Quelle: AZW Nummer 12, erschienen am 26.10.1995 | |
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Zu einer ungewöhnlichen Metapher griffen die Verfasser der sonst eher nüchtern gehaltenen Verwaltungsvorlage zur Erläuterung des Haushaltsansatzes der Stadt Konstanz. Um deutlich zu machen, wie dramatisch es um die Konstanzer Gemeindefinanzen bestellt ist, forderten sie den Leser/die Leserin auf, die Zuführungsrate vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt als "Fieberkurve des kommunalen Haushalts" zu begreiffen. Den Verantwortlichen scheint dabei allerdings nicht aufgefallen zu sein, daß der Vergleich mit der Medizin mehr als schief ist. Denn während Ärzte gemeinhin durch steigende Fieberkurven beunruhigt werden, herrscht im Rathaus Besorgnis gerade über das stetige Fallen dieser Kurve seit dem Jahr 1992. Es handelt sich bei der Zuführungsrate nämlich um das sogenannte Jahresergebnis, um den Betrag also, den die Stadt im laufenden Betrieb (Verwaltungshaushalt) erwirtschaftet und dem Vermögenshaushalt (in dem die sämtliche Investitonen der Stadt zusammengefaßt sind) gutschreiben kann. Und dieses Ergebnis befindet sich im freien Fall: Während 1992 immerhin noch 33 Mio. DM zusammenkamen, soll dieser Betrag in diesem Jahr auf 6,1 Mio. DM sinken ? in der Tat ein "in seiner Dimension gewaltiger Einbruch der städtischen Finanzkraft", wie die Verwaltung schreibt.
Die Ursachen für diesen Niedergang der städtischen Finanzen ist sattsam bekannt: die Verantwortlichen in Bonn und Stuttgart haben den Kommunen in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben aufgehalst, ohne für eine finanzielle Deckung zu sorgen. Die Städte und Gemeinden sehen sich nicht nur mit den verheerenden sozialen Folgen der konservativ-liberalen Politik konfrontiert, sie sollen die daraus erwachsenden Aufgaben auch noch mit weniger Mitteln bewältigen. Dazu kamen und kommen weitere Kürzungen, um die Ziele der Herrschenden auf dem Gebiet der ehemaligen DDR voranzutreiben, sowie Steuerausfälle wegen der konjunkturellen Lage. "Keine Rede von Aufschwung", mußte denn auch OB Horst Eickmeyer feststellen, als er am 19. Oktober den Haushaltsansatz seiner Verwaltung im Finanz- und Wirtschaftsausschuß vorstellte. Das zur Ausschußsitzung vorgelegt Papier wird noch deutlicher: Der Verwaltungshaushalt sei "derzeit nicht in der Lage, über die konsumtiven Ansprüche der städtischen Einrichtungen (gemeint sind die laufenden Kosten, d.V.) sowie über Zins- und Tilgungsleistungen für Altschulden hinaus einen bedeutenden Beitrag zur Eigenmittelfinanzierung zu leisten." Und das werde sich auch nicht ändern, zumindest mittelfristig nicht.
Daß diese Situation nicht schon früher eingetreten ist, haben nur das Verramschen wertvollen städtischen Grund und Bodens an Private in den vergangenen beiden Jahren sowie eine hohe Rücklagenentnahme im laufenden Jahr verhindert. Diese Quellen sind jedoch so gut wie versiegt.
Entsprechend fällt das Zahlenwerk für 1996 aus. Bei den Investitionen regiert gnadenlos der Rotstift: Ganze 33,6 Mio. DM sind dafür für das nächste Jahr vorgesehen. Zum Vergleich: 1992 standen noch 58,2 Mio. zur Verfügung. Dabei sind die Aufgaben seitdem nicht kleiner geworden, sondern deutlich gewachsen. So rechnet die Verwaltung für Schulbauten mit nötigen Investitionen von 8,2 Mio. DM bis zum Jahr 2000. Ganze 320.000 will die Stadt 1996 bewilligen. Für die im Einzelplan "Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege" zusammengefaßten Aufgaben taxieren die Fachleute im Rathaus ein Volumen von 5,2 Mio. DM bis zur Jahrtausendwende. Ausgaben 1996: 0! Und für "Soziale Sicherung" müssen in den nächsten fünf Jahren Mittel in Höhe von 25,8 Mio. DM aufgebracht werden, ganze 2,7 Mio. sind für nächstes Jahr vorgesehen.
Ganz im Gegensatz dazu stehen übrigens die Ansätze bei den unter dem Posten Sanierungsmaßnahmen geführten Investitionen für die Prestigeobjekte der bürgerlichen Kommunalpolitik: satte 8,4 Mio. sollen sie wieder einmal verschlingen, während beispielsweise für den sozialen Wohnungsbau gerade mal 4 Mio. eingeplant sind.
Während die Eickmeyer-Verwaltung bei den Investitionen immer dringlicher werdende Maßnahmen von Jahr zu Jahr vertagt, soll beim Verwaltungshaushalt einerseits die "eiserne Sparpolitik" fortgesetzt, andererseits mehr Geld kassiert werden. Dabei spekuliert man vor allem auf "deutlich rückläufige Gesamtausgaben, die hauptsächlich verursacht sind durch geringere Zahlungen bei der Finanzausgleichs- bzw. Kreisumlage", wie es in der Verwaltungsvorlage heißt. Dies wiederum sei zurückzuführen auf den deutlichen Rückgang der städtischen Finanzkraft in den für die Berechnung dieser Umlagen relevanten Jahren 93 und 94. Außerdem trügen jetzt die in den vergangenen Jahren "umgesetzten Konsolidierungsmaßnahmen bei den laufenden Personal- und Sachausgaben" ? im Klartext: Personalabbau und Mittelkürzungen ? ihre Früchte.
Auf der Einnahmeseite will Eickmeyer neben einer höheren Neuverschuldung (8,1 Mio.) vor allem die Grundsteuersätze anheben, um die Zahlen zu verbessern.
Von der Erhöhung der Hebesätze dieser Steuer von 280 auf 310 Punkte verspricht sich die Verwaltung eine Steigerung des Aufkommens von 13,3 Mio. auf 14,6 Mio. DM, also mindestens 1,3 Mio. DM mehr in den städtischen Kassen. Im Rathaus spekuliert man dabei für die nächsten Jahre auf stetig steigende Einnahmen. Das hat insbesondere damit zu tun, daß eine bis 1989 geltende Grundsteuervergünstigung bei allen danach errichteten Gebäuden entfällt. Außerdem läuft noch eine spezielle Vergünstigung für im Jahr 1985 gebaute Wohnungenn aus.
Kommt die Verwaltung mit diesen Plänen durch, hätten vor allem die Mieterinnen und Mieter in Konstanz wieder einmal die Zeche zu zahlen. Denn jede Mark, die ein Hausbesitzer für die Grundsteuer abführen muß, knöpft er den Mietern via Nebenkostenabrechnung wieder ab. Eine Anhebung der Grundsteuer- Hebesätze würde damit Jahr für Jahr unweigerlich Mieterhöhungen nach sich ziehen. ?
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