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cm, Konstanz 22. 10. 99

Polizei: "Die Szene nützt damit nur der rechten Seite"

Ordnungshüter müssen Demonstranten schützen und werden dabei von diesen beleidigt

Konstanz rel. Es müssen gar keine Steine fliegen, keine Wasserwerfer auffahren: Die Polizei steht bei Demonstrationen trotzdem oft zwischen den Fronten. Zuletzt war dies in Konstanz am Montag, 20. November, der Fall. Eine sich als Antifaschistisches Komitee bezeichnende Gruppe hatte zur einer Demonstration aufgerufen, bei der die Polizei beschuldigt wurde, für den Tod einer Demonstrantin verantwortlich zu sein. Der Unfall hatte sich in Göttingen (Niedersachsen) zugetragen: Dort war nach einer Auseinandersetzung zwischen linken Gruppen und Skinheads eine junge Frau von einem Privatauto erfaßt worden, als sie vor Polizeikräften flüchtete.

Der Konstanzer Demonstrationszug wurde von Polizeibeamten begleitet. Dabei wurden Polizisten unter anderem als "Mörder" und "Faschisten" bezeichnet. Das hat für fünf Demonstranten Anzeigen wegen Beleidigung zur Folge. Das heißt aber nicht, daß die Polizei die Vorfälle damit als erledigt betrachtet. In einem Gespräch mit dem SÜDKURIER wurde vielmehr die Betroffenheit der Beamten über solche Beschimpfungen deutlich.

"Das ist das Übelste, was wir je gehört haben", klagte Joachim Felgenhauer, der an jenem Montag Einsatzleiter war. Der Vorsitzende der Ortsgruppe der Gewerkschaft der Polizei: "Demonstration ja, aber das hört dort auf, wo Grundrechte verletzt werden".

Menschenwürde sei schließlich gleich hoch einzustufen wie das Demonstrationsrecht.

"Die Szene nützt damit nur der rechten Seite", faßte Polizeirat Paul Scholz seine Erfahrungen bei dieser Demonstration zusammen. Selbstverständlich müsse der Unfall in Göttingen untersucht werden. Er, Scholz, könne zum Teil auch die Ressentiments verstehen, die dadurch gegenüber der Polizei geweckt worden seien. Doch zunächst müsse das Untersuchungsergebnis abgewartet werden. Für den Leiter der Schutzpolizei war die Konstanzer Demonstration eine schlimme Erfahrung: Auf der einen Seite Demonstranten, die Beamte als Faschisten beschimpfen, auf der anderen Seite am Straßenrand Sätze wie "das bringt uns Republikaner Stimmen" oder, zu den begleitenden Polizeibeamten gewandt: "Das läßt Ihr Euch gefallen! Warum schlagt Ihr nicht rein?"

Für Krimmaloberrat Armin Schöpflin, derzeit kommissarischer Leiter der Polizeidirektion, steht fest, daß das besonnene Verhalten der Beamten und Einsatzleitung gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den sogenannten Autonomen und Uniformierten bislang verhindert hat. Auch zeige sich immer wieder, daß der aktive Kern in Konstanz sehr klein sei. Schließlich zähle Konstanz rund 10 000 Studierende. An der Demonstration in der vergangenen Woche aber hätten sich lediglich 100 Personen beteiligt. Die Hälfte davon kann nach Einschätzung der Polizei zur Gruppe der Aktivisten gerechnet werden.

Mehrmals wiesen die Gesprächsteilnehmer darauf hin, die Polizei sei verpflichtet, sich neutral zu verhalten und Demonstrationen gleich welcher politischen Richtung zu schützen. Eine Veranstaltung könne nur dann verboten werden, wenn Straftaten zu erwarten seien. Schöpflich brachte es auf einen einfachen Nenner: "Solange eine Partei nicht verboten ist, ist sie erlaubt, und wir müssen sie schützen." Die Versammlungsrechte müßten gewährleistet werden.

Wenn die Polizei einen Demonstrationszug begleitet, so hat sie dabei zweierlei Aufgaben: Zum einen muß verhindert werden, daß aus der Gruppe heraus Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen werden, zum andern muß sie den Demonstrationszug vor Übergriffen von außen schützen.

"Die können doch von Glück reden, daß sie in einer Demokratie leben", meinte der Gewerkschafter Felgenhauer mit Blick auf die letzte Konstanzer Demonstration. "Die machen doch die beste Werbung für die Republikaner", sagte er weiter und betonte in diesem Zusammenhang, daß es "bei weitem nicht so ist, wie öfters zu hören ist, daß die Polizei auf die rechte Seite abfährt". Die Behauptung, unter den Polizeibeamten seien besonders viele Anhänger der Republikaner zu finden, entbehre jeglicher Grundlage.