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Tobias Engelsing im Südkurier vom 2. März 1999 |
Waffenlieferungen an Türkei statt politischer HilfeIG-Medien-Mitglied Rudolf Bürgel zum Kurdistankonflikt - Deutsche Konzerninteressen im Spiel: "Schmutziges Geld"Konstanz (te) Vor vier Jahren sagte der damalige, niedersächsische Ministerpräsident, einer Delegation kurdischer Gewerkschaftsvertreter deutsche Unterstützung bei der Suche nach einer friedlichen Lösung des Kurdistankonfliktes zu. Heute ist Gerhard Schröder Bundeskanzler. Seither spreche er, so der Redakteur des in Berlin erscheinenden "Kurdistan-Rundbriefs", Rudolf Bürgel, öffentlich davon, die Kurden führten einen "Stellvertreterkrieg in Deutschland". Heute so zu reden sei "ziemlich schäbig", befindet Bürgel. Der Journalist, als Mitglied verschiedener Delegationen, unter anderem der Gewerkschaft IG Medien, mit der Türkei und Kurdistan vertraut, hat eine Erklärung für den geschmeidigen Anpassungskurs der neuen Regierung: Europa wolle eine starke, stabile Türkei. Dafür habe man PKK-Chef Öcalan und letzlich auch den Kampf der kurdischen Minderheit in der Türkei preisgegegeben. Die plakative Gleichsetzung gewalttätiger PKK-Proteste mit dem Widerstand der Kurden in den deutschen Medien: offenbare die herrschende Meinung: Indem man von Kurden-Krawallen" spreche "müsse man nicht mehr über die Hintergründe des Völkermords an den Kurden und die deutsche Beteiligung daran reden. Die Allianz Deutschlands mit der Türkei habe Tradition: Während des türkischen Völkermords an den Armeniern 1915 habe die Reichsregierung Stillhalteerlasse bei den Medien durchgesetzt. Die Deutsche Bank bezog Zwangsarbeiter zum Bau der Bagdadbahn. Im Dritten Reich schließlich war die Türkei wichtigster Chromlieferant des NS-Staates, der sich mit Waffenlieferungen zum Kampf gegen die Kurdenaufstände revanchierte. Bürgel, der in Konstanz auf einer gutbesuchten Veranstaltung der PDS-Basisorganisation sprach, sieht auch heute ökonomische Interessen am Werk: Die Türkei wolle in den kommenden Jahren für 150 Milliarden Dollar Waffen kaufen. Aus Deutschland kamen bereits in den vergangenen Jahren 300 Panzer, eine halbe Million Maschinengewehre und Waggonladungen voller Sprenggranaten aus alten NVA-Beständen. Zwischen 1980 und 1998 habe die Türkei für 11,5 Milliarden Mark Waffenlieferungen aus Deutschland erhalten. Bestellt seien neue Transportpanzer. Hierzulande begründe man diese Geschäfte mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen. "Das ist schmutziges Geld, das dürfen wir nicht untestützen", appellierte der IG-Medien-Vertreter auch an Gewerkschaftsmitglieder. Auch auf dem Telekommunikations- und Rohstoffmarkt bestünden massive deutsche Konzerninteressen an einer starken Türkei, Diesen Interessen opfere man das kurdische Volk. ln der anschließenden Diskussion offenbarte sich die Venweiflung der Menschen im Ausruf eines Kurden: "Warum gehen die demokratischen Kräfte in Deutschland nicht mit uns auf die Straße? Wie sollen wir ihnen noch vertrauen, wenn sie uns so alleine lassen?" Rudolf Bürgel und die veranstaltende PDS stellten drei Forderungen zur aktuellen Situation: Die Bundesregierung müsse der hochverschuldeten Türkei den Geldhahn zudrehen und alle Waffenlieferungen einstellen. Sie solle sich für das Leben von Öcalan einsetzen und die Einleitung eines international begleiteten Friedensprozesses betreiben. |
[linksrhein] [Seeseiten] | cm, Konstanz, 25. 4.1999 |