifaschistische Kampf, dessen Schärfe zugenommen
hat, sondern die Repression und Hetze gegen uns. Zuviele verhalten sich dazu nicht. Umso weniger Leute sich wehren, umso
dreistere Konstrukte von Staats wegen wird es geben, um den antifaschistischen Widerstand "auszumerzen". Durch
stillhalten und wegschauen ist noch nie etwas erkämpft oder - in diesem Falle wohl besser - verhindert worden. Wer das neue
Ausländergesetz ignoriert, oder den Nationalismus bei der deutschdeutschen Besoffenheit nicht wahrhaben will, kann die
Tatsache, daß die Programmatik der Faschisten in Gesetze gegossen wird, trotzdem nicht leugnen.
Antifaschismus heißt niemals stramm stehen...
Sicher haben wir dabei versagt, die Betroffenheit von der Kriminalisierung rüber zu bringen. Diejenigen, die mit auf der
Straße waren und nun zusehen, wie sie die anderen fertig machen wollen, waren zuwenig Teil von uns und wir zuwenig von
ihnen. Unsere Sprache, unser Handeln, unsere Diskussionen, unsere Erfahrungen waren zu unterschiedlich. Gelingt es uns nicht
diese Differenzen und Widersprüche auszutragen, wäre dies für die Perspektive des antifaschistischen
Widerstands fatal. Viele interessiert es gar nicht, wenn andere Schritt für Schritt dem Knast entgegen kriminalisiert werden.
Viele haben einfach auch nicht die gleichen Erfahrungen mit diesem menschenfeindlichen Staatsapparat gemacht, als das sie diese
Charakterisierung nachvollziehen könnten. Doch wir sehen auch, daß erst in dem Moment, wo AntifaschistInnen
regional in DGB und SPD vor dem Druck der Herrschenden, der innerorganisatiorisch von den Rechten oder der
Polizeigewerkschaft transportiert wurde, stramm gestanden sind, die Hetze und die Kriminalisierung in diesem Ausmaß
möglich war. Hier und nicht durch die Kritik des Südkuriers oder der Polizei, hat eine Entsolidarisierung
eingesetzt.
Noch haben wir in Konstanz die Stärke, um uns den Straßenterror der
Faschisten gegen alle Menschen, die in ihr Feindbild passen, wirksam vom Leib zu halten
- um den Faschisten so entgegenzutreten, daß sie sich lieber heimlich in
Hinterzimmern zusammenhocken. Das ist im Vergleich zu anderen Städten in der Region
schon viel. Mag sein, daß sich, sollte sich an dieser Situation hier etwas
ändern, neuer Widerstand von bedrohten Gruppen und Leuten formiert. Doch für
eine Perspektive im Kampf gegen Faschisierung in Regierungsprogrammen werden wir
zuwenige sein. Und um das muß es doch letztendlich auch gehen: Antifaschismus
nicht nur als Kampf gegen Faschisten im Staate, sondern gegen einen zunehmend
faschisierten Staat.
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