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"Linke Schreihälse machen Werbung für die Republikaner"Zur bürgerlichen Hetzkampagne gegen AntifaschistInnenMitte 1984 wurden in Konstanz die ersten neofaschistischen Aktivitäten bekannt. Vor allem Schüler, die mit der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) symphatisieren, beschäftigen sich mit paramilitärischer Ausbildung und verbreiten Propagandaschriften. Von diesem Kreis gehen in der Folgezeit verschiedenste Gewalttäigkeiten gegen SchülerInnen und AusländerInnen aus. Später trifft mensch den größten Teil dieses Kreises bei der Wahlunterstützung der NPD. Die Ergebnisse der Faschisten in Konstanz nehmen stetig zu: Bundestagswahl 1987 527 Stimmen (1,3%), Landtagswahl 1988 1070 Stimmen (3,1%), OB-Wahl 1988 866 Stimmen (4,7%), Europawahl 1989 2818 Stimmen (9,6%). Heute sitzen die REPs mit zwei Vertretern (5,1%) im Gemeinderat. Diese Formierung der faschistischen Kräfte in Konstanz war von Beginn an Anlaß für antifaschistischen Widerstand. Zuerst vereinzelt, haben sich 1987 im Antifa-Komitee verschiedene Strömungen zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Dieses Bündnis arbeitet mit den verschiedensten Mitteln. Neben jahrelanger Aufklärungs und Informationsarbeit wurde immer wieder in direkten Aktionen versucht, den Faschisten die Öffentlichkeit zu nehmen. Veranstaltungen und Aufmärsche wurden verhindert, Informationsstände behindert oder wirkungslos gemacht.Bürgerliche Reaktion auf die faschistische FormierungWie haben die Bürgerlichen auf diese Entwicklung reagiert? Die einen haben geschwiegen, und wir unterstellen ihnen ein wohlwollendes Interesse an der faschistischen Formierung, an deren Propagierung und Mobilisierung, an Terror gegen Flüchtlinge, Widerstand und Arbeiterbewegung. Die anderen haben die Taktik ausgegeben, mit ein paar liberalen Sprüchen, Toleranz, Ignoranz und Abwarten sind die "Ewiggestrigen" schnell wieder weg. Nach dem Grundsatz "Verbalradikalismus ohne Konsequenzen" hat die Mehrheit des Gemeinderats im Herbst 1987 eine Resolution verabschiedet. Dort heißt es: "Der Gemeinderat der Stadt Konstanz betrachtet die NPD als Nachfolgeorganisation der verbotenen NSDAP. (...) Der Gemeinderat fordert mit Nachdruck, daß in Konstanz jedwede Werbung mit nazi-ähnlichen Emblemen oder nationalsozialistischen Parolen unterbunden wird." Gleichzeitig wurde beschlossen, diese Resolution allen Konstanzer Haushalten zuzustellen. Bis heute ist dies nicht erfolgt. Hat der Gemeinderat damit zumindest die Existenz der NPD zur Kenntnis genommen, war das Anliegen der Mehrheit jedoch nie, daraus irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. In das gleiche Bild paßt eine Stellungnahme von OB Eickmeyer: "Wer die Ideologie der NPD - das Hinstreben zu autoritären Staatsformen, das Ablehnen der repräsentativen Demokratie, lautes Propagieren rassistischer Vorstellungen, Ausländerfeindlichkeit - kennt, muß sich von diesen verfassungsfeindlichen Zielen distanzieren ... Aufgrund der Ideologie der NPD würde ich einem Verbot zustimmen" (Brief an die AG Neofaschismus an der Uni Konstanz, 16.12.1987). Ob und welche Konsequenzen er daraus zog, kommt etwas später. Stellvertretend ist auf der nächsten Seite ein Kommentar des damaligen Chefredakteurs des Südkurier-Lokalteils Werner Schwarzwälder anläßlich der NPD-Kandidatur zu den OB-Wahlen im Juni 1988 dokumentiert. Er spiegelt im großen und ganzen die Meinung der bürgerlichen Öffentlichkeit wider. Wir fassen zusammen, Ähnlichkeiten mit geschichtlichen Ereignissen dieses Jahrhunderts wären rein zufällig und nicht beabsichtigt: Ein ehrsamer Mechanikermeister aus einer kreisfremden Gemeinde will in Konstanz sein politisches Programm vorstellen. Obwohl ihm radikale Parolen fremd sind, sollte dieser Bürger nicht über Gebühr von den Einheimischen willkommen geheißen werden, haben doch andere mehr Sachkompetenz und Ideen, Konstanzer Kommunalpolitik zu betreiben. Auch wenn dieser Bürger ungeladen kommt, soll er mit dem für alle geltenden selbstverständlichen Respekt aufgenommen werden. Er vertritt ja nur ein politisches Parteiprogramm. Und wenn er bei manchen ein offenes Ohr findet, wird das den anderen nicht weh tun. Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute. Dieser Sichtweise schloß sich OB Eickmeyer an, indem er seiner Ankündigung "Dabei werde ich mich nicht scheuen, Stellung zum Thema NPD zu beziehen" (Brief an die AG Neofaschismus an der Uni Konstanz, 16.12.1987) folgen ließ, er werde sich für einen ungestörten Wahlkampf von NPD-Bohland einsetzen (Wahlveranstattung am 17.5.1988 im Konzil). Am selben Tag hatte sein Vize, Bürgermeister und Wahlleiter Hansen, betont: "Wir sollten uns hier nicht den Kopf der Bundesorgane zerbrechen". Damit rechtfertigte er im Gemeindewahlausschuß die Zulassung des NPD-Kandidaten. Gleichzeitig hat das städtische Rechts- und Ordnungsamt der NPD vier Informationsstände in der Stadt genehmigt. Als Tatsache steht damit fest, die Stadtverwaltung erkennt die NPD als Nachfolgeorganisation der NSDAP an und erteilt ihr völlige Handlungsfreiheit. Wir unterstellen, daß dies in völligem Einverständnis mit der örtlichen Polizeiführung geschehen ist. Diese hatte auf die Frage - Gibt es von Seiten der Polizei Ratschläge an die Stadtverwaltung, um das Auftreten neofaschistischer Tendenzen hier zu erschweren? -mitgeteilt: "Sollte die Stadtverwaltung Konstanz an die Polizeidirektion Konstanz herantreten, so werden wir selbstverständlich gerne beratend tätig sein" (Pressesprecher Baumann in einem Brief an die AG Neofaschismus an der Uni Konstanz, 10.12.1987). Haben also Hansen und Eickmeyer nachgefragt, muß ihnen gesagt worden sein, legt den Faschisten nichts in den Weg. Haben sie nicht, sind sie zum selben Ergebnis gekommen. Worüber sich Hansen und andere den Kopf zerbrochen haben, werden wir später sehen. Faschisten ärgerlich -Antifaschismus nicht legitimIn ihre Logik paßt der antifaschistische Widerstand nicht, er wird diskreditiert und ihm wird die Legitimität abgesprochen. Sie sprechen von einer "Belastung", neuerdings von einem "Ärgernis", und legalisieren damit die Faschisten. Ihre politische Existenzberechtigung wird nicht in Zweifel gezogen. So wundert es gar nicht mehr, daß als störend nicht die salonfähigen Faschisten betrachtet werden, sondern diejenigen, die daraus einen Skandal machen. Damit ist es für OB Eickmeyer logisch, wenn er nach den Vorfällen im Konzil schreibt: "Um so mehr ist unsere Bürgerschaft über die jüngsten unerfreulichen, unkonstanzerischen Provokationen entsetzt, denen sie eine klare Absage erteilt" (Anzeige im Südkurier, 11.6.1988). Er hält die "Belastung" NPD aus, hat seine Lektion "Nachfolgeorganisation" gelernt und greift den Antifaschismus als "unerfreulich" und "unkonstanzerisch" an. Hätte er "undeutsch" gesagt, wir hätten ihm Parallelen zum Vokabular der Faschisten nachgewiesen. Wir denken, daß sich die Leserin und der Leser selbst ein Urteil bilden kann, ohne daß wir das Stadtarchiv um Äußerungen des OB Albert Herrmann (Amtszeit 1933 bis 1945) bemühen. Aber mit "unkonstanzerisch" ist das entscheidende Stichwort für das Eingreifen der Staatsgewalt gegeben. Und das ergibt sich zwangsläufig aus dieser Sichtweise. Wer das Totschweigen nicht mitmacht, die "Belastung" nicht auf sich nehmen will, geht nach ihrer Logik daran, "den Rechtsstaat aus seinen Angeln zu heben" (Schwarzwälder im Südkurier, 7.5.1988). Dasind die Feinde entdeckt, die die Idylle stören. Einer, der es immer genau wußte: "Wir wenden uns deshalb gegen diese Volksfrontsmythologie, gegen diese Antifamythologie... diese Volksfront- und Antifamythologie birgt die Gefahr der Selbstzerstörung, auch die Zerstörung eines normalen Geschichtsbildes und unserer Verfassung" (Strauß in Frankfurter Rundschau, 14.1.1987). Der Antifaschismus wird letzlich zur Verfassungswidrigkeit erklärt, während unter Berufung auf bestehende Gesetze der Rechtsstaat die faschistische Formierung schützt. "Ausgerechnet linke Schreihälse haben ihm (NPD-Bohland) zu einem kostenlosen Werbeeffekt verholfen" (G.H. Frick in der Rundschau, Konstanz 9.6.1988). Und es ist nicht Fricks Dummheit, die ihm den Blick darauf verstellt, daß der Sozial-Bürgermeister Hansen (CDU) den öffentlichen Auftritt des Faschisten Bohland durchsetzen wollte. Nein, er wollte dem Faschisten zuhören und geifert gegen jene, die seine Andacht störten. Die Staatsgewalt hat das Stichwort verstanden. Revierleiter Theo Tillmann: "Wenn die jungen Linken gegen die NPD sind, sollen sie doch nicht soviel Reklame für diese Partei machen" (Südkurier 26.6.1988). Damit findet denn auch Einsatzleiter Scholz nachträglich seine Rechtfertigung zum Einsatz im Konzil: "Es blieb uns gar nichts anderes übrig, als hart durchzugreifen" (Südkurier 9.6.1988). Und so haben sie versucht, ihr Weltbild durchzusetzen: mit Gas und Knüppel den Faschisten ihren Platz im Rechtsstaat zu sichern. Wir wollen niemand etwas unterschieben, aber die Meinung vieler hat einer getroffen: "Die Einwohnerschaft ist vor kriminellen Elementen wirksam zu schützen." Das schrieb NPD-Bohland für manchen offenbar zu derb, deshalb bevorzugen andere bürgerliche Floskeln: "Schreihälse", "junge Linke", "unkonstanzerisch". Andere haben es zusammengefaßt: "Wir REPUBLIKANER sind für Ruhe und Ordnung. ... Die Sicherheit auf der Straße ist wieder herzustellen" (REP-Programm Januar 1990). Und wir müssen dem Herrn Einsatzleiter Felgenhauer in gewisser Hinsicht recht geben, wenn er sich am 30.11.1989 im Südkurier zitieren läßt: "...bei weitem nicht so ist, wie öfters zu hören ist, daß die Polizei auf die rechte Sehe abfährt." Wir stellen fest, daß "die Polizei" oder umfassender die Staatsgewalt gar nicnt mehr zur rechten Seite abfahren muß, weil sie dort per Gesetz steht. In anderen Beiträgen dieser Broschüre haben wir den Nachweis geführt, daß sich der Staatsapparat vielfältige gesetzliche Regelungen und Organe wie Sondereinsatzkommandos etc. geschaffen hat, die Opposition zu unterdrücken, zu verfolgen und zu zerschlagen. Daß diese nicht gegen die Faschisten vorgehen, ist alltägliche Praxis auch in Konstanz. Und daß das alles so bleiben bzw. gegen die Opposition noch schärfer vorgegangen werden soll, dafür steht nicht nur die geschichtliche Erfahrung mit den Faschisten. Mensch kann es nachlesen: "Wir werden deshalb die zu unserem Schutz berufenen Behörden verstärken und ihnen ihre Handlungsfähigkeit zurückgeben" (REP-Programm Januar 1990 zu "Innere Sicherheit"). Das trifft unsere Erfahrung der letzten Jahre sehr genau. Stets waren alle Behörden zum "Schutz" der NPD oder REPs aktiv und wir fassen es als Drohung auf, die "Handlungsfähigkeit" zu eskalieren. Wir sehen schon einen Unterschied zwischen der Durchführung eines Informationsstandes durch NPD-Parteimitglieder und der Genehmigung sowie dem Schutz desselben durch Angehörige westdeutscher Staatsorgane. Aber wenn z.B. Herr Einsatzleiter Felgenhauer hier keinen Zusammenhang sehen will, dann bestätigt er unseren Verdacht: daß das Denken der Uniformierten dort aussetzt, wo das Prinzip "Befehl und Gehorsam" herrscht. Und seine Feierabend-Erkenntnis - "Die machen doch die beste Werbung für die Republikaner" - muß ihm in der Polizeikaserne beigebracht worden sein. Diesen Schuh ziehen wir uns nicht an. Wer behauptet, diejenigen, die sich für die Gleichheit der Menschen einsetzen, würden in Wahrheit denen zuarbeiten, die nach Führer und Rasse schreien, der muß schon die Logik eines Polizeistiefels besitzen, der nach unten tritt. Oder etwas konkreter: diverse Wahlausschüsse erlauben faschistische Kanidaturen, das Rechts- und Ordnungsamt genehmigt Informationsstände und Plakattafeln der Faschisten, die Polizei schützt solche und andere Veranstaltungen; die Stadtverwaltung lädt einen faschistischen Kandidaten zu einer städtischen Wahlveranstaltung ein, die Polizei will dessen Referat durchsetzen ... Ergebnis z.B. zwei REP-Gemeinderäte. Diese Damen und Herren vertragen offenbar ohne weiteres ihre eigene Schizophrenie und die Demagogie, die die Tugenden des deutschen Faschismus gestern, heute und morgen preist. Oder haben sie ein direktes Interesse daran? Wenn aber Menschen verlangen, diese Propaganda zu verhindern, kocht ihnen die Galle über. Sie erklären diese zu Störenfriede ihrer bürgerlichen Idylle und schreien nach Polizei und Justiz. Ja, und um von ihrem Tun abzulenken, erklären sie diese für die Urheber des Ganzen. Weil wir dagegen geschrien hätten, seien sie da und sollten uns Rechte abgesprochen werden. Aber es ist ihre Brut und ihre Kumpanei. |