Quelle: AZW Nummer 05, erschienen am 06.07.1995 | |
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Das Grundstück geht in Erbpacht an dieselbe Firma, so daß in 50 Jahren die Spitalstiftung theoretisch ein Rückkaufrecht wahrnehmen könnte. Bis dahin will dort die Kreuzlinger Herzklinik, mit der die Immobilienfirma verbunden ist, eine High-Tech-Herzklinik für PrivatpatientInnen einrichten und betreiben. Konstanzer KassenpatientInnen werden in der neuen Herzklinik nicht operiert werden, da die Krankenversicherungen strikt gegen weitere Betten für HerzpatientInnen in Baden-Württemberg sind und auch das Gesundheitsministerium diese in Zukunft nicht in den Bedarfplan des Landes aufnehmen wird. Ohne die Aufnahme in den Bedarfplan dürfen die Krankenkassen - selbst wenn sie wollten - gar nicht zahlen. Die Versprechungen und Beteuerungen der hiesigen Lokalgrößen können daran nichts ändern.
Hartnäckig hält sich im gesamten Gemeinderat die Hoffnung, daß die gemeinsam geschaffenen Fakten im "Gütle" schließlich doch ein Ja aus Stuttgart bringen könnten. Diese Hoffnung nährt sich lediglich aus beschwörenden Formeln des Sozialabbau-Bürgermeisters Hansen und seiner Fraktion. So sagte Frau Pietrzak (CDU) in der Sozialausschußsitzung vom 14. Juni: "Wir müssen alle unserem Bürgermeister in diesen schwierigen Verhandlungen mit Stuttgart den Rücken stärken" und fuhr fort, man dürfe deshalb "jetzt an den Beschlüssen zur Pflege nicht mehr herumkritteln". Vom peinlich berührten Gemeinderat folgten auf diesen Appell keine weiteren Fragen.
Gegen den erklärten Willen des Gemeinderates soll nun schließlich eine Privatklinik in die Luisenstraße Einzug halten.
Schon aus Spargründen werden die Behörden in Stuttgart ihre Meinung nicht ändern. Nun hat sie das Verhalten der Konstanzer Lokalpolitiker endgültig verstimmt: Der Versuch Beschlüsse herbeizuboxen, ohne vorherige Anfrage in Stuttgart, verbietet eine Zustimmung des Ministeriums im Nachhinein) auch aus politischen Gründen.
Der Abbau von städtischen Pflegebetten hatte der Sozialdezernent den GemeinderätInnen schmackhaft gemacht, durch die Aussicht auf "Kassenbetten" für HerzpatientInnen und "das Ende der Zweiklassenmedizin". Denn bisher können zwar PrivatpatientInnen in der Kreuzlinger Klinik behandelt werden, die anderen müssen weite Wege in Kauf nehmen. Die öffentliche Kritik konnte zwar den geplanten massiven Abbau in der Altenpflege - von dem BewohnerInnen und auch das Personal betroffen sind - einschränken, schließlich wurde aber ein reduziertes Sozialabbau-Konzept von allen Fraktionen mitgetragen. Kritische Fragen unterblieben auch dann noch, als die Seifenblase von den Herzbetten der KassenpatientInnen bereits geplatzt war und klar wurde, daß nur Privatbetten ins "Gütle" kommen werden.
Mit der Schließung des "Gütle" wird es einen Abbau von 6 Vollzeitpflegeplätzen geben, sowie einen Stellenabbau von ca. 6 Stellen in der Altenpflege: In den letzten Monaten verloren bereits zwei Aushilfskräfte in der Pflege ihre Arbeit, einer von diesen mußte die Stiftung nach eingereichter Klage schließlich eine Abfindung bezahlen.
Einer ausländischen Frau im Reinigungsdienst des Pflegeheims wurde nach fast 10 jähriger Betriebszugehörigkeit der Arbeitsvertrag nicht verlängert, so daß sie ihr Recht gegen die Spitalstiftung einklagen muß. Gegen diesem eklatanten Rausschmiß gab es ein Solidaritätsschreiben von über 30 KollegInnen im Haus, auf das die Leitung trotz mehrmaliger Aufforderung bisher nicht antwortete.
Die Pflegeplätze im "Gütle" werden verteilt auf die Klinik West im städtischen Krankenhaus und auf das Altenheim Talgarten in der Stadt. Die dafür notwendigen Umbauten in der Klinik West und im Altenheim Talgarten kosten insgesamt 1,11 Millionen DM, die der Spitalausschuß einmütig bewilligte. Lediglich die FGL stimmte gegen die 350000 DM für den Umbau der Klinik West mit der Begründung, daß durch den Umzug sechs Pflegebetten wegfallen. Also sogar noch zwei Betten mehr als der Gemeinderat in seiner letzten Sitzungen beschlossen hatte.
In einer Vorlage beziffert die Verwaltung die Kosten für Umzug und Fehlbelegungen wegen der Umstrukturierung auf 392 000 DM im laufenden Jahr. Diese Mittel sind außerplanmäßig und sollen ohne weitere Zustimmung des Spitalausschußes und des Gemeinderates von der allgemeinen Rückgang der Spitalstiftung abgezweigt werden. Insgesamt kostet so der Umzug des "Gütle", die BürgerInnen 1,5 Millionen DM. Der. ausschluausschußg durfte diese Kosten als Folge seiner früheren Beschlüsse lediglich zur Kenntnis nehmen.
Weitere. Kosten des Trauerspiels. "Wir bauen eine Herzklinik" lassen sich nicht in Geld ausdrücken: Das ergotherapeutischen Angebot im Pflegeheim wurde räumlich und personell wesentlich verschlechtert. Die zwanzig BewohnerInnen des Talgarten, die übereilt in andere Räume umziehen mußten, wählen in Angst und Verunsicherung gestürzt. Bei den MitarbeiterInnen, Angehörigen und BewohnerInnen des "Gütle" macht sich die Wut breit. Ihre Interessen artikulieren sie seit einem Dreivierteljahr in einem "Freundeskreis des städtischen Pflegeheims". Nach Disziplinierungsmaßnahmen ist das Betriebsklima im Altenpflegeheim der Stadt äußerst belastet. Enttäuschend ist die Erfahrung, daß schließlich die SozialpolitikerInnen aller Fraktionen dem Ausstieg aus städtisch betriebener Altenpflege und dem Einstieg in die Privatisierung des Gesundheitswesens zugestimmt haben.
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