Kriminalisierung von Antifaschisten und Antifaschistinnen in Hamburg
- wir stehen nicht tatenlos daneben!
Am Donnerstag, den 15. 6. 89 wurden in Hamburg 8 Wohnungen durchsucht. Die
Landeskriminalämter Niedersachsen und Hamburg ermitteln gegen sechs Menschen wegen
militanterAktionen gegen Faschisten. Die Wohnungen wurden ohne Durchsuchungsbefehl
durchsucht. Begründet wurde dies mit "Gefahr im Verzug"
Zwei der Beschuldigten, Renate und Burghard, wurden während der Durchsuchungen
verhaftet und sitzen seitdem in Hamburg in Untersuchungshaft. Haftgrund ist neben angeblicher
Flucht- und Verdunkelungsgefahr ein behaupteter dringender Tatverdacht, das Faschistenehepaar
Worch überfallen zu haben. (Im Mai 89 wurden Christian und Ursula Worch 50 Aktenordner
mit Material dert "Nationalen Liste" (FAP Hamburg) aus deren Wohnung
beschlagnahmt.)
Inzwischen wurden die Beschuldigungen damit begründet, daß gegen vier der
sechs Beschuldigten wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a
StGB ermittelt wird. Dabei konstruieren sich die Staatsschützer eine Vereinigung herbei, die
im norddeutschen Raum militante Aktionen gegen politische Gegner - nämlich Faschisten -
und Repräsentanten des Staates durchgeführt haben soll. Diese ungenauen Angaben
reichen den verantwortlichen Staaatsanwälten aus, um aktive AntiufaschistInnen in Hamburg
derart massiv anzugreifen. Wie schon so oft in Ermittlungsverfahren wegen § 129 a legen die
Ermittlungsbehörden keinerlei Tatsachen vor, die ihre Behauptungen untermauern
würden.
Interessanterweise erschien 2 Wochen vorher im "Spiegel" ein Artikel über
antifaschistische Gruppen, in dem nicht etwa hervorgehoben wurde, daß das antifaschistische
Bewußtsein und die Bereitschaft, den antifaschistischen Kampf aufzunehmen, in den letzten
Monaten -vor allem seit den Wahlerfolgen der REPs in Westberlin - zugenommen hat. Dieser
Artikel versucht Teile der antifaschistischen Bewegung als sog. Militante zu denunzieren. Ziel des
Artikels ist es, eine Spaltung der antifaschistischen Bewegung in "Gewaltfreie" und
"Militante" herbeizureden.
Es ist eine uralte Masche, Bewegungen an der Gewaltfrage spalten zu wollen. Wir sollen dazu
gebracht werden, nicht mehr GEMEINSAM unsere Ziele und Inhalte zu diskutieren, denn wir
können dabei zum gemeinsamen Handeln kommen. Unsere solidarischen Diskussionen, in
denen wir unsere Stärke auch in der Vielfalt unserer Aktionsformen begreifen und
Bündnispartner und Gegner besser unterscheiden lernen, ist den Herrschenden
gefährlich. Und daher nützt es nur ihnen, wenn wir uns aufreiben in
Auseinandersetzungen über die "Gewaltfrage".
Wir, die Linke, haben gelernt in den letzten Jahren. Wir haben gelernt, daß wir die
einzelnen Kämpfe nur gemeinsam erfolgreich führen können. Auch die
antifaschistische Bewegung hat dies erkannt. Vor diesem Hintergrund richtet sich unser
antifaschistischer Kampf nicht nur gegen "alte" und "neue" Faschisten und
ist eng verknüpft mit dem Suchen nach UNSEREN Lösungen, die bestehenden
gesellschaftlichen Widersprüche zu beseitigen. Wir kämpfen für ein
menschenwürdiges und gleichberechtigtes Leben aller Menschen. Das greift die besteheden
Machtverhältnisse grundlegend an.
In den letzten Jahren sind zunehmend AntifaschistInnen kriminalisiert worden;
größtenteils durch Strafbefehle und "kleinere" Prozesse wegen
Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Körperverletzung,
Sachbeschädigung, Widerstand etc. In Westberlin werden zur Zeit mehrere Menschen wegen
"Bildung bewaffneter Haufen" verfolgt. Dies steht in Zusammenhang mit der
Mobilisierung und den Selbstschutzmaßnahmen um den 20. April 1989 (Hitlers
100jähriger Geburtstag). Jetzt werden sechs Menschen in Hamburg mit Hilfe des
Staatsschutzparagraphen 129a verfolgt. Derzeit ist uns noch offen, welche konkreten Interessen
dahinterstehen. Der §129a bietet den Ermittlungsbehörden viele Möglichkeiten:
Er soll durch hohe Strafen abschrecken, politische Aktionen als terroristische diffamieren,
Menschen dazu bringen, sich aus Angst oder aus politischer Taktik zu distanzieren. Er diffamiert
politische Inhalte ganzer Teilbereiche als "anschlagsrelevante" Themen und bietet
zusätzlich gegen ganze Bewegungen gerichtete Ermittlungsmöglichkeiten, die unter
anderen Vorwürfen gar nicht legal wären -wie z. B. Abhören, Observieren,
Spitzel und Provokateure eischleusen usw. Dieser massive Kriminalisierungsangriff soll uns alle
treffen: Die Hamburger Antifa-Koordination läßt sich nicht spalten! Wir wollen
GEMEINSAM unseren Kampf gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus organisieren. Die
Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen Oben und Unten - und
schon gar nicht zwischen uns!
Wir setzen uns ein für die Freiheit von Renate und Burghard und für die
Einstellung aller Ermittlungsverfahren gegen AntifaschistInnen!
Auf einem Treffen der Hamburger Antifa-, Koordination haben Mitglieder der folgenden
Organisationen dieses Papier erarbeitet: GAL FG Antifa; WN/BdA; Antifa-Jugendfront; Jusos;
DKP; Volksfront; GJA/R; Antifa Hamburg; VSP
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