Rede auf der Auftaktkundgebung in Dannenberg gegen den CASTOR-Transport, 6. Nov. 2004, von Erna und Ernst

 

 

Gegen CASTOR, gegen Sozialabbau!

 

Wir freuen uns wieder so viele engagierte Menschen begrüßen zu können, die hier im Wendland gegen die Castor-Transporte und den weltweiten Betrieb von Atomanlagen protestieren!

Wir sind uns bewußt, daß die Castor-Transporte nach Gorleben nur den letzten Teil der Atomspirale darstellen, die mit dem Uranabbau beginnend, über die Urananreicherungsanlage, die Atomkraftwerke und die Wiederaufbereitungsanlage die rücksichtslose Ausbeutung und Gefährdung von Mensch und Natur bedeutet.

Renaissance der Atomkraft?

Trotz der ungeheuren und grundsätzlich unkontrollierbaren Risiken der Atomtechnologie und ihrer Ablehnung in der Bevölkerung wird von der Atommafia in letzter Zeit verstärkt ein Ausbau der Atomenergie propagiert.
Wir erklären aber auch in Zukunft dem Betrieb sämtlicher atomarer Anlagen eine klare Absage!
Wir müssen erkennen, daß die Atommafia so versucht Akzeptanz zu schaffen für die langfristige Durchsetzung der Atomtechnologie und eben der damit verbundenen Risiken. Zeigen wir ihnen, daß es hier im Wendland keine Akzeptanz für Atomtechnik gibt!

Aber heute und dort wo der Widerstand schwach ist, ist die Atommafia schon wieder am Start:
In Finnland wird Framatome den ersten Typ des europäischen Druckwasserreaktors EPR bauen, immerhin der erste Auftrag zum Bau eines AKWs in der Europäischen Union seit 14 Jahren.
Im Frühjahr hat die SPD/Grüne Bundesregierung Hermesbürgschaften für den Neubau von 2 AKW-Blöcken in China bewilligt. In Osteuropa werden vor allem aus EG-Mitteln alte Reaktoren modernisiert und ausgebaut statt abgeschaltet.
Die Atommafia erhofft sich neue Geschäftsfelder, und niemand außer uns wird ihnen die Suppe versalzen!

Profite der Konzerne!

Die Energiekonzerne, also die 4 großen Gebietsmonopolisten Eon, RWE, Vattenfall Europe und EnBW (Energie BadenWürtemberg), fahren gerade wegen der im Atomkonsensvertrag von Rot/Grün ausgesprochenen Bestandsgarantie für die AKWs gewaltige Profite ein. Dazu trägt auch der garantierte Verzicht einer Besteuerung ihrer milliardenschweren Rücklagen, sowie nicht zuletzt die völlige Steuerfreiheit des Urans bei. So steigen seit 4 Jahren die Nettogewinne der großen Strombetreiber Eon und RWE im zweistelligen Prozentbereich! Und ermöglichen diverse Übernahmen, und schließlich ensteht durch die Fusion von Eon und Ruhrgas gerade der größte private Energiekonzern der Welt.

Aber nicht nur mit den Profiten der Energiekonzerne steht es hier in der BRD zum besten, auch andere Sektoren des Kapitals können nicht klagen. Zur Zeit läuft einer der größten Angriffe auf Löhne und soziale und kulturelle Errungenschaften der letzten Jahrzehnte: sei es Hartz IV, die sogenannte Gesundheitsreform oder die ganzen Bildungsreformen.

Reformen und Marginalisierung

Alle diese "Reformen" sind letztendlich nichts weiter als ein gigantisches Verarmungsprogramm und eine Umverteilung von unten nach oben, oder, mit einem etwas alten Begriff: Klassenkampf von oben. Die Ausbeutung und Marginalisierung von immer mehr Menschen, auch hier in den Metropolen, nimmt immer schärfere Formen an.

Die Angriffe auf die Tariflöhne, der Abbau von Gesundheitsdiensten, das roll-back in der Bildung mit einer neuen Elitenbildung und verschärfter Selektion und nicht zuletzt die neue Welle der Repression gegen Arbeitslose mit neuen Formen des Arbeitszwangs sollen die Menschen vergessen machen, dass Lohnarbeit an sich schon einen existenziellen Zwang darstellt. Und viele haben das auch inzwischen schon längst vergessen und verlangen nach "Arbeit" oder sogar "Arbeit für alle". Was dagegen zur Zeit oft vollständig ignoriert wird, ist die Tatsache, daß diese verschärfte Ausbeutung und Marginalisierung nicht ganz so neu ist, sondern bereits seit Jahren praktiziert wird: viele MigrantInnen kennen diese Angriffe seit langem und zur Genüge.

Seien es die prekären Jobs, sei es die Abdrängung in die Illegalität und nicht zuletzt die totale Ausgrenzung durch das Lagersystem, die Praxis der Abschiebungen und den ganzen alltäglichen Rassismus von Staat und Gesellschaft. Gab es dagegen - außer von den Betroffenen und antirassistischen Gruppen - größere Proteste ? Bezeichnender Weise nicht. Genauso wird in der Forderung "Arbeit für alle" ignoriert, dass die Diskussionen um die Abschaffung des Arbeitszwangs schon einmal viel weiter waren, z.B. in den Forderungen nach einem Existenzgeld oder in der Debatte um Arbeitsbedingungen und -inhalte. Deshalb finden wir, müssen unsere Forderungen weiter gehen und radikaler werden. Wir fordern:

Alles für alle - und zwar umsonst !

Einige werden sich sicher schon fragen: alles schön und gut, aber was hat das eigentlich mit dem anstehenden Castor-Transport und dem geplanten Endlager zu tun?
Es ist die gleiche Logik von Ausbeutung, Unterdrückung, Verwertung und Zerstörung von Menschen und Natur. Sowohl der Klassenkampf von oben als auch der gesamte Prozeß der Energieerzeugung aus der Atomkraft dienen letzlich keinem anderem Ziel als der Maximierung des Profits und der Festigung von Herrschaftsstrukturen.

Während diese Herrschaftsstrukturen seit jeher für einen großen Teil der Menschheit Würdelosigkeit, Elend und Armut bedeutete, kehrt diese Realität nun auch mehr und mehr in die Metropolen zurück - der Begriff der "Globalisierung" dient hierbei als argumentative Keule für alle Angriffe auf erkämpfte Sozialstandards. In der Ideologie des "Neoliberalismus" zeigt der Kapitalismus nun auch wieder hier in der BRD sein unverhülltes Gesicht: die Unterwerfung aller menschlichen Bedürfnisse unter die Doktrin des freien Marktes und der Profitmaximierung im immer schärfer werdenden weltweiten Konkurrenzkampf um Märkte und Einflußsphären. Dabei spielt der Staat eine zentrale Rolle, nämlich optimale Bedingungen für die Kapitalverwertung zu schaffen und sicherzustellen. Auch dies ist an der quasi militärischen Durchsetzung der Atomwirtschaft (Stichwort: Atomstaat) seit langem bekannt und hier besonders gut zu beobachten.

Gegen Ausbeutung und Ausgrenzung

Aber geht das alles denn so ganz reibungslos über die Bühne ? Zum Glück nicht so ganz. Auch im sozialen Bereich regt sich inzwischen vielfältiger Protest und Widerstand. Wir grüßen an dieser Stelle alle, die heute auf der bundesweiten Demo in Nürnberg gegen Sozialabbau, Hartz IV und verschärften Arbeitszwang demonstrieren - und bedauern, daß diese und die Demo in Nürnberg zur gleichen Zeit stattfinden.

Es ist uns wichtig, nicht nur die derzeitigen Angriffe der Mächtigen aus Wirtschaft und Politik abzuwehren und die über Jahrzehnte erkämpften sozialen Rechte zu verteidigen. Es geht uns vielmehr darum, das ganze Herrschaftssystem des Kapitalismus und anderer Unterdrückungsmechnismen zu überwinden. Es geht uns um das, was uns wirklich zusteht: den gesellschaftlich produzierten Reichtum für alle weltweit, die Produktionsmittel in die Hände aller und das überall. Ja, wir wollen alles: Alles für Alle !

Wir wollen immer noch alles: den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie, überall auf der Welt und zwar sofort!

Das gilt ebenso hier und heute: wenn es uns darum geht, diesen Castor-Transport nach Gorleben zu behindern, womöglich, zu verhindern.

Wendland als sozialer Ort

Wir verstehen das Wendland auch als eine sozialen Ort, an dem Platz ist für einen vielfältigen Widerstand. Und in der nun schon 25-jährigen Widerstandsgeschichte ist auch immer wieder die Ablehnung der herrschenden Verhältnisse deutlich gemacht worden. Und wir lassen uns nicht vom Atomstaat unsere Protestformen vorschreiben, sollen sie sich doch mit ihren "Allgemeinverfügungen" ihre Amtsstuben tapezieren!

Atomkraft: Krieg nach außen und innen

Wenn der Castor Richtung Gorleben rollt, vergessen wir dabei nicht:
Allem voraus geht der Uranabbau mit der Verseuchung ganzer Landstriche und der Zerstörung der Lebensgrundlagen zumeist indigener Völker.

Vergessen wir nicht die Urananreicherungsanlage in Gronau, die in ihrer Kapazität ausgebaut werden soll, die Urantransporte, die auch im "Normalbetrieb" strahlenden AKWs mit ihren zahllosen kleineren und größeren Pannen, und vor allem die Meere verseuchenden WAAs in LaHague und Sellafield. Und der Atommüll wird Jahrzentausende vor sich hin strahlen. In CASTOR-Behältern, die in absehbarer Zeit undicht sein werden?

Und vergessen wir nicht, es kann weltweit kein sicheres Endlager geben, nirgendwo!

Und vergessen wir nicht; die zivile und militärische Nutzung der Atomkraft sind untrennbar miteinander verbunden. Atomenergie bedeutet Krieg nach außen; durch den Besitz von Atomwaffen oder den Einsatz von uranhaltigen Geschossen. Und solange AKWs und Forschungsreaktoren hier laufen hat auch Deutschland immer noch die Option auf eine eigene Atombombe.
Atomkraft bedeutet Krieg nach innen; eine ganze Region wird regelmäßig in den Belagerungszustand versetzt, AtomkraftkritikerInnen werden überwacht und das Demonstrationsrecht kontinuierlich aufgehoben.

Widerstand gegen CASTOR & Co.

An der Atomkraft zeigt sich besonders deutlich, wie ökonomische Interessen in diesem System im Mittelpunkt stehen. Und nicht etwa der Mensch oder die Umwelt, deren Verseuchung für Profitmaximierungen billigend in Kauf genommen wird. Die Kritik an den Castor-Transporten, will sie etwas verändern, muß also mehr als Strahlenrisiken hinterfragen, denn AKWs, Castoren und die Atommafia sind nicht Fehler des Systems, sondern Konsequenter Ausdruck davon!

Wir sehen damit unseren Kampf gegen die Castor-Transporte und gegen Endlager als einen Teil der weltweiten Kämpfe gegen das herrschende System.
In diesem Sinne sind die gesellschaftlichen Verhältnisse radikal, also an die Wurzel gehend, in Frage zu stellen.

Warum nicht eine Gesellschaft in der die Bedürfnisse des Menschen und nicht der Profit und Verwertungszwang im Mittelpunkt stehen?

Setzen wir uns ein für eine solidarische, herrschaftsfreie Gesellschaft, wo wir unser Leben selbstbestimmt organisieren, wo Platz ist für gleichberechtigte Kommunikation, für Muße und Kreativität, - aber kein Platz mehr für Castor-Transporte und Atomenergie ist!

Und versuchen wir doch davon wenigstens etwas umzusetzen, hier und jetzt, in den nächsten Tagen. Bei so vielen widerständigen Menschen, das macht doch Mut; schaut euch um, bildet Bezugsgruppen, lernt euch kennen, seid offen und respektvoll miteinander - aber: seid verschlossen und respektlos den Bullen gegenüber!

Wir wünschen euch viel Glück und Kraft. Lasst euch nicht erwischen! Und machen wir ihnen es so schwer wie möglich die Castoren nach Gorleben zu bekommen - es ist ein langer Weg ...

... gegen Ausbeutung, Kapitalismus und Arbeitszwang!

Für die sofortige Stillegung aller Atomanlagen, weltweit!